Ann Sebastian: "The world should live by night. The dark draws people together." (aus The Sleeping City von George Sherman, USA 1950)
Von Anbeginn hat es die Macher des Film Noirs gereizt, ihre Formensprache zur Ambivalenz und Mehrdeutigkeit der Film Noir Welt in Beziehung zu setzen. Bestenfalls entsprach die Form nicht dem Inhalt, sondern wurde zur Metapher des Inhalts selbst. Es sind diese Film Noirs, bei denen man feststellt, dass sie stilbildend waren, und die mit ihrem Stil bis heute beeindrucken. Vor allem die Exil-Regisseure und Kameramänner im Hollywood der 40er, deren Wurzeln in die Zeit des deutschen Expressionismus’ zurückreichten, erwiesen sich als Vorreiter. In Rächer der Unterwelt / Die Killer (USA 1946) von Robert Siodmak ist die Kontrastschärfe von Schwarz und Weiß derart überentwickelt, dass einige Szenen wie animiert wirken. Gleißender Lichteinfall und tiefdunkle Schattenspiele, aberwitzige Kamerawinkel und –fahrten wirken in diesem Paradebeispiel des Film Noirs der Zeit seiner Entstehung weit voraus und zeitlos modern.
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Der Agent aus der Hölle, 1949 | Die Menschenfalle, 1949 | Straße der Versuchung, 1945 | Sündige Grenze, 1951 |
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Der unbekannte Geliebte, 1946 | Schlingen der Angst, 1948 | Strafsache Thelma Jordon, 1950 | Flucht ohne Ausweg, 1948 |
Im Film Noir blendet uns das Kunstlicht und es liegen Räume in undurchdringlichem Schatten. Formen verschwimmen, Konturen treten überscharf hervor. Das Auge des Zuschauers erkennt die Alltagswelt nicht wieder und taucht ein in die Gegenwelt des Film Noirs. Allerorts haben die Perspektiven und Blickwinkel sich verschoben. Die Kamera im Film Noir sieht, wie der Alltagsmensch zu sehen nicht gewohnt ist. Es ist die Art der Fotografie, die den Film Noir so anders aussehen ließ und die Nino Frank 1946 reizte, ihn so zu benennen und sich ihm zu widmen.
In dem Kontext darf der Name Fritz Lang nicht fehlen. In seinen deutschen Stummfilmen ab 1919 war der Pionier des Filmschaffens bestrebt, die Formensprache des Films mittels aller nur denkbaren Mittel zu erweitern. Nicht zuletzt der Regisseur Fritz Lang erhob sie zu einem eigenständigen Repertoire an Ausdrucksmitteln und bewies mit Dr. Mabuse, der Spieler (GER 1922), in welchem Umfang das Handwerkszeug der Illusionsmaschinerie Film in Kohärenz mit der Idee einer Welt als Illusion zu verschmelzen fähig ist. Überblendungen, Schnitttechnik, Kamerafahrten und –schwenks, dazu bizarre Studiobauten und Maskeraden schufen ein einzigartiges Epos von 270 Minuten Länge, in dem mancher Filmtheoretiker den Startpunkt des Film Noirs sieht. In Hollywood wurde Fritz Lang ab 1936 zum Vorreiter des klassischen Film Noirs der 40er und hat später so viele davon gedreht, wie seinerzeit und seither kein anderer Regisseur, Meisterwerke à la Gefährliche Begegnung / Der Erpresser (USA 1944), Straße der Versuchung (USA 1945) und Heißes Eisen (USA 1953) inklusive.
Fritz Langs Gehetzt, 1937 |
Akira Kurosawas Ein streunender Hund, 1949 |
Henri-Georges Clouzots Die Teuflischen, 1955 |
Ted Tetzlaffs Das unheimliche Fenster, 1949 |
David Millers Ehe mit dem Satan, 1952 |
H. Bruce Humberstones I Wake Up Screaming, 1941 |
Robert Hamers Die Flucht vor Scotland Yard, 1947 |
Michael Curtiz' Flamingo Road, 1949 |
Henry Hathaways Feind im Dunkel, 1946 |
John Paddy Carstairs' Dancing With Crime, 1947 |
Phil Karlsons Eine Stadt geht durch die Hölle, 1955 |
Lewis Gilberts Vier bleiben auf der Strecke, 1954 |
Zu seiner Blütezeit profitierte der Film Noir von innovativen, gut ausgebildeten und erfahrenen Kräften, die als Art Director, Director of Photography oder Cinematographer für den Zuschauer anonyme Bestandteile der Namensliste im Vor- und Abspann eines Films blieben. Herausragendes leisteten Leute wie John Alton (Flucht ohne Ausweg, Schritte in der Nacht, USA 1948), Milton R. Krasner (Ein Doppelleben / Mord in Ekstase, USA 1948) oder auch Van Nest Polglase (Gilda, USA 1946). Letzterer war schon 1941bei Citizen Kane dabei, der kein Film Noir ist, aber mit seiner innovativen Kameraarbeit und einem expressionistischen Schwarzweiß das Filmschaffen in Hollywood revolutionierte.
Citizen Kane blieb trotz seines großen Erfolgs der einzige Film, den der Regisseur Orson Welles jemals gemäß eigenen Vorstellungen ans Publikum brachte. Jedes Werk danach wurde im Schneideraum eines Filmstudios verstümmelt oder dem Visionär schon beim Dreh aus der Hand gerissen. So existieren Journey Into Fear (USA 1943), Die Spur des Fremden / Der Fremde (USA 1946) und Die Lady von Shanghai (USA 1947), alle dem Film Noir zuzurechnen, lediglich als Schnittfassungen, die erahnen lassen, dass die Filme Meisterstücke hätten werden können. Dennoch prägte gerade der bildgewaltige Orson Welles den Stil des US-amerikanischen Film Noirs nachhaltig.