Film Noir
| USA
| 1950
| John Sturges
| John Alton
| Bruce Bennett
| John Crawford
| John Maxwell
| King Donovan
| Marshall Thompson
| Ned Glass
| Ralph Dumke
| Ricardo Montalban
| Walter Burke
| Betsy Blair
| Elsa Lanchester
| Jan Sterling
| Sally Forrest
Bewertung
****
Originaltitel
Mystery Street
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1950
Darsteller
Ricardo Montalban, Sally Forrest, Bruce Bennett, Elsa Lanchester, Marshall Thompson
Regie
John Sturges
Farbe
s/w
Laufzeit
88 min
Bildformat
Vollbild
© Warner Bros.
Beacon Hill in Boston, Massachusetts: Vivian Heldon (Jan Sterling) arbeitet als Animierdame im Nachtclub The Grass Skirt. Heute Abend ist sie noch Zuhause und kommt im Apartmenthaus von Mrs. Smerrling (Elsa Lanchester) die Treppe hinunter, als unten im Korridor das Telefon klingelt. Sie hat das Gespräch selbst angemeldet, denn sie versucht einen Mann zu erreichen, der weiter südlich an der Küste in Hyannis auf der Halbinsel Cape Cod lebt und dem sie etwas Wichtiges mitzuteilen hat. Just als sie durchgestellt wird, kommt ihre Mitbewohnerin im Haus, die in einem Imbisslokal arbeitende Jackie Elcott (Betsy Blair), zur Tür herein und die im Parterre wohnende, neugierige Mrs. Smerrling nimmt von jener in bar die Miete entgegen. Vivian ist mit der Miete zwei Wochen in Rückstand und Mrs. Smerrling schleicht auf ihrem Weg in den Keller noch um die am Telefon Wartende herum, bevor sie von unten das Gespräch belauscht. Die junge Frau macht dem Mann in Hyannis klar, dass sie in Schwierigkeiten sei und dass er heute Abend gefälligst um halb elf im Club erscheinen solle… Aber Vivian wartet noch, als ihr Ultimatum längst abgelaufen ist, und jeder Versuch, vom The Grass Skirt erneut in Hyannis anzurufen scheitert, denn die Leitung ist ständig besetzt. Als Barkeeper Al (Bradford Hatton) die Gäste am Tresen nach dem Besitzer eines gelben Fords fragt, der im Parkverbot steht, meldet sich der betrunkene Henry Shanway (Marshall Thompson) und Vivian Heldon wittert ihre letzte Chance…
“Parked in the ’No Parking’!“ - “That’s the story of my life. I’m always where I shouldn’t be.” Diese B-Produktion von Regisseur John Sturges nach einem Drehbuch von Sydney Boehm und Richard Brooks bringt ihre Geschichte ebenso zielstrebig wie souverän auf den Punkt. Doch je mehr man in einer Nacherzählung davon berichten wollte, desto weniger ließe sich darauf hoffen, mit mehr als den dürren Fakten aufwarten zu können. Mystery Street lebt von seinen Zwischentönen und den pointiert gesetzten Einschüben, wo die Geschichte sich kurz die Zeit nimmt, bei ihren Charakteren zu verweilen und etwa die vom plötzlichen Unglück ihres Mannes überraschte Grace Shanway (Sally Forrest) oder die fortwährend umtriebige, undurchsichtige und intrigante Mrs. Smerrling unter die Lupe zu nehmen. So wird die im Ganzen kurzweilige Suche nach dem Mörder, der die gleichnamige Kriminalgeschichte von Leonard Spigelgass zugrunde liegt, der 1951 für Mystery Street für den Oscar nominiert wurde, an zentralen Stellen aufs Terrain des Film Noirs überführt. Besonders profitiert der Film diesbezüglich von Kameramann John Alton (Flucht ohne Ausweg, USA 1948), der sich in den Vierzigern vor allem in seinen Kollaborationen mit Anthony Mann als einer der Innovativsten seiner Zunft hervorgetan hatte und noch heute als Legende gilt. Hier verleiht er der Stadt Boston oder geradezu harmlosen Sequenzen wie dem Schlagballtraining in einer Betonhalle, die Alton in einer Weise filmt, das die Szene adäquat zum Gemütszustand des Protagonisten geradewegs Beklemmung auslöst, eine ganz eigene Atmosphäre. Auch bei der Darstellung der Methoden der Forensik durch Dr. McAdoo (Bruce Bennett) von der Harvard Medical School lässt sich John Alton nicht lumpen und erweist sich qualitativ als der größte Bonus der Produktion.
Darüber hinaus ist es das wunderbare Ensemble, das hier für Metro-Goldwyn-Mayer zusammen fand und das die Geschichte bis in feinste Verästelungen mit Leben füllt. Edmon Ryan gibt einen exzellenten Schurken. Ricardo Montalban, als gebürtiger Mexikaner seinerzeit oft “Latin Lover“ in Musicals und Melodramen, spielt den Police Detective Peter Moralas so elegant wie unnachgiebig. Elsa Lanchester zeigt in der Rolle der unsympathischen Vermieterin Smerrling ihre Klasse. Die vom Komitee für unamerikanische Aktivitäten (HUAC) 1951 mit Berufsverbot belegte Betsy Blair - Ehefrau Gene Kellys – beweist ein enormes Talent, ebenso Sally Forrest, Bruce Bennett, Jan Sterling und Ralph Dumke. So gibt es in der Riege der Darsteller kaum eine Schwachstelle - ein weiteres Plus für jene nicht per se originelle Geschichte. Mystery Street kam weder in Deutschland noch in Österreich ins Kino und wurde 1988 unter dem faden Titel Die Tote in den Dünen erstmals im bundesdeutschen Fernsehen aufgeführt. Der vom Film Noir inspirierte, zeitgenössische “Western“ Stadt in Angst (USA 1955) verhalf Regisseur John Sturges zu spätem Ruhm. Marshall Thompson, Sally Forrest und Jan Sterling arbeiteten ab Mitte der Fünfziger mehr und mehr beim Fernsehen und spielten im Kino der Sechziger schon keine Rolle mehr. Mystery Street blieb lange Zeit einer jener halb vergessenen Film Noirs, deren Wiederentdeckung sich jederzeit lohnt.
In den USA erschien der Film als Teil des 5DVD-Box-Sets Film Noir Classic Collection Vol. 4 (2007) von Turner Entertainment Co. bzw. Warner Bros. ungekürzt im Originalformat mit gut verständlicher, englischer Tonspur, optional englische und französische Untertitel, dazu Audiokommentare von Alain Silver und Elizabeth Ward, den US-Kinotrailer und die Dokumentation Mystery Street: Murder at Harvard als Extras.