Bewertung
****
Originaltitel
Wong gok hak yau
Kategorie
Neo Noir
Land
HK
Erscheinungsjahr
2004
Darsteller
Daniel Wu, Cecilia Cheung, Alex Fong, Anson Leung, Kar Lok Chin
Regie
Tung-Shing Yee
Farbe
Farbe + s/w
Laufzeit
110 min
Bildformat
Widescreen
Der Stadtteil Mongkok in der südchinesischen Metropole Hongkong kurz vor Weihnachten: Wegen eines Streits von zwei Verkäufern gefälschter Markenuhren auf einer Marktstraße des Bezirks, geraten auch die Bandenführer „Tiger“ (Wai-On Peng) und Franky (Sam Lee) aneinander. Letzterer erhält eine Platzwunde an der Stirn, als ihm Tiger eine Flasche über den Schädel schlägt. Tiger steigt mit seiner Freundin ins Auto und rast davon. Franky und einige seiner Leute verfolgen ihn, um ihn zu verprügeln, doch der angetrunkene Tiger stößt mit einem anderen Wagen zusammen und stirbt am Unfallort. Das ruft den Triadenboss Tim (Limin Sun), den Vater des Toten, auf den Plan. Als ihm sein Widersacher Carl (Henry Fong) - zugleich der Protegé Frankys - einen Besuch abstattet, um den Unfalltod zu erklären und eine Eskalation zu vermeiden, wird der verletzte Franky von Tims Häschern am helllichten Tag in einem Café ermordet. Mit dem Ziel kurz vor Weihnachten einen Bandenkrieg zu verhindern, übernimmt Officer Milo (Alex Fong) von der Hongkonger Polizei die Ermittlungen. Mit dem Junkie Shitty Kong (Biu Law Che) hat er einen guten Informanten auf den Straßen Mongkogs, den er im Gegenzug für seine Dienste mit Drogengeld versorgt. Kong weiß zu berichten, dass Tim den Hehler Liu (Suet Lam) beauftragt habe, einen Killer zu engagieren, der Carl aus dem Weg räumt. Wovon er nichts weiß, sind Lius Probleme mit Tims Auftrag, so dass er zuletzt auf den Neuling Lai-fu (Daniel Wu) zurückgreifen musste, den Liu an diesem 24. Dezember im Evergreen Hotel, einer miesen Absteige in Mongkok, einquartiert hat…
Das ist kein Film für zarte Gemüter. Einmal abgesehen von der physischen Gewalt, die im letzten Drittel eskaliert, sich aber knapp im Rahmen der FSK-16-Klassifizierung bewegt, ist bemerkenswert, wie der Regisseur mit seinem Anliegen Ernst macht. Im Kontext des Spielfilms als Produkt der Unterhaltungsbranche v.a. aus Hollywood haben westliche Zuschauer sich an bestimmte Parameter auch des Thrillerkinos gewöhnt. Der Nihilismus von One Nite in Mongkok - Nacht der Entscheidung, thematisch nahe an Wong Kar Wais Neo Noir As Tears Go By (HK 1988) und doch vielschichtiger, erinnert im Finale fast an Sergio Corbuccis bösartigen Italo-Western Leichen pflastern seinen Weg (ITA/FRA 1968). Tung-Shing Yee unterläuft unsere Erwartungen mit einer Härte, zu der auch der semidokumentarische Stil der Kameraarbeit hervorragend passt. Er nimmt uns mit diesem Film über eine Großstadt und deren Systematik einer Menschenmühle, die alles Hoffen und Streben unbarmherzig zermahlt, zuletzt die Aussicht auf ein Morgen. Dabei verzichtet dieser Neo Noir auf fast jedwedes Pathos, wie es für Hongkong-Thriller ja nicht untypisch ist, und hinterlässt mit seiner nüchternen, wunderbar inszenierten letzten Einstellung umso mehr einen bleibenden Eindruck. So sticht One Nite in Mongkok – Nacht der Entscheidung aus dem Gros der Hongkong-Filme ähnlich heraus wie Abel Ferraras Bad Lieutenant (USA 1992) aus dem Gros der US-amerikanischen Thriller seiner Zeit.
© Ascot Elite Home Entertainment
Hongkong wimmelt von Korruption, Betrug, Gewalt. In Winkeln Mongkoks hocken die Hehler, Zuhälter und Bandenführer wie Spinnen in Netzen, um Widersacher oder auch Partner übers Ohr zu hauen. Stets bilden sich neue Allianzen, verfeinden sich die Freunde von Gestern. Auch die Polizei kennt die Regeln des Spiels und spielt es so wie die Gangster – völlig ohne Skrupel. Als Paar auf der Flucht, das der Zufall zusammen führte, sind Lai-fu und die Prostituierte Dan Dan (Cecilia Cheung) junge Leute aus jeweils einem Dorf in Südchina. Nun wollen sie sich in der Großstadt ihren Anteil am Kuchen sichern und merken allzu langsam, wie sie dabei unter die Räder kommen. Im ersten Drittel ist der Film allzu vertrackt und will nicht recht in die Spur kommen, doch erfährt er alsdann eine immense Steigerung, die bis ins Finale nicht abreißt. Mit Sicherheit kein „Action-Film“ sondern ein auf seine Charaktere fokussierter Neo Noir aus Hongkong, dessen Polizeigewalt an Fritz Langs M - eine Stadt sucht einen Mörder (GER 1931) und dessen tragischer Held z.B. an Frank Bono (Allen Baron) in Explosion des Schweigens (USA 1961) denken lässt. Und das Clevere ist, wie es hier in allen Lagern nur Film-Noir-Protagonisten gibt - mit je einer trist traurigen Lebensgeschichte, die in der Stadt selbst ihre Wurzeln hat. Überaus sehenswert!
Exzellente und obendrein günstige 2DVD (2005) von Ascot Elite Home Entertainment (2005) mit dem Film ungekürzt im Originalformat mit je kantonesischem oder deutschem Ton, wahlweise deutsche Untertitel. Das einzige Manko ist die deutsche Synchronisation, also unbedingt im Original mit UT anschauen. Allemal üppig sind die Extras: ein Making of, geschnittene Szenen, Aufnahmen der Kinopremiere, Kinotrailer und Bildergalerien.