Carol Ohmart, Tom Tryon, Jody Lawrance, James Gregory, Elaine Stritch
© Paramount Pictures Corporation
Los Angeles, Kalifornien: Der bei einer Firma zur Landerschließlung als Immobilienmakler angestellte E.V. Marshall (Tom Tryon) hat ein Verhältnis mit Pauline Nevins (Carol Ohmart), der jungen und hübschen Ehefrau seines ungleich älteren Chefs Ralph Nevins (James Gregory). Heute Abend haben sich die beiden für ihr Stelldichein an einen unbeobachteten Aussichtsplatz hoch über dem Lichtermeer der Metropole zurückgezogen und frönen in Paulines Wagen ihrer Leidenschaft. E.V. ist unglücklich darüber, dass sie sich verstecken und wie Flüchtlinge aus ihrer Liebe ein Geheimnis machen müssen, Doch Pauline kommt vebenso wie E.V. aus armen Verhältnissen. Sie ist entschlossen, niemals mehr in Armut und Selbsterniedrigung zurückzufallen… Als ein Wagen an ihrem Versteck vorüberfährt, fürchten sie, dass sie verfolgt würden, doch dies ist nicht der Fall. Ein zweites Auto erreicht die Anhöhe, und Pauline scherzt, dass offenbar noch mehr Liebende hier Schutz suchten. Nun gibt der erste Wagen, der oben zum Halten kam, dem zweiten Lichtzeichen. Die Insassen steigen aus, ein Dicker (Jacques Aubuchon) und ein Jüngling namens Vince (Scott Marlowe) treffen auf ihren Boss (Davis Lewis) im Mantel und mit Gehstock. Er zeigt auf ein Anwesen in der Nähe, die Villa der Lindhursts, in deren Safe sich für 350.000 US-Dollar Schmuck verbirgt. Die beiden Ganoven werden von ihm genau instruiert, den Schmuck am Samstagabend, wenn das Ehepaar Lindhurst zum Fischen auf einem Boot vor Baja California unterwegs sein wird, zu stehlen…
“Despite its release date, ‘The Scarlet Hour’ is a film noir of the 1940’s and early '50's (…) with (…) an urban setting where lives are lived out unhappily by day and by night“, schreibt Gary Deane für NoirWorthWatching. Nicht nur hat der Autor mit seiner Analyse des 1956 eigentümlich aus der Zeit gefallenen Film Noirs bis in letzte Einzelheiten Recht, er war es auch, der das bis heute extrem obskure Werk eines Regisseurs von Weltruhm (Casablanca, USA 1942) wiederentdeckte und heutige Cineasten darauf aufmerksam werden ließ. Dabei hatte der Film, eine A-Produktion aus dem Haus Paramount, seinerzeit einen weltweiten Vertrieb, und lief unterm Titel Alle Spuren verwischt auch in bundesdeutschen Kinos. Doch in Zeiten farbenfroher Action-Spektakel und womöglich, weil die Riege der beteiligten Darsteller es niemals zu Starruhm brachte – wie Curtiz und Paramount gehofft hatten – sondern in Fernsehserien und in Nebenrollen reüssierte, verschwand der Film Noir so vollständig von der Bildfläche wie kaum eine andere Produktion eines großen Filmstudios aus jenen Jahren. Noch heute merkt man dem Werk die Hand des Meisters an. Schauspielerführung, Dialogregie, Kameraarbeit und Dramaturgie einzelner Sequenzen sind großartig. Michael Curtiz hatte für Warner Bros, dem Studio, mit dem er fast 30 Jahre vertraglich verbunden war, seinerzeit herausragende Meilensteine des Film Noirs geschaffen – Solange ein Herz schlägt (USA 1945), The Unsuspected (USA 1947) und Menschenschmuggel (USA 1950) zählen noch heute zu den Klassikern des Filmstils. Curtiz wusste, wie es geht, und so ist Alle Spuren verwischt über weite Strecken ein kurzweiliger, grimmiger und sogar pointierter Film eines großen Regisseurs. Aber er ist kein Meisterwerk, ist zu keinem Zeitpunkt mehr als die Summe seiner Teile und verplätschert in einem Finale, das seiner nicht wert ist.
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Tom Tryon ist ein weinerliches Nichts von einem Rollencharakter und dies hat ebenso viel mit dem Skript der Autoren Rip Van Ronkel und Frank Tashlin als auch mit dem begrenzten Fertigkeiten des Schauspielers zu tun. In früheren Filmen von Curtiz spielten jeweils Claude Rains, John Garfield oder Humphrey Bogart die männliche Hauptrolle, und Tryon kann ihnen in keiner Hinsicht und nicht ansatzweise das Wasser reichen. Mit Carol Ohmart ist der Zuschauer besser bedient. Auch wenn sie gegenüber Joan Crawford, Audrey Totter, Patricia O’Neal und anderen Femme-fatale-Grazien aus Curtiz-Filmen wie ein Flittchen daherkommt, gelingt ihr eine überzeugende Darstellung der aus dem Rinnstein aufgelesenen Schönheit, die auf den Prunk und den Luxus ihres goldenen Käfigs nie wieder verzichten will. Es sind Frau ohne Gewissen (USA 1944) und Goldenes Gift (USA 1947), an die Alle Spuren verwischt auffälig erinnert, trotz seiner von Lionel Lindon mit Bravour eingefangenen Bilderwelten in VistaVision, einem gegenüber Cinemascope nochmals aufwendigeren Breitwand-Verfahren der 50er. Aber in Goldenes Gift leeren die Liebenden den Kelch bis zur bitteren Neige, und es ist die tief verwurzelte Schicksalsgemeinschaft von Greer und Mitchum, die für den Zuschauer jenen Larger-than-life-Effekt provoziert und ihn beim Abspann tief durchatmen lässt. Nichts davon ist in Alle Spuren verwischt zu bemerken. Der Film dümpelt in einen kreuzbraven und vorhersehbaren Schlussakt ohne Höhepunkt, der die Mühen und den Aufbau der Handlung ins Leere laufen lässt, so dass der Zuschauer zwangsläufig enttäuscht zurückbleibt.
Im Januar 2019 zeigte die Film Noir Foundation, San Francisco, beim Filmfestival NOIR CITY 17 diese Rarität als originale 35-Millimeter-Kopie in einer sehr guten Bild- und Tonqualität auf großer Leinwand. Die Einführung des Films übernahm der Michael-Curtiz-Biograf Alan K. Rode, selbst Organisator des Arthur Lyons Film Noir Festivals in Palm Springs. Einige Jahre später erschien in Australien via Imprint Films eine Blu-ray disc (2022, codefree) im Pappschuber und mit dem Film in einer bild- und tontechnisch exzellenten Fassung, ungekürzt und im Originalformat, inklusive der englischen Tonspur ohne Untertitel und mit einem Audiokommentar von Alan K. Rode als Extra.