Film Noir
| USA
| 1951
| Felix E. Feist
| Robert Burks
| Emile Meyer
| Hugh Sanders
| John Kellogg
| Morris Ankrum
| Philip Carey
| Ray Teal
| Steve Cochran
| Walter Sande
| Lee Patrick
| Ruth Roman
Bewertung
****
Originaltitel
Tomorrow Is Another Day
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1951
Darsteller
Steve Cochran, Ruth Roman, Lurene Tuttle, Ray Teal, Morris Ankrum
Regie
Felix E. Feist
Farbe
s/w
Laufzeit
91 min
Bildformat
Vollbild
|
© Warner Bros.
Norton City: Nach 18 Jahren in Haft wird Bill Clark (Steve Cochran) vom Gefängnisdirektor (Harry Antrim) entlassen. Als 13jähriger hat er seinen Vater erschossen und während der Gerichtsverhandlung die Tat nicht bedauern können. Der Fall hatte seinerzeit Wellen geschlagen und zu einer Änderung des Jugendstrafrechts geführt, doch Bill Clark blieb inhaftiert. Mit ein paar Habseligkeiten unterm Arm und etwas über 200 US-Dollar in der Tasche erkundet Bill seine Freiheit, ohne zu bemerken, dass er von Dan Monroe (John Kellogg) verfolgt wird. Als er sich in einem Imbiss einige Stücke Kuchen und ein Bier bestellt, setzt sich der Mann neben ihn und verwickelt ihn in ein Gespräch. Bill Clark ist gelernter Schweißer und Dan Monroe, der neue Freund, bietet an, ihn in seinem Wagen zur örtlichen Stahlfabrik zu fahren, wo aktuell Leute gesucht werden. Tatsächlich erhält Bill eine Anstellung und soll am nächsten Morgen anfangen. Als er, vom Erfolg gestärkt, durch die Straßen zieht, besorgt er sich die neue Ausgabe des Norton City Evening Star und sieht einen Bericht über sich selbst. Geschrieben hat ihn der Reporter Dan Monroe und gewürzt ist er mit allen Details ihrer Begegnung am heutigen Tag. Bill Clark begibt sich ins Redaktionsbüro, stürzt sich auf Monroe, der ihn dazu verleitete, ihm zu vertrauen, und prügelt auf ihn ein. Nur knapp entgeht Clark einer Verhaftung, und desillusioniert verlässt der über 30jährige ohne Vergangenheit eines Erwachsenen seine Heimatstadt. New York ist das Ziel, und nachdem er ein Zimmer bezogen hat, lockt ihn das Interesse an Frauen in ein Tanzlokal. Hier lernt er die Berufstänzerin Catherine Higgins (Ruth Roman) kennen, ein „Dime a Dance Girl“, die sich von ihren Kunden Cay nennen lässt. Doch die Annäherung an eine Frau erweist sich als schwieriger, als erwartet…
Eine der letzten nennenswerten und relevanten Produktionen im Nachklang der klassischen Ära des Film Noirs. Verfolgt schließt thematisch an Nicholas Rays Im Schatten der Nacht (1948) und an Joseph H. Lewis’ Gefährliche Leidenschaft (1950) an und ist vor dem Hintergrund des erzreaktionären politischen Klimas in den USA zur Zeit der Entstehung ein erstaunliches Sozialdrama - ähnlich denen, die Warner Bros. Pictures bereits in den Dreißigern mit Filmen wie Mervyn LeRoys Ich bin ein entflohener Kettensträfling (USA 1932) in die Kinos gebracht hatte. “Tomorrow is Another Day is an intelligent, very well acted film that explores paths to redemption - whether or not change is possible, if people are damned by their pasts, if grace even exists”, schrieb Mark 2009 für den Blog Where Danger Lives. Das bringt vieles auf den Punkt, denn dies ist ein Film, der eine ganz überraschende Qualität entfaltet, die sich aus der grandiosen Kameraarbeit von Robert Burks (viele Jahre Alfred Hitchcocks Liebling hinter der Kamera, etwa für Der Fremde im Zug / Verschwörung im Nordexpress, USA 1951), dem famosen Skript von Art Cohn und Guy Endore, aber vor allem auch durch die herausragende Chemie von Steve Cochran und Ruth Roman ergibt. Hier stimmt so ziemlich alles, weshalb der Film - keine der großen A-Produktionen - im Nu eine ebenso seltene wie für den Cineasten und andere Zuschauer wertvolle Eigenschaft offenbart: Er packt einen.
In der Mitte von Verfolgt mit Bill Clark und Cay Higgins auf der Flucht vor der Polizei, die sie eines Mordes verdächtigt, wechselt der Film von der Stadt aufs Land, vom Anzug und wasserstoffblondem Haar zu Lederjacke, Jeans und zu Brünett. Wie Peggy Cummins und John Dall in Lewis’ Meisterstück des Vorjahres und Cathy O’Donnell und Fairley Granger in Rays Film Noir für RKO signalisieren Steve Cochran als Bill und Ruth Roman als Cay ihren Ausstieg aus gesellschaftlichen Konventionen, denen sie bis dahin zu genügen suchten. Doch Clark, von Dan Monroe endgültig gezeichnet, und Cay, durch die Begegnung mit Bill erstmals verliebt und der Trostlosigkeit ihres bisherigen Lebens gegenwärtig, versuchen es von nun an gemeinsam. Aus den Verfolgten werden Liebende, doch die Aufgabe, sich bedingungslos zu vertrauen, erweist sich als ebenso schwierig wie das Errichten einer quasi bürgerlichen Fassade gegenüber ihren Mitmenschen als komplex. Hier kommt eine Palette überraschender Themen zum Tragen: vorehelicher Sex und Schwangerschaft, Lüge und Tarnung als Grundfesten bürgerlicher Existenz, ein Gesundheitssystem, das denen mit Geld eher das Leben rettet als denen ohne, etc. pp. Es bleibt erstaunlich, was Felix. E. Feist in seinem souverän inszenierten und dramaturgisch fehlerlosen Film Noir alles anzuschneiden wusste. Das Ende ist nicht ganz auf der Höhe, ein Zugeständnis an den Zeitgeschmack und ans politische Klima. Es ist andererseits nicht ansatzweise so lächerlich wie so viele “Happy Endings“ der folgenden Jahre. Bis heute blieb Verfolgt (einzige deutsche Aufführung erfolgte erst 1960) ein wenig bekannter und doch exquisiter Film Noir, der stets nach einer europäischen Edition als DVD oder BD verlangt.
Verfolgt ist unter seinem Originaltitel Tomorrow Is Another Day als DVD-R der Warner Archive Collection (2010) in den USA erhältlich: ungekürzt und im Originalformat mit einem gut verständlichen englischen Ton und ohne Extras. Als Unidos por el Crimen gibt es eine spanische DVD-Ausgabe (2014) mit dem Film in gleicher Bildqualität, ebenfalls mit dem englischen Originalton und optional spanischen Untertiteln, obendrein codefree und damit weltweit abspielbar.