Bewertung
***
Originaltitel
Fréquence meurtre
Kategorie
Neo Noir
Land
FRA
Erscheinungsjahr
1988
Darsteller
Catherine Deneuve, André Dussollier, Martin Lamotte, Etienne Chicot, Ines Claye
Regie
Élisabeth Rappeneau
Farbe
Farbe
Laufzeit
95 min
Bildformat
Widescreen
© Warner Bros.
Paris: Die Psychotherapeutin Jeanne Quester beendet heute ihre eigene, jahrelange Therapie bei Dr. Pastor (Jean Pélégri). Der ältere Herr tritt in den Ruhestand und plant, zu seiner Tochter in die USA zu ziehen. Für Jeanne ist das nicht leicht, doch sie versichert Pastor, dass sie sich stark genug fühle, um künftig auf eigenen Beinen zu stehen. Jeanne arbeitet im psychiatrischen Notdienst der Stadt und muss im Anschluss zu Monsieur Chauveau (René Bouloc), dessen Frau (Josiane Stoléru) Jeannes Kollegen alarmierte, nachdem er sie geschlagen hat. Als Jeanne nach Hause kommt, trifft sie ihre Tochter Pauline (Ines Claye) und deren Papagei Cradock, den die Kleine über die Maßen liebt. Jeanne Quester lebt mit Pauline als allein erziehende Mutter im Viertel Belleville, das nicht zu den feinen der Stadt zählt. Abends moderiert sie zudem eine Rundfunksendung mit dem Titel Die chinesische Nacht, wo sie am Telefon den Hörern ihrer Sendestunde, die sie wegen psychischer Probleme anrufen, Ratschläge erteilt. Plötzlich gibt es einen Stromausfall und Pauline ertzählt, dass es nicht der erste an diesem Tag gewesen sei und dass der Hausmeister Jeanne-Etienne (Pascal Nguyen Nong) bereits nachgesehen habe. Jemand habe tatsächlich mutwillig die Sicherungen ausgeschaltet. So beschließt Jeranne, ihre Tochter heute mit ins Rundfunkstudio zu nehmen. Einer der Anrufer hat eine seltsame Stimme und stellt sich als Paul vor. Er möchte mit Jeanne gern über die Vergangenheit sprechen - über eine Freundin, die er schon lange nicht mehr traf…
Dieser Thriller beruht auf dem Roman Die Stimme des Mörders (EA 1983) des US-amerikanischen Autors Stuart M. Kaminsky, der in Frankreich in der traditionsreichen Série Noire von Gallimard verlegt wurde. Französische Filme nach US-Vorlagen hatten schon in den Sechzigern Konjunktur. Vor allem Godard und Truffaut bedienten sich für ihre Film-Noir-Variationen bei US-Amerikanern, etwa für Schießen Sie auf den Pianisten (FRA 1960), für Elf Uhr nachts (FRA/ITA 1965) oder für Die Braut trug Schwarz (FRA/ITA 1968). Ein folgenschweres Ereignis ihrer Vergangenheit, das sie sogar vor ihrem Liebhaber geheimhält und das den Grund für ihre Therapie darstellt, holt die erfahrene Psychologin unerwartet ein und wird zu einer Bedrohung. Das ist altbekanntes Terrain und in den Achtzigern, da man wiederholt auf den Old-School-Thriller nach Alfred Hitchcock zurückgriff, überaus typisch. Der pathologische Mörder und seine Opfer sind allesamt psychisch gepeinigte Charaktere, die durch die Ereignisse der Vergangenheit aneinander gefesselt bleiben. Die ersten 30 Minuten sind nicht mal schlecht konzipiert, sehen auch einige Details nach B-Film oder Fernsehfilm aus, denn stellenweise erweist sich die Inszenierung als lieblos. Aber Catherine Deneuve und auch die übrigen Akteure tragen den Film sicher über die erste Hälfte, dem geruhsamen Tempo zum Trotz. Etienne Chicot überzeugt jedoch nicht als Roger, Jeanne Questers Liebhaber, seine Rolle gibt fast nichts her. Auch dem just entlassenen Häftling Faber (Philippe Lehembre), eine im Grunde spannende Figur, räumt das Drehbuch kaum Zeit ein. Allzu häufig und zu lange verweilt die Kamera bei Jeanne Quester - in vielen Situatiuonen, die sich letztendlich gleichen und die Filmhandlung nicht voran bringen.
Nicht nur der französische Film (und mit ihm der Thriller und der Neo Noir) steckten während der Achtziger in der Krise, gab es hin und wieder auch Ausnahmewerke wie Claude Berris Am Rande der Nacht (FRA 1983) oder Patrice Lecontes Die Verlobung des Monsieur Hire (FRA 1989). Élisabeth Rappeneaus einzige Regiearbeit fürs Kino ist ein solider, doch im Grunde handzahmer Thriller, dem die Beteiligung des späteren Meisterregisseurs Jacques Audiard (Tödliche Bekenntnisse, FRA 2001) als Co-Autor auch nicht auf die Sprünge hilft. Das Finale ist vorhersehbar, die Schlusssequenz ist geradezu lächerlich, und außer den Schauplätzen und der beizeiten sehenswerten Kameraarbeit von William Lubtchansky (Der kleine Gangster, FRA 1990) gibt es wenig zu entdecken. Die Ansätze, sich im Terrain des Film Noirs zu platzieren, werden letztlich verschenkt. Das Ganze verwässert zu einem halbgaren Psychothriller, dessen Handlungsprämissen hätten glaubhaft sein können, es hier aber nicht sind. Was in der ersten Hälfte noch zu funktionieren scheint, wirkt in der zweiten wie ein Fersehkrimi. Erst mit Diebe der Nacht (FRA 1996) und Place Vendôme - Heiße Diamanten (FRA 1998) sollte Catherine Deneuve auch nochmals in zwei Neo Noirs ihre Klasse unter Beweis stellen können.
Sowohl unter dem ursprünglichen Kinotitel Frequenz Mord als auch als Deadly Fear gibt es deutsche DVD-Editionen (2003 und 2014), die den Film im Orginalformat (aber nicht anamorph) und ausschließlich mit der deutschen Tonspur, bild- und tontechnisch solide, sowie mit dem Kinotrailer und einigen Bildergalerien als Extras präsentieren.