Third Secret, The

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Psychologische Verteidigung


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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
*****
Originaltitel
The Third Secret
Kategorie
Post Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1964
Darsteller

Stephen Boyd, Jack Hawkins, Richard Attenborough, Diane Cilento, Pamela Franklin

Regie
Charles Crichton
Farbe
s/w
Laufzeit
103 min
Bildformat
Widescreen

 


 

The Third Secret-Poster-web1.jpgThe Third Secret-Poster-web2.jpgThe Third Secret-Poster-web3.jpg

© Twentieth Century Fox Film Corporation

London: Als die Haushälterin Mrs. Bales (Freda Jackson) an diesem Morgen in jener exklusiven Adresse am Strand-on-the-Green in Chiswick ihren Dienst antreten will, findet sie den berühmten Psychoanalytiker Dr. Leo Whitset (Peter Copley) mit einer tödlichen Schusswunde neben dem Schreibtisch. In letzten Worten nimmt der Sterbende die Verantwortung für seinen Tod auf sich. Er habe es vermasselt, gesteht er ein, und so vermelden die Londoner Zeitungen den Selbstmord einer Größe in Wissenschaft und Praxis seiner Zunft… Just als der Richter Sir Frederick Belline (Jack Hawkins) sich auf dem Weg ins Gericht befindet, entdeckt er die Nachricht als Schlagzeile der Morgenzeitung. Von einem Kollegen auf seine sichtbare Bestürzung angesprochen, erwirdert er, dass er sich nie im Leben besser gefühlt habe. Im British Analytical Institute, dessen Direktor Dr. Leo Whitset war, ist es Dr. Milton Gillen (Paul Rogers), der vom Studenten Mark (James Maxwell) nach dem Selbstmord der Koryphäe befragt wird, da jener sich keinen Reim darauf zu machen weiß. Indessen sitzt die Sekretärin Miss Anne Tanner (Diane Cilento) bereits bei ihrem Chef für ein Diktat, kann aufgrund der Todesnachricht ihre Tränen jedoch nicht zurückhalten und muss den Raum verlassen. Die reiche Sammlerin Mrs. Pelton (Patience Collier) besucht die Kunstgalerie von Alfred Price-Gorham (Richard Attenborough), von dem sie sogar Gemälde aus dessen eigener Produktion kaufte und der in seinem Büro ein weiteres, eher geheimes Bild verborgen hält…

 

“The whole world ist unraveling, and we’re trying to tell the British public that their American cousins have come up with a boy scout movement to stop space age delinquents.“ Der ebenso kluge wie zynische, in London lebende und verwitwete Fernsehjournalist Alex Stedman (Stephen Boyd) macht sich im Auftrag der 14jährigen Catherine Whitset (Pamela Franklin) an die Untersuchung des vermeintlichen Selbstmords ihres Vaters und seines Psychotherapeuten. Das Mädchen ist fest überzeugt, dass der von ihr innig geliebte Vater das Opfer eines Mordes gewesen sei und dass des Rätsels Lösung in der überschaubaren Liste seiner Patienten läge, von denen Dr. Whitset keinerlei Akten anlegte… Im Zuge seiner detektivischen Arbeit kommt Stedman schon bald nicht bloß den Abgründen und Fallstricken der Anderen auf die Spur, die Teil der ihm von Catherine ausgehändigten Liste sind, sondern auch seinen eigenen.“The story of a man searching for a killer who might even be himself.“ So erläuterte man zur Erstaufführung des Werks auf den reißerisch mit einer Schere als Mordwaffe in erhobener Hand verlängerten Buchstaben des Filmtitels das zentrale Thema jenes Thrillers, der großteils eher ein auf seine Charaktere fokussiertes Drama ist. Auf solchem Grat zeigt The Third Secret viele Bezüge zum klassischen Film Noir, mit jenem Leitmotiv der Psychoanalyse als Muster der Deduktion jedoch näher an der US-amerikanischen Tradition als an den Nachkriegsfilmen aus England. Schon Among The Living (USA 1941), Hemmungslose Liebe (USA 1947) oder Anklage – Mord (USA 1947) bebilderten Erzählungen um Protagonisten, deren psychische Disposition aus der Krise ins Verbrechen mündet, und um den Zuschauern die Erklärungen zu liefern, war jeweils auch ein Psychoanalytiker dabei. The Third Secret geht jedoch in entscheidender Hinsicht darüber hinaus: der Film ist mit Blick aufs Sujet nicht naiv und seine Rollencharaktere sind glaubhaft komplex.

 

The Third Secret-still-web2.jpgThe Third Secret-still-web1_0.jpgThe Third Secret-still-web3.jpg

© Twentieth Century Fox Film Corporation

“Charles Crichton’s polished direction (…), is featured in a complexly structured film in which the conventions of a murder mystery are used as a rather interesting dismantling of the conventions of the psychodrama“, liest man bei Chandler Swain Reviews in einer wertschätzenden Besprechung dieses Films, indessen viele andere Journalisten das von intensiven Dialogen gesättigte Drama als spannungsarmen Thriller einstufen und im Nu ad acta legen. Noch heute ist The Third Secret, der niemals im deutschen Kino oder auch nur im Fernsehen lief, ein fast unbekannter Meilenstein seiner Zeit, der sich mit seinen Themen in quälender Hartnäckigkeit auseinander setzt und den Kelch bis zur bitteren Neige leert – für manche Zuschauer, seien sie einen leichteren Ton gewöhnt oder einen nach Rezeptur von Alfred Hitchcock gefertigten Film erwartend, noch heute nicht die erste Wahl. Das ist bedauerlich, denn Autor Robert L. Joseph (The Hitch-Hiker, USA 1953) und Regisseur Charles Crichton (Ein Kind war Zeuge, UK 1952) nehmen nicht allein ihre Rollencharaktere sondern auch ihre Zuschauer ernst, was man vom Großteil der heutigen Filmproduktion längst nicht sagen kann. Für mich selbst ist The Third Secret ein stark von Film-Noir-Motiven beeinflusstes Werk aus einer Phase des Kinoschaffens, das für eine dergestalt seriöse Haltung im Zentrum der Erzählung seiner Zeit schlicht voraus war, so wie zeitgleich publizierte und an der Kinokasse erfolglose Filme à la Seance On A Wet Afternoon (UK 1964) oder Schock-Korridor (USA 1963).

 

Via Powerhouse Films Ltd. gibt es in der Indicator Series eine erstklassige englische BD (2019), limitiert auf 3000 Stück, mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch topp restauriert, dazu den original englischen Ton inklusive englischer Untertitel, als Extras einen Audiokommentar der Filmhistoriker Dean Brandum und Eloise Ross, ein Interview mit Charles Crichton und Douglas Slocombe (1988), Filmbeiträge von Neil Sinyard und von David Crichton, Charles Crichtons Sohn, den Kinotrailer, eine Bildergalerie sowie ein Booklet mit einem Essay von Robert Murphy und mit Überblick zur Rezeptionsgeschichte. Eine US-DVD (2007) von Twentieth Century Fox Home Entertainment LLC. bietet den Film ebenso in guter Bildqualität und ungekürzt im Originalformat, dazu wahlweise den englischen Ton oder eine spanische Tonspur inklusive UT in den gleichen Sprachen, den Kinotrailer und eine Bildergalerie als Extras. Eine englische DVD-Ausgabe (2012) via Odeon Entertainment in deren The Best of British Collection ist vergriffen und nur zu Sammlerpreisen erhältlich.

 


 

Post Noir | 1964 | UK | Charles Crichton | Douglas Slocombe | Jack Hawkins | Richard Attenborough | Ronald Leigh-Hunt | Stephen Boyd | Freda Jackson

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