Bewertung
***
Originaltitel
Among The Living
Kategorie
Pre Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1941
Darsteller
Albert Dekker, Susan Hayward, Harry Carey, Frances Farmer, Gordon Jones
Regie
Stuart Heisler
Farbe
s/w
Laufzeit
67 min
Bildformat
Vollbild
© Paramount Pictures Corporation
Über die Mauer der Raden-Villa hinweg beobachtet der Diener Pompey (Ernest Whitman), wie sein langjähriger Herr, der reiche und einflussreiche Maxim Raden, heute auf dem benachbarten Friedhof beigesetzt wird. Der Pfarrer (William Stack) der Stadt Raden fordert Dr. Ben Saunders (Harry Carey) auf, ein paar Worte zugunsten des Verstorbenen zu sprechen, dessen Raden Mills der Gemeinde Wohlstand und Wachstum brachte. Doch Dr. Saunders möchte nicht viel beisteuern und jenseits der Tore mehren sich spöttische Rufe. Der Sohn des Toten, John Raden (Albert Dekker), ist mit seiner Frau Elaine (Frances Farmer) extra aus New York angereist. Als Dr. Saunders merkt, dass Pompey die Villa verlassen hat und am Tor steht, gibt er ihm ein Zeichen. Er entschuldigt sich beim Pfarrer und weist Pompey an, sofort ins Haus zurückzukehren. John und Elaine gesellen sich hinzu, doch rät Saunders Elaine davon ab, die alte Villa besichtigen zu wollen, da sie angeblich baufällig sei. Er lädt stattdessen John für den Abend in sein Haus ein, da er ihm eine wichtige Mitteilung zu machen habe… Als Pompey die Villa betritt, entlädt sich ein Gewitter über der Gegend, und der Diener geht zur Kellertreppe und entzündet ein Gaslicht. Er betritt einen der Kellerräume, wo in einer Zwangsjacke Paul Raden (Albert Dekker), Johns Zwillingsbruder, auf ihn wartet. Pompey befreit den Mann aus der Jacke, der sich erregt danach erkundigt, ob man seinen Vater etwa nahe der Mutter begraben habe, welcher er in dem Fall ja erneut wehtun könne…
“This (…) thriller fits somewhere in the category between the Southern Gothic literary tradition of Poe and film noir, as it was released in 1941 at about the time of The Maltese Falcon”, schreibt Dennis Schwartz für Ozu’s World Movie Reviews. Das ist richtig, doch während die Erzählungen Edgar Allen Poes stets eine beängstigende Glaubwürdigkeit für sich verbuchen können, wirkt die Geschichte von Among The Living enorm konstruiert. Vor allem die Figur John Radens erscheint in der Beziehung zu seiner Frau Elaine und in der geradezu willenlosen Gefolgschaft gegenüber dem dubiosen Dr. Ben Saunders von Anbeginn nicht triftig. Ein Mann aus einer Provinz in den Südstaaten, der in der Großstadt New York sein Glück machte, wird kaum ein derartig weichgespülter Ja-Sager sein. Die erste Begegnung Paul Radens mit seiner Vermieterin Mrs. Pickens ist so überzogen theatralisch, dass man die Absicht sofort durchschaut. Die geschwätzige Dame bemerkt nicht, dass sie es mit einem „Wahnsinnigen“ zu tun hat, der ihr kein Wort erwidert. Überzeugend? Nicht die Bohne! Eine solche Hauswirtin würde Neunzugänge auf Herz und Nieren prüfen, bevor sie ihnen ein Zimmer zur Verfügung stellt. So reihen sich in diesem B-Film die schlampig konstruierten Nahtstellen aneinander. Besonders bemerkenswert: Ob ein Schwarzafrikaner an Herzversagen starb oder erwürgt wurde, interessiert im US-amerikanischen Süden jener Jahre niemanden. “Well, drop in next time you’re down this way, we’ll fix it up“, sagt Sheriff Andrew Ramsey (Frank M. Thomas) zu Dr. Saunders, der mit seiner Sterbeurkunde eine „falsche” Todesursache belegte: “Don’t worry about it.” Eher ein Klischee oder ein versteckter Hinweis auf die seinerzeit gängige Rechtsauffassung?
© Paramount Pictures Corporation
Nach etwas über 26 Minuten (in einem eh nur 67 Minuten währenden Film) sieht der Zuschauer erstmals eine junge Susan Hayward, die in Among The Living mit Abstand die beste Darstellerin ist. Albert Dekkers Interpretation der Doppelrolle John vs. Paul Raden ist solide, mehr nicht; Frances Farmer hat so gut wie gar nichts zu tun, ihre Figur der Ehefrau erweist sich als Statistenrolle. So bleibt es dem seit 1909 (!) aktiven Filmschauspieler Harry Carey überlassen, seine gewachsene Autorität in seinen Dr. Ben Saunders zu legen, was ihm allemal auch gelingt. Among The Living ist ein Film, den der Susan-Hayward-Fan sicher nicht auslassen wird und der auch für den Film-Noir-Freund allemal in Ordnung geht. Das Beste an diesem Werk ist die wegweisende Ambivalenz Paul Radens, der als Charakter im Mittelpunkt steht, und der eben kein “Monster“ ist, wie es in Werbeanzeigen für den Film seinerzeit hieß. Trotz einiger Elemente, die dem zeitgleich populären, gotisch stilisierten Horrorfilm nahekommen, ist dier Thriller eher in der Nachbarschaft des Film Noirs zu verorten, wie er sich im gleichen Jahr erstmals zu definieren suchte. Das letzte Drittel ist eindeutig von Fritz Langs Blinde Wut (USA 1936) beeinflusst, thematisch gibt es Parallelen zu The Strange Love of Martha Ivers (USA 1946) und atmosphärisch ist auch ein Film Noir wie Die Nacht des Jägers (USA 1955) nicht weit entfernt. Allerdings sind alle die genannten Filme besser als Among The Living, der später unter dem Titel Zum Leben verdammt in Deutschland lediglich im Fernsehen gezeigt wurde.