Lars Mikkelsen, Henning Moritzen, Charlotte Munk, Flemming Enevold, Preben Harris
Kopenhagen Dänemark: Der Headhunter Martin Vinge (Lars Mikkelsen) gelangt in den Innenhof des riesigen Hilton Hotels und sieht im gleichen Augenblick in einem tieferen Stockwerk die Journalistin Nina (Charlotte Munk) aus einem anderen Flur ins Freie treten. Christian Vestergaard (Burkhard Forstreuter) scheide aus, ruft sie zu ihm hoch, und Vinge beginnt zu laufen. In der Tiefgarage passt er Vestergaard ab, setzt sich gegen dessen Willen neben ihn ins Auto und bietet ihm kurzerhand den Posten des Geschäftsführers einer noch namenlosen Tochterfirma des Konzerns seines Klienten an, die alle seine Bedingungen erfüllen werde. Er zieht einen USB-Stick, den er um den Hals trägt, und übermittelt Vestergaard konzerninterne Informationen, die einen Plan für Investitionen beinhalten… Im Hotelzimmer freut sich Nina über den Triumpf ihres langjährigen Freundes. Nina ist seit Jahren mit dem erfolglosen Schriststeller Gorm (Morten Hauch-Fausbøll) verheiratet, die beiden haben zwei Kinder und leben von Ninas Einnahmen als Zeitungsjournalistin. Martin ist von seiner Frau Pernille (Charlotte Lich) längst getrennt, die mit Troels (Troels Lyby) zusammen ist, doch haben Martin und Pernille einen 11-jährigen Sohn, Jacob (August Igor Svideniouk Egholm), der aufgrund eines inoperablen Hirntumors sein Sprachvermögen verlor und auch sonst nur eingeschränkt handlungsfähig ist. Jacob liegt im Krankenhaus, und Nina, die heute von Pernille angerufen wurde, berichtet Martin, dass es ihm akut wieder schlechter gehe…
Dieser dänische Thriller beginnt wie ein Familiendrama und nimmt sich gehörig Zeit, um seine Figuren und ihre Biografien aufs Gleis ihrer gemeinsamen Geschichte zu setzen. Wenn des Landes führender Headhunter, ein ehemaliger Elitesoldat und Enthüllungsjournalist, vom Oberhaupt des führenden Großkonzerns Dänemarks, Niels Frederiks Sieger (Henning Moritzen), kontaktiert wird, um für den 85jährigen einen Nachfolger zu finden, den der Alte am Sohn Daniel (Flemming Enevold) vorbei zum Geschäftsführer ernennen will, ahnt Martin Vinge, dass die Aufgabe beruflich und persönlich in Untiefen führen kann… Allzu zögerlich aber formuliert er seine Skepsis, die weder Sieger noch dessen dubiose rechte Hjulman (Preben Harris) als Absage akzeptieren. Bevor er sich versieht, ist der erfolgsverwöhnte und ehrgeizige Vinge bereits Mitarbeiter des Sieger-Konzerns. Seine Aufgaben und seine Rolle haben jedoch völlig andere Konsequenzen, als er selbst sich das vorgestellt hatte. Schon bald ist nichts mehr, wie es eingangs zu sein schien. Martin Vinge ist Einzelgänger, privat und beruflich, er ist es aus freien Stücken. Doch jetzt stellt ihn das Verhältnis zu seinem Sohn Jacob auf den Prüfstand. Denn sein neuer Klient und Brötchengeber macht vor den Türen zu den Privatgemächern seiner Mitarbeiter nicht Halt, im Gegenteil! Und damit wird das in den für für so viele Nordic Noirs typisch tristen Rost- und Blautönen gehaltene, unterm verhangenen, regenschweren Himmel des Nordens spielende Drama zu einer jener Erzählungen, darin in Anlehnung an den klassischen Film Noir der eine Schritt vom Weg ab Martin Vinge in ein Netz aus Verlockungen und Fallstricken führt. Erst ist es mühsam, schließlich fast unmöglich, für ihn und seine Mitstreiterin Nina, sich darin zurechtzufinden. Der Machtkampf an der Konzernspitze, bei dem bald Daniel und Hjulman den Ton angeben, ist extrem intrigant, und die Beteiligten, von den Würdenträgern in Wirtschaft und Politik hofiert, agieren durch und durch skrupellos.
"Stylish, noirish, Danish: this slickly atmospheric corporate thriller features a taut performance from Lars Mikkelsen“, schreibt Fionnuala Halligan in ihrer Rezension für Screen Daily und liefert damit einige relevante Stichworte. In vielen Film Noirs und Neo Noirs geht es um Einzelschicksale; der Wirtschaftskrimi, darin die Formen der Herrschaft als Systeme der Verflechtung von Wirtschaftsmacht und Politik betrachtet werden, gilt in der Regel als gesondertes Genre. Doch ähnlich wie Edgar J. Ulmers Ohne Erbarmen (USA 1948) ist auch Rumle Hammerichs Headhunter ein Hybrid aus beidem, ohne konstruiert, überfrachtet oder verwirrend zu erscheinen. Überraschend bleibt für mich, wie der Film von vielen sogenannten Kritikern lax und launig als langatmig und ereignislos eingestuft wird, weil er sich der Geschichte widmet und nicht permanent Adrenalinstöße provoziert. Er sei eben nicht wie Stieg Larsson, wird gar gemault, demgegenüber die Verfilmungen der Millenium-Trilogie (SWE/ DNK/GER/ NOR 2009) nicht halb so plausibel und subtil erscheinen wie Headhunter von A bis Z, dafür bedeutend gewalttätiger und voller Sensationen. Ich selbst empfehle diesen Nordic Noir als Erzählkino, das sich im letzten Drittel einige hastige Ungenauigkeiten leistet, aber noch im Abschluss einen gnadenlos scharfen Blick auf die Doppelmoral und die Selbstherrlichkeit in den höchsten Etagen der Wirtschaftsmächtigen gestattet.
Es gibt bild- und tontechnisch exzellente deutsche BD- und DVD-Editionen (2011) der FilmConfect Home Entertainment in Potsdam-Babelsberg mit dem Film ungekürzt im Originalformat, dazu die original dänische Tonspur mit optional deutschen Titeln oder auch eine (nicht empfehlenswerte) deutsche Synchronisation, dazu entfallene Szenen, einen Audiokommentar Rumle Hammerichs und den Kinotrailer als Extras.