Neo Noir
| USA
| 1971
| Robert Towne
| Bill L. Norton
| Antonio Fargas
| Gene Hackman
| Harry Dean Stanton
| Kris Kristofferson
Bewertung
****
Originaltitel
Cisco Pike
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1971
Darsteller
Kris Kristofferson, Gene Hackman, Karen Black, Viva, Harry Dean Stanton
Regie
Bill L. Norton
Farbe
Farbe
Laufzeit
94 min
Bildformat
Widescreen
© Columbia Pictures Corporation
Los Angeles, Kalifornien: Der in den Sechzigern erfolgreiche Rockmusiker Cisco Pike (Kris Kristofferson) ist so pleite, dass er seine legendäre Akustik-Gitarre mit den Autogrammen von Janis Joplin, Bob Dylan und Odetta darauf verkaufen will. Doch der Instrumentenhändler (Roscoe Lee Browne), der Cisco noch aus besseren Zeiten kennt, will das Instrument nicht haben und seinen Freund nicht um dessen letzte Aussicht auf eine Karriere als Musiker bringen. Zwischenzeitlich hat Cisco nämlich mit Drogen gehandelt, wurde deswegen mehrfach in Haft genommen und wartet dieser Tage auf sein Urteil in einem Strafprozess gegen ihn. Als er heute Morgen nach Hause zurückkehrt, findet er im Briefkasten die nächste Absage auf ein Demotape und seine Freundin Sue (Karen Black) auf dem Tisch sitzend meditieren. Er macht sich einen Spaß daraus, sie zu stören und zu anderen Dingen zu bewegen… Police Officer Leo Holland (Gene Hackman) nimmt an der Beerdigung eines hohen Beamten teil, bevor er sich in seinem Wagen durch die Hitze und den Staub der Metropole quält. Er hat ein besonderes Ziel heute Morgen, denn in einem leerstehenden Haus soll aus Mexiko kommend ein großer Posten Marihuana übergeben werden, von dem Holland Wind bekam und dessen Bewacher (Chuy Franco) er niederschlägt. Cisco lümmelt mit Sue Zuhause herum, doch im Augenblick, da sie aus der Tür tritt, kommt Leo Holland und fordert Cisco zu einer Spazierfahrt auf. Holland hat Cisco verhaftet und tritt im Prozess gegen ihn als Belastungszeuge auf. Somit ahnt Cisco nichts Gute, als der Andere nicht locker lässt…
“The lonely feel that Cisco Pike gives off lingers in the brain longer than anything to do with its drug dealing storyline and even that has a certain amount of interest to it”, schreibt Mr. Peel in seinem Blog Mr. Peel’s Sardine Liqueur, der solche abseitigen Werke wie dieses wertzuschätzen weiß. Die Frage ist: Warum fiel der gerade mit Blick aufs Schauspiel, auf seine Drehorte und die Atmosphäre und seine Charakterzeichnungen so eindrückliche Film langfristig durch jedes Raster? Er zeigt Kris Kristoffersons Debüt als Schauspieler, er hat Gene Hackman und Harry Dean Stanton in tragenden Rollen, und ein Robert Towne (Chinatown, USA 1974) war am Drehbuch beteiligt, das thematisch Anleihen beim klassischen Film Noir macht. Cisco Pike ist ein Film über die Entfremdung von der (nicht wirklich) eigenen Welt und den Menschen, die sie bevölkern. Es sind die Gegenspieler Cisco Pike und Leo Holland, die das in aller Härte erleben und die sich verzweifelt dagegen auflehnen. Dennoch ist der Film, der 1972 hierzulande nicht ins Kino kam, bis heute nur in den USA auf DVD erhältlich und in keinem Standardwerk über den Neo Noir verzeichnet. Hin und wieder wird er in einem Blog zum Noir der Siebziger empfohlen, doch mehr nicht. Dass er seinerzeit beim Publikum durchfiel verwundert kaum. Mit Hackman als korruptem Cop und mit Kristofferson als partout erfolglosem Rockstar, der sich mit Drogenhandel über Wasser hält, mit jener Darstellung einer Generation von Kiffern, denen Bigamie selbstverständlich ist, die zugleich aber die Egalität und Wertelosigkeit der Hippiegemeinschaft offenlegt, blieben kaum Möglichkeiten zur Identifikation.
Cisco Pike ist nicht so kunstvoll und nicht so perfekt wie Point Blank - Keiner darf überleben (USA 1967) oder French Connection / Brennpunkt Brooklyn (USA 1971), der erst nach ihm gedreht, doch früher veröffentlicht wurde und mit dem er sich Gene Hackman teilt. Ihm eignet das Flair eines B-Films, dem man sein geringes Budget ebenso ansieht wie seinen Mut, den Konventionen des Hollywoodfilms eine Absage zu erteilen. Noch heute ist Cisco Pike in der Summe ein erstaunlich düsteres und mit Abspann fast deprimierendes Filmerlebnis, darüber können die Flower-Power-Protagonisten, denen außer Hackmanns Leo Holland alle Charaktere zugehörig sind, keinesfalls hinwegtäuschen. Sie finden sich in der Summe auf sich allein gestellt, in einer Welt, die ihnen keine lebenswerte Zukunft bietet und darin der Schritt in die Kriminalität der einzige Ausweg scheint, um dem eigenen Schicksal eine Wendung zu geben: “You do things and one day you wonder why wou’re doing things. You know?“ Mit Gastauftritten von Andy Warhols bizarrem Star Viva und Kultfigur Doug Sahm, Bandleader des Sir Douglas Quintets, sowie einer grandiosen Leistung von Harry Dean Stanton als Ciscos heroinsüchtigem Freund Jesse Dupre aus den Sechzigern, ist Cisco Pike auf mancherlei Ebene für den Cineasten ein Gewinn: Ein intelligentes, nur im Finale etwas schwächeres Neo-Noir-Drama der frühen Siebziger, das noch heute belegt, inwieweit ein gutes Drehbuch Voraussetzung für einen guten Film ist.
Nur in den USA erschienene DVD-Edition (2006) von Sony Pictures Home Entertainment Inc., bildtechnisch topp und mit dem Film in Orignallänge und -format, mit der englischen Tonspur und optional englischen, spanischen, portugiesischen, französischen Untertiteln. Empfehlenswert!
Veröffentlichung
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Der Film ist möglicherweise auch in der Schweiz bzw. in Österreich erschienen. Es gab auch eine deutsche TV-Ausstrahlung, jedoch kann ich persönlich niemanden finden, der davon eine Kopie hat.