Gardiens de l‘ordre

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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Gardiens de l‘ordre
Kategorie
Neo Noir
Land
FRA
Erscheinungsjahr
2010
Darsteller

Cécile de France, Fred Testot, Julien Boisselier, Nicolas Marié, Stéphan Wojtowicz

Regie
Nicolas Boukhrief
Farbe
Farbe
Laufzeit
105 min
Bildformat
Widescreen

 


 

© Atlas Film und Medien GmbH

 

Das Hochhausquartier La Défense westlich der französischen Hauptstadt Paris: Im Apartment der Polizistin Julie (Cécile de France) klingelt der Wecker. Die junge Frau liegt an der offenen Balkontür im Bett. Am liebsten schliefe sie weiter; der Fernseher läuft ohne Ton. In der Küche trinkt sie einen frisch gepressten O-Saft. Dann huscht sie aus der Tür und begrüßt ihren Nachbarn mit „Bonsoir!“ Julie fährt des Nachts Streife, und heute gesellt sich zu ihr und zu ihrem Partner Bastien (Emeric Marchand) ein neuer Kollege, der von der Côte d’Azur nach Paris strafversetzte Simon (Fred Testot). Als erstes lassen sie sich von einigen Jugendlichen die Ausweise zeigen. Kurz darauf präsentiert Bastien dem Neuen ein Foto seiner dreijährigen Tochter. Da werden sie in die Avenue du Général Leclerc beordert, wo ein Lebensmittelgeschäft ausgeraubt wurde. Der Inhaber beklagt sich, dass es schon zum dritten Mal passiere. Als in dem verwüsteten Laden endlich die Alarmanlage abgestellt wird, erlischt zugleich das Licht. Simon greift im Halbdunkel zwei Schokoriegel und fragt Julie, ob sie auch einen wolle. Sie ist nicht amüsiert und macht ihm klar, dass er mit ihr Probleme kriegte, würde er seinen Job mit einer solchen Haltung verrichten. Als sie abrücken, bleibt Simon zurück, und während Julie und Bastie schon draußen sind, schnappt er sich einen Riegel und steckt ihn ein. In einem edlen Mietshaus informiert sie die Concierge (Françoise Miquelis), dass aus einer Wohnung im dritten Stock laute Musik dröhne, ihr jedoch niemand öffne…

 

„Ein kompromissloser Film Noir, der Vorbildern wie French Connection / Brennpunkt Brooklyn (USA 1971) buchstäblich alle Ehre macht“, liest man im Werbetext auf der Rückseite jener deutschen DVD-Edition (2011) der atlas film & medien GmbH. Und Markus Klingbeil stellt für Filmfuchs.de nüchtern fest: „Eigentlich heißt dieser spannende französische Krimi im Original "Gardiens de l'ordre", also Ordnungshüter.“ Genau letzteres ist der Schlüssel zu jener Doppelbödigkeit, welche ihn wiederum in die Nähe zu William Friedkins im Werbetext genannten, mit 5 Oscars prämierten Meisterwerk des Neo Noirs rückt, sind die beiden Äußerungen zu dem Thriller von Nicolas Boukhrief (Le Convoyeur, FRA 2004) doch miteinander verknüpft. So werden wir Zeuge der Routine von zwei durchschnittlichen, in dem vom Verbrechen durchseuchten Paris arbeitenden Polizeibeamten, die Nacht für Nacht Streife fahren und ihre Sisyphos-Arbeit mit dem üblichen Maß an Sarkasmus und dem geforderten Maß an moralischer Integrität verrichten. In einer frühen Szene verhindert Julie, dass Simon aus einem Lebensmittelgeschäft, in das eingebrochen wurde, einen Schokoriegel mitgehen lässt. Als in der Folge Bastien durch den Sohn (Vincent Rottiers) eines politischen Würdenträgers im Drogenrausch ermordet wird, zwingt der ihnen vorgesetzte Hauptkommissar (Nicolas Marié) Simon und Julie ihre Unterschrift unter einen Bericht zu setzen, der den Mord am Kollegen und Familienvater als Unfall tarnt. Die vom Streifendienst suspendierten Polizisten versuchen auf eigene Faust die Dealer der chemischen Droge Sphinx zu jagen, um die Verbindung zum Sohn des Parlamentariers zu belegen. Denn im Polizeibericht tauchen die fluoreszierenden Pillen, die Julie und Simon am Tatort sahen, gar nicht auf. Je tiefer sie ins Milieu des Drogenhandels Einzug halten, wo sie sich schießlich selbst als Dealer ausgeben, desto mehr verlieren die beiden aber ihren moralischen Kompass und schrecken sogar vor Betrug, Raub und harten Gewaltverbrechen nicht zurück. Die Unterschiede zwischen den “Ordnungshütern“ des Filmtitels und jenen Gangstern, die auf dem Marktplatz für illegale Drogen operieren, verschwinden zuletzt vollständig.

 

© Atlas Film und Medien GmbH

 

Genau das hat Gardiens de l’ordre mit French Connection / Brennpunkt Brooklyn (USA 1971) gemein. Zumal erinnert die Prämisse der Handlung an José Giovannis Der Kommissar und sein Lockvogel / Die letzte Adresse (FRA/ITA 1970), darin Inspektor Marceau Leonetti (Lino Ventura) den Sohn eines Staatsanwalts anzuklagen versucht und daraufhin ebenfalls kaltgestellt wird. In Frankreich, so die Botschaft, gelten die Gesetze nicht für alle gleichermaßen. Die blaublütige Kaste herrschenden Großbürgertums bleibt für den Plebs unantastbar, auch wenn es sich bei deren Vertretern um Repräsentanten der Staatsgewalt, um Polizisten handelt. Allerorten regiert Auge und Auge, Zahn um Zahn. Die Ethik der bürgerichen Gesellschaft ist nur Fassade - inklusive jener geschäftsmäßigen Routine der “Ordnungshüter“, die ihresgleichen wie eine heiße Kartoffel fallen lassen, sofern die Obrigkeit es fordert. Es ist ein desillusioniertes, von Brutalität gekennzeichnetes Gesellschaftsbild, das der Autor und Regisseur Boukhrief als Textur in seinen Thriller stickt, dessen Ende so zynisch wie dasjenige von Martin Scorseses Taxi Driver (USA 1976) daherkommt. An French Connection / Brennpunkt Brooklyn (USA 1971) reicht Gardiens de l’ordre zwar nicht heran. Ein signifikanter und lohnenswerter Neo Noir des 21. Jahrhunderts, in direkter Nachbarschaft zu Alberto Rodríguez‘ im Folgejahr erschienenem Grupo 7 (ESP 2012), ist der Film aber allemal.

 

Unter dem Titel Off Limits – Wir sind das Gesetz gibt es von dem Werk, das in Deutschland nie im Kino lief, eine sehr gute deutsche DVD-Edition (2011) der atlas film & medien GmbH im Vertrieb der Koch Media GmbH, bildtechnisch topp und ungekürzt im Originalformat mit der original französischen Tonspur und einer deutschen Synchronisation, dazu optional deutsche Untertitel und das Ganze mit dem französischen Kinotrailer und dem deutschen DVD-Trailer als einzigen Extras.

 


Neo Noir | 2010 | France | Nicolas Boukhrief | Julien Boisselier | Nicolas Marié

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