Film Noir
| USA
| 1944
| Graham Greene
| Fritz Lang
| Alan Napier
| Dan Duryea
| Ray Milland
| Hillary Brooke
Bewertung
***
Originaltitel
Ministry Of Fear
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1944
Darsteller
Ray Milland, Marjorie Reynolds, Carl Esmond, Hillary Brooke, Dan Duryea
Regie
Fritz Lang
Farbe
s/w
Laufzeit
85 min
Bildformat
Vollbild
© Paramount Pictures Corporation
England, 1944: Stephen Neale (Ray Milland) sitzt allein in einem Zimmer der Nervenheilanstalt Lembridge und lauscht dem Ticken der Standuhr. Heute ist der Tag seiner Entlassung. Für den Tod seiner Frau, der er einst Sterbehilfe leistete, hielt man ihn für voll verantwortlich und brachte ihn hierher. Nun will er nach London zurückkehren. Draußen vor den Toren findet ein Wohltätigkeitsbasar der Mothers of the Free Nations statt und Neale lässt sich überreden, sich von einer Wahrsagerin (Aminta Dyne) sein Schicksal vorhersagen zu lassen. Sie gibt ihm zu seiner Überraschung das genaue Gewicht einer Torte bekannt, die sich bei dessen Angabe auf dem Basar gewinnen ließe. Stephen Neale nennt der dafür zuständigen Dame (Connie Leon) das Gewicht und erhält daraufhin die Torte als Preis. Doch plötzlich herrscht Verwirrung; sie will ihm den Kuchen nicht überlassen, aber Neale besteht darauf und begibt sich zum Bahnhof, wo er in den Zug steigt. Da gesellt sicht ein Blinder (Eustace Wyatt) zu ihm ins Abteil, mit dem zusammen Stephen Neale ein Stück der Torte probiert. Kaum ist er eingeschlafen, stiehlt der vermeintlich Blinde den Rest des Kuchens, zieht auf offener Strecke die Notbremse und rennt übers Feld davon. Obwohl durch deutsche Flugzeuge in der Nähe ein Bombardement stattfindet, läuft ihm der inzwischen erwachte Stephen Neale hinterher…
Angeblich hat Fritz Lang die Regie zu diesem Film Noir der Paramount Pictures deshalb angenommen, weil er ein Freund der Romane Graham Greenes war. Das Drehbuch fand dann nicht seine Zustimmung. Doch konnte er vom Vertrag nicht mehr zurücktreten. Daher zog sich Lang auf die Stilmittel seiner Inszenierung zurück, demgegenüber er der Dramaturgie wenig Aufmerksamkeit schenkte. Dabei ist Stephen Neale an und für sich eine typische Film-Noir-Figur und reflektiert die Paranoia seiner Zeit. Auf sich gestellt, macht er sukzessive die Entdeckung, dass rings um ihn her nichts und niemand ist, der die Personen bzw. was die Institutionen vorgeben zu sein. Alles und jeder hat einen doppelten Boden, wie auch Neale selbst seine Vergangenheit, für die er fälschlicherweise (oder vielleicht nicht…) verurteilt wurde, um den Schlaf (wenn auch nicht den Verstand) gebracht hat. Fritz Lang, Zentrum des deutschen Expressionismus’ im Film und später Pionier des US-amerikanischen Film Noirs, inszeniert mit sicherer Hand. Bedrohung und Isolation seines Protagonisten treibt er vor der Kulisse Londons – komplett Studiobauten auf dem Gelände der Paramount in Hollywood, Kalifornien! – stetig weiter voran. Das Klaustrophobische und die Vereinzelung Stephen Neales bringt Ministerium der Angst in dessen erster Hälfte in die Nähe zu Alfred-Hitchcock-Filmen wie Berüchtigt / Weißes Gift (USA 1946) oder Der Fremde im Zug / Verschwörung im Nordexpress (USA 1951).
Aber noch heute lässt sich Langs Frustration in Anbetracht des Skripts gut verstehen. Es fällt schwer zu beurteilen, ob die Idee mit dem Mikrofilm im Inneren einer Kremtorte, die auf einem Wohltätigkeitsbasar in der englischen Provinz öffentlich verlost wird – ob diese Idee als Spionagetrick die Zuschauer einer früheren Generation ansatzweise überzeugen konnte. Nach heutigen Maßstäben wirkt die Konstruktion, der jede Logik und Notwendigkeit fehlt, einfach absurd. Ministerium der Angst ist ein Propagandafilm im Kleid des Film Noirs, einer wie Casablanca (1942) oder Sein oder Nichtsein (1942), die jeweils keine Film Noirs waren und deren Klasse dieses Opus nicht annähernd erreicht. Auch der Spionagering hinter der Fassade eines Wohltätigkeitsvereins, das ungleiche (und nicht überzeugende) deutsche Geschwisterpaar namens Willi und Carla Hilfe (in der deutschen Synchronisation wird daraus Hofer), dessen weibliche Hälfte (Marjorie Reynolds) für Stephen Neale allzu schnell Feuer fängt – es sind Zutaten, die trotz der Inszenierung diesen Film (bestenfalls) ins Mittelmaß rücken. Neben Ray Milland ist Dan Duryea der eindeutig beste Darsteller, der zudem in den nächsten beiden Filmen Fritz Langs auftreten sollte – Gefährliche Begegnung / Der Erpresser (USA 1944) und Straße der Versuchung (USA 1945). Beide sind um Längen besser und zementierten den Ruf Fritz Langs als eines zentralen Regisseurs des klassischen Film Noirs. Bemerkenswert bleibt, dass Ministerium der Angst seine deutsche Erstaufführung im Jahr 1973 im Fernsehen erlebte und bis heute vielen Freunden des großen Regisseurs unbekannt ist.
Sehr gute DVD-Ausgabe (2009) der Universum Film GmbH, München, d.h. ungekürzte Fassung im Originalformat mit wahlweise deutschem und englischem Ton, optional deutsche Untertitel, bildtechnisch gibt es nichts zu meckern, Extras fehlen allerdings.