Gesicht ohne Namen

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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Mister Buddwing
Kategorie
Post Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1966
Darsteller

James Garner, Jean Simmons, Susanne Pleshette, Katherine Ross, Angela Lansbury

Regie
Delbert Mann
Farbe
s/w
Laufzeit
100 min
Bildformat
Widescreen
 

 

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© Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc.

 

New York: Im Central Park kommt an einem Herbstmorgen ein Mann (James Garner) zu sich, durchsucht die Taschen seines Anzugs und findet darin zwei Tabletten, die handschriftliche Notiz einer Telefonnummer und einen Fahrplan. Außerdem trägt er an der Rechten einen Ring mit einem Stein, der einen Sprung aufweist. Der Mann verlässt den Park, begibt sich in die Lobby des Plaza Hotels und betrachtet sich im Wandspiegel. Er lässt sich mit der Nummer auf dem Zettel verbinden; eine Frau (Angela Lansbury) nimmt das Gespräch entgegen. Die Dame stellt sich als Gloria vor und fragt, da er selbst keine Auskunft gibt, ob er Sam sei, was der Mann bejaht. Tatsächlich weiß er nicht, wer er ist, denn er hat sein Gedächtnis verloren und fragt Gloria, ob er sie besuchen dürfe. Im Glauben, er sei Sam, willigt sie ein. Auf der Straße gibt er sich selbst anhand eines vorbeifahrenden Lieferwagens und eines Flugzeugs am Himmel den Nachnamen Buddwing. Als er bei Gloria eintrifft, stellt sich seine Identität als Missverständnis heraus. Er ist nicht Sam, was der Name ihres Ehemanns ist, und Gloria hat ihn noch nie gesehen. Doch seine Situation weckt ihr Mitgefühl und sie leiht ihm etwas Geld, als er sich urplötzlich auf den Weg macht, um seine Identität zu klären. Einige Straßen weiter sieht er eine junge Frau (Katherine Ross), in der er seine Ehefrau Grace zu erkennen meint, aus einem Mietshaus auf die Straße treten. Er ruft nach ihr, doch sie nimmt ein Taxi, und er nimmt auch eins und lässt den Fahrer (Joe Mantell) seiner Grace nachfahren…
 
Im Essay zur DVD-Edition von Anthony Manns Das schwarze Buch / Dämon von Paris (USA 1949) schreibt Kulturjournalist und Buchautor Thomas Willmann: „Wollte man den film noir in all seinen unterschiedlichen Ausprägungen und Gestalten auf nur einen Nenner bringen, so wäre es wohl dieser: Film noir ist das Kino der Verunsicherung.“ Für die Übergangsphase der Sechziger stellt nach dieser triftigen Feststellung Gesicht ohne Namen in der Nachfolge von Edward Dmytryks Die 27. Etage (USA 1965), darin Gregory Peck das Schicksal Buddwings in mehrfacher Hinsicht vorwegnimmt, ein Paradebeispiel späten Film Noirs dar. Auch in Dmytryks Film wird für den Protagonisten sein Erleben einer fast vollständigen Amnesie durch abrupte Erinnerungsfetzen mittels für den Zuschauer erstmal unerklärlicher Rückblenden dargestellt. Beide Filme funktionieren wie ein Puzzlespiel, darin Autoren und Regisseure dem Protagonisten und dem Zuschauer nach und nach die Einzelteile zukommen lassen. In Tagen des Neo Noirs hat der Engländer Christopher Nolan die Idee aufgegriffen, ihre zeitliche Chronologie umgekehrt - nämlich vom Ende zurück an den Anfang - und mit dem hieraus entstandenen Memento (USA 2000) einen Überraschungserfolg gelandet, der ihm in Hollywood Tür und Tor öffnete. Die 27. Etage (USA 1965) wurde seinerzeit freundlich ignoriert und als altbacken abgetan. Gesicht ohne Namen wurde von der Kritik sogar in Grund und Boden gestampft - spannungslos, fehlbesetzt, langatmig - und geriet im Nu in Vergessenheit.
 
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© Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc.
 
“The film features the neighborhoods of midtown Manhattan, Times Square, and the Queensboro Bridge as its backdrop creating a cinematic memory link to classic Noirs, The Sweet Smell Of Success, Kiss Of Death, Killer's Kiss, The Unsuspected”, schreibt Cigar Joe für Back Alley Noir, das offizielle Forum der Film Noir Foundation und wird in seiner Rezension als einer der Ersten dem seit Erscheinen so missverstandenen und gehassten Film gerecht. Es ist zwar richtig, dass der Schauspieler James Garner mit der Titelrolle offensichtlich überfordert war, - Garner hasste den Film und spürte, dass er an seine Grenzen stieß - aber genau dieser Umstand gibt dem Buddwing-Charakter, einem schlagartig aus dem Korsett seiner Identität gerutschten Mann, zu Teilen eine stärkere Glaubwürdigkeit. Jean Simmons, Suzanne Pleshette und Angela Lansbury steuern darstellerische Leistungen bei, die grandios genannt werden dürfen. Der Jazz von Kenyon Hopkins ist an keiner Stelle dominant und sorgt für eine ungemein stimmige Untermalung des urbanen Settings. Die Kameraarbeit von Ellsworth Fredericks (Die Dämonischen, USA 1956) fixiert die Metropole New York in unprätentiös stilvoll gehaltenen Schwarzweiß-Einstellungen. Das nächtliche Finale in einer illegalen Spielhölle ist atemberaubend und bringt einmal mehr eine Riege erstklassiger Nebendarsteller mit sich, unter ihnen Wesley Addy, Raymond St. Jacques und Nichelle Nichols. Neben Filmen wie Der Mann, der zweimal lebte (USA 1966) und Lemmy Caution gegen Alpha 60 (FRA/ITA 1965) ist Gesicht ohne Namen ein Verbindungsstück zwischen Film Noir und Neo Noir. Und entgegen der jahrzehntelangen Schelte, die ihn zu ignorieren half, ist er dem Cineasten heutiger Tage durchaus zu empfehlen.
 
Erstklassige DVD-R-Ausgabe (2011) unterm Originaltitel Mister Buddwing in der Warner Archive Collection (USA) mit dem Film ungekürzt im Originalformat, englische Tonspur ohne Untertitel, bildtechnisch topp und codefree.
 

Post Noir | 1966 | USA | Delbert Mann | Billy Halop | James Garner | Raymond St. Jacques | Wesley Addy | Angela Lansbury | Jean Simmons

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