Neo Noir
| France
| 2004
| Olivier Marchal
| Daniel Auteuil
| Gérard Depardieu
| Roschdy Zem
| Mylène Demongeot
| Valeria Golino
Bewertung
***
Originaltitel
36 Quai des Orfèvres
Kategorie
Neo Noir
Land
FRA
Erscheinungsjahr
2004
Darsteller
Daniel Auteuil, Gérard Depardieu, Valeria Golino, André Dussollier, Roschdy Zem
Regie
Olivier Marchal
Farbe
Farbe
Laufzeit
106 min
Bildformat
Widescreen
Paris: Seit 18 Monaten terrorisiert eine Verbrecherbande die französische Metropole. Ihre brutal durchgeführten Überfälle auf Geldtransporter haben neun Menschen das Leben gekostet und 2 Millionen Euro eingebracht. An dem Morgen, nachdem Léo Vrinks (Daniel Auteuil), Chef der Polizeieinheit Brigade de recherche et d'intervention, und seine Mitstreiter den Abschied ihres Kollegen Eddy Valence (Daniel Duval) feierten, schlägt sie erneut zu. Léo und Eddy begeben sich nach durchzechter Nacht zum Tatort, wo Denis Klein (Gérard Depardieu) mit seinem Team der Brigade de répression du banditisme bereits bei der Arbeit ist, darunter die engagierte Polizistin Ève Verhagen (Catherine Marchal). Im Hauptquartier am Quai des Orfèvres hält Polizeipräsident Robert Mancini (André Dussolier) seinen Ermittlern eine Standpauke und stellt Léo Vrinks unter vier Augen in Aussicht, dass bald entweder Vrinks oder Denis Klein auf seinen Posten Aussicht habe, da er selbst befördert werde. Da jedoch von der politischen Spitze Druck ausgeübt wird, erhält die Stelle, wer die lange gesuchte Bande ans Messer liefert. Als Vrinks sich mit Klein in einer Bar trifft, bekommt er einen Anruf von Hugo Silien (Roschdy Zem) - einem Schwerverbrecher auf Freigang. In der Hoffnung auf einen Tipp verabredet er sich, doch hat Silien eine Gegenleistung besonderer Art im Sinn…
Musik, Musik… Wann hört sie endlich auf? Ein klebriger musikalischer Zuckerguss ist in diesem Film allgegenwärtig und scheint nie auszusetzen. Ständig hat der Zuschauer solch akustischen Soßenbinder im Ohr, der den Filmszenen Dynamik und Dramatik einflößen soll und so oft das Gegenteil erreicht, bis einem der synthetische Schallbrei einzig auf die Nerven geht. Ob Streicher oder elektronische Rhythmen mit getupften Klavierakkorden - sogar einander abwechselnde Szenen werden mit der gleichen Muzak zugekleistert. Dabei hätte der Film viel, was für ihn spräche, vor allem eine Geschichte, die flott erzählt wird und einige interessante Wendungen zu bieten hat. Doch während manches gelingt, geht anderes in die Binsen. So gibt es reichlich Zugeständnisse ans (US-amerikanische) Actionkino, eine Reihe logischer Ungereimtheiten im Skript und einiges, was einfach nicht überzeugt. Vor allem bleibt im Gegensatz zum (allzu) heroischen Léo Vrinks dessen Widersacher Denis Klein diffus und widersprüchlich Auch bekommt letzterem das stoisch desinteressierte Schauspiel Gérard Depardieus nicht, der wie ein Holzklotz durch den Film schlurft. Woher immer dieser Darsteller seinen guten Ruf bezogen hat, 36 - Tödliche Rivalen wird kaum daran Anteil haben. Demgegenüber wissen Daniel Auteuil und Valeria Golino (als Ehefrau Camille Vrinks) zu überzeugen.
Ja, man kann sich vorstellen, dass dies ein guter Film Noir hätte werden können. Auch Sascha Koebner sieht ihn in dem von Norbert Grob herausgegebenen Buch Filmgenres - Film noir (2008) in solcher Tradition. Vor fünfzig Jahren hätten Jean Gabin, Lino Ventura und Simone Signoret darin spielen müssen. Und ein Jacques Becker oder Jules Dassin hätte richtig etwas draus gemacht. Sobald Szenen ins Private Einblick geben, die Charaktere in ihren Hinterzimmern ausgelotet werden - ob unter der Dusche, auf einem Friedhof, am Esstisch! – und man den klischeehaften „Cop-Thriller“ kurz ad acta legt, beweist der Film Potential. Die konsequent betriebene Demontage Léo Vrinks’, die eine von eigener Hand vollzogene ist, erweist sich als nicht ohne Vorbilder. Die Mechanismen des Polizeiapparats wurden in Don Siegels Nur noch 72 Stunden (USA 1968) bereits ähnlich vorgeführt. Die Verflechtung von Polizeiarbeit und organisiertem Verbrechen, jene Grauzone zwischen Systemen, die für viele Handelnde der Alltag ist, waren das Kino Jean-Pierre Melvilles seit Drei Uhr nachts (FRA 1956). Und wenn im letzten Viertel der Rachefeldzug in den Vordergrund tritt, kommen einem The Long Memory (UK 1953) und Der Panther wird gehetzt / Volles Risiko (FRA 1960) in den Sinn. Diese Reminiszenzen zeigen das Feld des Möglichen, in 36 - Tödliche Rivalen großteils ungenutzt, und die Anbindung ans Film-Noir-Kino. Im Rückblick bleibt manch gute Szene und ein unbefriedigendes Ganzes. So ist das Finale nicht ohne Finesse à la Melville, doch die letzte (klischeehafte) Szene zum Abspann mit einem Popsong unterlegt, der einem die Blödheit der Untermalung auf TV-Niveau wieder voll zu Bewusstsein bringt.
Exzellente BD- und DVD-Editionen der Universum Film GmbH (2006), die den Film ungekürzt im Originalformat, mit wahlweise deutschem oder französischem Ton, Untertiteln auf Deutsch oder Französisch, sowie ganzen 36 Minuten Bonusmaterial bringt – original Trailer, Interviews mit Darstellern und Machern, etc. pp.