Takeshi Kitano, Aya Kokumai, Tetsu Watanabe, Masanobu Katsumura, Susumu Terajima
Tokio, die Hauptstadt Japans: Zwei Mitglieder des Yakuza-Clans von Kitajima (Tonbo Sushi), Aniki Murakawa (Takeshi Kitano) und seine rechte Hand Ken (Susumu Terajima), besuchen einen örtlichen Café-Besitzer (Kôta Mizumiro) in dessen Büro. Murakawa macht jenem klar, dass er von ihm, der sich mit der Yakuza in Geschäfte einließ, eine Zahlung erwarte, doch der Gastronom will davon nichts wissen. Murakawa droht ihm kurzerhand mit dem Tod, bevor Ken und er sich ins lokale Büro begeben, das im Auftrag Murakawas als Leiter des Reviers von Katagiri (Ren Ôsugi) verwaltet wird. Auf dem Weg weist er Ken an, einen Kellner (Kanta Yamazaki) im Café des störrischen Besitzers zu ihm zu bringen. Murakawa kennt den Jungen und sieht ihn nur ungern in halbkrimineller Nachbarschaft seine Zeit verbringen… Es ist bereits dunkel, als Ken und Murakawa sich auf dem Weg zu Kitajima befinden. Auf der Fahrt erwähnt der ältere Murakawa, dass er die Lust am Yakuza-Dasein verloren habe und müde sei. Vom Bürofenster aus sieht Takahashi (Ken’icchi Yajima) Murakawa und Ken ankommen. Kitajima ermahnt ihn, bei dem Treffen keinen Fehler zu begehen. Seit Bau der U-Bahn in seinem Distrikt erlebt Murakawa eine Zeit des Wohlstands, womit Kitajima inzwischen jedoch ein Problem hat. So berichtet Takahashi, dass in Okinawa der Nakamatsu-Clan mit dem Anan-Clan im Streit läge. Kitajima erwartet, dass Murakawa mit einigen Leuten dorthin reist und sie Sache klärt, was jenem sofort verdächtig vorkommt…
Nach Violent Cop (JPN 1989) und Boiling Point (JPN 1990) war Sonatine der dritte, abschließende Film in der Yakuza-Triologie von Takeshi Kitano. Letzterer war seinerzeit in Japan aus Film und Fernsehen längst bekannt, jedoch einzig als Schauspieler und als Komiker namens “Beat“ Takeshi. Als Drehbuchautor und als Regisseur war er mit Violent Cop überhaupt erstmals in Erscheinung getreten, was nicht nur einen Image-Wandel bedeutete, sondern zum Startpunkt seiner internationalen Reputation wurde. Retrospektiv lässt sich sagen, dass Kitano mit Sonatine auch in Übersee von Freunden asiatischen Kinos und des Neo Noirs wahrgenommen wurde, bevor ihn sein Meisterstück Hana-bi - Feuerblume (JPN 1997) zur festen Größe einer internationalen Filmproduktion werden ließ. Auf den Filmfestspielen 1997 in Venedig gewann Hana-bi - Feuerblume den Goldenen Löwen und wurde weltweit mit weiteren Filmpreisen ausgezeichnet bzw. für solche nominiert. Formal und inhaltlich sind viele der Aspekte, die seither an dem Film auch ein westliches Publikum faszinieren, in Sonatine schon angelegt. Ist letzterer für die frühen 90er Jahre auch typisch, wirkt er 25 Jahre später dennoch zeitlos frisch. Wie Kitano die amoralische und gewalttätige Lebenswelt der Yakuza mit anarachischem Humor und jenen bis in Nuancen von Kameradschaft, Loyalität und Liebe feinsgesponnenen Beziehungen seiner Protagonisten kreuzt, ist einmalig. Nicht zuletzt deshalb, weil er sich nie um politische Korrektheit schert und seine Charaktere in ihrer abgründigen Doppelbödigkeit präsentiert, Ein zentrales Motiv, das die Handlung auf ihr Finale zutreibt, ist dasjenige der Rache, nachdem sich Aniki Murakawa sowohl von Kitajima als auch von vielen seiner Kollegen hinters Licht geführt sieht. Sogar das kommt in Sonatine so unangestrengt und gnadenlos konsequent zum Tragen wie nur in wenigen Werken seiner Zeit. Dieser japanische Neo Noir ist vollkommen selbstverständlich dort, wo ein Quentin Tarantino allzu gern ankäme, was jedoch ihm nie und nimmer gelingt.
© Rapid Eye Movies
Von Stadt zu Land wandeln sich Schauzplätze und neue Figuren treten hinzu, doch die Wechsel im Ton und in der Gangart sind in Sonatine nicht zwangsweise solche des Tempos. Immerzu verblüffend ist, wie die Dramturgie noch in Szenen, die eingangs verwirrend abstrus anmuten, den Spannungsbogen aufrecht hält. Sonatine ist ein Film, der mich an keiner einzigen Stelle langweilte und dessen Ruhe im Erzählen tief in seinen Rollencharakteren verwurzelt scheint, so dass sich im Verlauf der Handlung der Eindruck einer unglaublichen Lässigkeit einstellt. Fast schon wie ein japanischer Jean-Pierre Melville, dergestalt souverän geht Takeshi Kitano mit seinem Stoff und seinem wunderbaren Ensemble um, so dass man sich in Anbetracht schonungsloser Gewaltexzesse dabei ertappt, wie man dem Filmgeschehen dennoch gebannt folgen muss. Für mich ist Sonatine ein geradezu mustergültiger Neo Noir der 90er Jahre, der eine tief wurzelnde Empathie und eine rabenschwarze Weltsicht dergestalt miteinander vereint, dass der Balanceakt des Lebens zu einem eigenwilligen Tanztheater in einem Reich des Unmöglichen wird. Mit Brother (JPN/USA 2000) und Outrage (JPN 2010) setzte Takeshi Kitano seine dunklen Variationen des klassischen Gangsterfilms auch weiterhin erfolgreich fort.
Exzellente BD- und DVD-Editionen (2009) der Rapid Eye Movies mit dem Film ungekürzt (auf den deutschen DVDs von Rapid Eye Movies sind 94 Minuten korrekt, d.h. ebenso uncut) im Originalformat, mit der original japanischen Tonspur und mit deutschen Untertiteln, dazu mit dem original Kinotrailer und inklusive eines 16seitigen Booklets samt Filmfotos und eines Filmessays als Extras. Unbedingt empfehlenswert!