Film Noir
| UK
| 1949
| Graham Greene
| Carol Reed
| Bernard Lee
| Eric Pohlmann
| Geoffrey Keen
| Joseph Cotten
| Orson Welles
| Paul Hörbiger
| Siegfried Breuer
| Trevor Howard
| Wilfrid Hyde-White
| Alida Valli
Bewertung
*****
Originaltitel
The Third Man
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1949
Darsteller
Joseph Cotten, Orson Welles, Alida Valli, Trevor Howard, Paul Hörbiger
Regie
Carol Reed
Farbe
s/w
Laufzeit
104 min
Bildformat
Vollbild
Wien im Jahr 1948: Die Stadt trägt noch immer schwer am Erbe des Zweiten Weltkriegs. Von den vier Besatzungsmächten wurde sie in fünf Sektoren aufgeteilt, eine von ihnen ist die "Internationale Zone". Der Schwarzhandel blüht und lockt heimatlose Glücksritter an, die das Geschäft ihres Lebens wittern... Holly Martins (Joseph Cotten), ein in den USA erfolgloser Schriftsteller, wird von seinem alten Freund Harry Lime (Orson Welles) nach Wien eingeladen.Doch kaum in der Stadt erfährt er, dass Harry Lime just bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Auf dessen Beerdingung klärt der britische Major Calloway (Trevor Howard) den ahnungslosen Holly Martins darüber auf, dass Lime ein berüchtigter und stadtbekannter Schieber gewesen sei. Der Autor ist darüber erstaunt und stellt auf eigene Faust Nachforschungen an. Vom Hausmeister (Paul Hörbiger), der den Unfall beobachtete, erhält er eine Information, die dem offiziellen Tathergang widerspricht. Auch lernt er Harry Limes Geliebte Anna Schmidt (Alida Valli) kennen, die als Tschechin mit gefälschten Papieren in Wien lebt. Als der Hausmeister ermordet wird, erweist sich das Wiener Pflaster für Holly Martins als gefährlich…
Das BFI (British Film Institute) wählte Der dritte Mann 1999 zum besten britischen Film aller Zeiten. Ein Klassiker der Klassiker, nichts anderes ist dieser Film. Seine 10 Minuten als Harry Lime, im Riesenrad des Praters und in der Wiener Kanalisation, verhalfen Orson Welles paradocerweise zu mehr Weltruhm als sein eigenes Filmdebüt als Autor, Regisseur, Produzent und Darsteller in Personalunion, sein epochaler Citizen Kane (USA 1941). Wer heute Der dritte Mann sagt, sagt "Orson Welles“ und denkt vielleicht noch ans Zitherthema von Anton Karas. Dabei wären vor allem Graham Greene und Carol Reed zu erwähnen. Nach Romanen Greenes wurden viele Film Noirs gedreht, darunter Klassiker wie etwa Die Narbenhand (USA 1942), Ministerium der Angst (USA 1944) und Brighton Rock (UK 1947). Für Der dritte Mann schrieb Greene zuerst das Drehbuch – sein Roman gleichen Titels erschien 1950 erst im Nachhinein. Der Regisseur Carol Reed war 1949 alles andere als ein unbeschriebenes Blatt, seine direkt vorhergehenden Werke Ausgestoßen (UK 1947) und Kleines Herz in Not (UK 1948) waren als Film Noirs bereits deutliche Markierungen auf dem Weg zu einem in Wien angesiedelten Meistersück. Vor allem aber wird Der dritte Mann weitgehend von der Chemie und dem Können Joseph Cottens und Alida Vallis getragen, welche die zentralen Charaktere darstellen und auch auf Kinoplakaten seinerzeit vor Welles genannt wurden.
© Studiocanal GmbH
"By the time that I began to screen The Third Man (1949) for college students in 1990, Orson Welles (...) was already a largely forgotten director and film noir (...) was a kind of cinematic curiosity in popular American culture", erinnert sich Professor Jonah Raskin von der Sonoma State University für Popmatters. Ist Der dritte Mann denn überhaupt ein Film Noir? Diese Frage ist unbedingt und zweifelsfrei zu bejahen. Harry Limes letztlich so fatale und tragisch endende Freundschaft zu Holly Martins, seine heillose Verstrickung in kriminelle Machenschaften, die stets undurchsichtige Anna Schmidt als eine Femme fatale auf verlorenem Posten - all das ist Film Noir und von Carol Reed auf höchstem Niveau inszeniert. Der vom Noir beeinflusste Kameramann Robert Krasker erhielt den einzigen Oscar für The Third Man und zwar für sein so meisterhaft expressionistisches Schwarzweiß, dass jenes Wien bei Nacht und dessen Kanalisation in Orte voller Mysterien verwandelte. Dabei ist auch der Einfluss von Alfred Werkers Schritte in der Nacht (USA 1948) zu erkennen, - dessen Kameramann war der legendäre John Alton - der ein vergleichbares Finale im Kanalsystem von Los Angeles ganz ähnlich in Szene setzte, nur eben ein Jahr zuvor.
Die deutsche Premium Edition von Arthaus/Studiocanal lässt als hochwertig editierte 2DVD (2011) bild- und tontechnisch keine Wünsche offen. Das ohnehin umfangreiche Bonusmaterial krönt die ausführliche Dokumentation Shadowing The Third Man (2005). Erstklassig!
Ein klein wenig überschätzt
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"Klassiker der Klassiker"?
Nun ja, es gibt durchaus etablierte Kritiker, welche die Ansicht vertreten, dass Kameramann Robert Krasker und Regisseur Carol Reed mit dem im winterlichen Belfast spielenden 'Odd Man Out' ('Ausgestoßen', 1947) bereits zwei Jahre vor 'The Third Man' ihr Meisterwerk abgeliefert haben.
Auch einige renommierte Regisseure wie zum Beispiel Roman Polanski schätzen 'Odd Man Out' höher ein als 'The Third Man' - BFI-Urteile und Oscar-Weihen in Ehren. Doch sind solche Auszeichnungen bekanntlich nicht immer der Weisheit letzter Schluss - die Kompetenz der jeweils zuständigen Jury lässt nach Ansicht mancher Filmhistoriker zuweilen zu wünschen übrig. Dies soll natürlich nicht heißen, dass 'The Third Man' kein seriöser Kandidat wäre. Doch gibt es wohl mindestens noch 20 andere Werke, die ihm den Titel des besten britischen Films aller Zeiten streitig machen könnten...
Barolojoe