Violent Cop

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Sono otoko, kyôbô ni tsuki
Kategorie
Neo Noir
Land
JPN
Erscheinungsjahr
1989
Darsteller

Takeshi Kitano, Maiko Kawakami, Makoto Ashikawa, Shirô Sano, Shigeru Hiraizumi

Regie
Takeshi Kitano
Farbe
Farbe
Laufzeit
103 min
Bildformat
Widescreen

 

 


 

 

Tokio, Japan: Ein Obdachloser mit Brille, der zwischen seinen Habseligkeiten in Tüten und im Rollwagen hockt, beginnt in dem von Straßenlaternen erleuchteten Dunkel seine Abendmahlzeit. Vier Teenager mit Fahrrädern kommen herbei, werfen einen Fußball auf den Topf, darin der Alte sein Essen verwahrt, so dass jener aufs Pflaster kippt. Die Jungen beginnen ihn zu beschimpfen, zu schubsen und zu treten, woraufhin er wieder und wieder zu Boden geht. Er versucht zu entkommen, doch immer härter und bösartiger treiben sie ihr spöttisches und gewaltvolles Spiel mit ihm, bis der Alte mit dem Kopf auf den Steinen liegen bleibt. Die von ihrer Tat sichtlich erfreuten Jungen im Alter von 16, 17 Jahren radeln davon. Der mit dem Ball (Cho Bang-ho) trägt sein Fahrrad in einen Vorgarten, betritt ein großes Einfamilienhaus und verschwindet, als kurz hinter ihm Azuma (Takeshi Kitano), ein Polizeibeamter der Mordkommission, mit zügigem Schritt an die Haustür tritt und klingelt. Die Mutter des Jungen öffnet ihm, sichtlich verwirrt. Azuma zeigt kurz seinen Ausweis, schreitet die Treppe hoch und erklärt, dass sie sich keine Sorgen machen, sie aber allein lassen müsse. Der Teenager öffnet seine Zimmertür und bevor ein Wort fällt, prügelt Azuma ihn in eine Ecke und teilt dem Verängstigten mit, dass er und seine Kumpels sich morgen früh auf dem Polizerevier einzufänden hätten... Ein Schiffer fährt mit seinem Schlepper auf dem Sumida unter einer Fußgängerbrücke hindurch und wird von einigen Grundschülern mit leeren Blechdosen beworfen…

 

Azuma geht zu Fuß. Er läuft durch die Metropole Tokio, wieder und immer wieder. Er ist zur Stelle, als einige Teenager aus Vergnügen einen Obdachlosen malträtieren und jener (womöglich tot) liegen bleibt. Er läuft an den Autos vorüber, mit denen seine Kollegen Tag für Tag zur Arbeit kommen. Wenn er seine jüngere Schwester Akari (Maiko Kawakami) aus der Klinik abholt, nachdem sie wegen ihrer Depressionen behandelt worden war, nehmen sie ein Taxi. Sobald sie anhalten und auf ihren Wunsch an der Küste ein Straßenfest besuchen, erfreut er sich an ihrer Freude; selbst bleibt er wortkarg und teilnahmslos. Außer seiner Schwester Akari gibt es nichts und niemanden, an dem Azuma Interesse hätte, das oder die oder der ihn erfreuen oder sonst emotional aus der Reserve lockte. All seine Äußerungen aus Höflichkeit sind dem Regelwerk der Verhaltensweisen geschuldet, doch die Fassade ist dünn und löchrig. Sobald sich am Horizont seiner Wahrnehmung Gewalt zeigt, reagiert auch er mit Gewalt. Azuma schlägt Teenager, prügelt Verdächtige und verhaut den Liebhaber seiner Schwester, als er ihn bei der Heimkehr in der gemeinsamen Wohnung antrifft. Er lebt in einer Gesellschaft, deren Mitglieder von Kindesbeinen an gewalttätig werden, und ihre Gewalt lebt längst auch in ihm. Er ist kein Mann der Worte, und er tut Dinge, weil sie getan werden sollen oder getan werden müssen. Sein Humor ist zynisch, und freundlich wird er nur, wenn er sich von Kollegen Geld borgt. Und doch ist dieser stoische, gegerbte und gnadenlose Polizeibeamte vor allem ein Spiegel der gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen er beheimatet ist. Als er in der Auseinandersetzung mit dem eiskalten Drogenhändler Kiyohiro (Hakuryû) die Kontrolle zu verlieren droht und für die Behörde untragbar wird, lässt er sogar Vorgänger à la Inspector Ed Cornell (Laird Cregar) in H. Bruce Humberstones I Wake Up Screaming / Hot Spot (USA 1941) oder Harry Callahan (Clint Eastwood) in Don Siegels Dirty Harry (USA 1971) hinter sich. Der Film trägt seinen internationalen Titel zu Recht: Gewalt versetzt Azuma in einen Rausch. Er ist von allen der härteste. 

 

© Rapid Eye Movies

“In 1989 he made a brutal, thrilling and stylish neo-noir called Violent Cop. It was to Japan, what Abel Ferrera’s Bad Lieutenant (USA 1992) was to American cinema. A nihilistic look at an officer of the law unrestrained in seeking justice”, schreibt Tom Jolliffe im Aufsatz The Defining Works of Takeshi Kitano für Flickering Myth. Der Vergleich ist gut gewählt, insofern er mit Blick auf die Welle der Neo Noirs, welche in den 90er Jahren von Internal Affairs (USA/CAN 1990) bis zu Gang Related (USA 1997) und L.A. Confidential (USA 1997) korrupte und mörderische Polzisten vorführte, das dem japanischen Vorreiter am nächsten liegende Beispiel präzise benennt. Violent Cop war Takeshi Kitanos erste Regiearbeit, für die er sowohl das Drehbuch mitverfasst hatte und für die er in der zentralen Rolle auftrat. Das war einzig möglich und nötig geworden, weil Regisseur Kinji Fukasaku abgesprungen war. Doch begann dadurch für den zuvor unterm Namen "Beat" Takeshi als Komödiant bekannten, 42-jährigen Japaner eine bis heute andauernde, internationale Filmkarriere. Kitanio fasste Violent Cop mit seinen nachfolgenden Neo Noirs Boiling Point (JPN 1991) und Sonatine (JPN 1993) später zur Yakuza-Trilogie zusammen. Allerdings lassen sich die inhaltlich nicht miteinander verknüpften Werke auch einzeln und in beliebiger Reihenfolge goutieren.

 

Es gibt eine exzellente (als Einzelausgabe inzwischen vergriffene) DVD-Edition (2011) der Rapid Eye Movies mit dem Film ungekürzt im Originalformat, dazu mit der original japanischen Tonspur und mit deutschen Untertiteln und mit original Kinotrailer als Bonus. Solche findet sich via Rapid Eye Movies auch in der 3-DVD-Ausgabe Collector’s Box – Takeshi Kitano (2009), die in ebenbürtiger, bild- und tontechnisch hochwertiger Edition das Debüt mit Boiling Point (JPN 1991) und Sonatine (JPN 1993) vereint, von denen vor allem letzterer herausragend ist. Die Entscheidung, die Werke einzig mit dem Originalton und Untertiteln anzubieten, ist weise, nachdem zuvor via Laser Paradise die in der 3-DVD-Box Takeshi Kitanoi - Evolution (2003) beinhaltete und zudem technisch minderwertige Version allein die deutsche Synchronfassung bot, welche so desaströs geriet, dass sie im Grunde nicht auszuhalten ist.

 


 

Neo Noir | 1989 | International | Takeshi Kitano | Susumu Terajima | Takeshi Kitano

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