Film Noir
| France
| 1956
| Auguste Le Breton
| Jean-Pierre Melville
| Henri Decaë
| Claude Cerval
| Daniel Cauchy
| Gérard Buhr
| Howard Vernon
| Roger Duchesne
Bewertung
*****
Originaltitel
Bob le flambeur
Kategorie
Film Noir
Land
FRA
Erscheinungsjahr
1956
Darsteller
Isabelle Corey, Roger Duchesne, Daniel Cauchy, André Garet, Howard Vernon
Regie
Jean-Pierre Melville
Farbe
s/w
Laufzeit
98 min
Bildformat
Vollbild
Montmartre, Paris: Robert „Bob“ Montagné (Roger Duchesne) war früher ein Gangster und lebt heute vom Glücksspiel, dem er zwar verfallen ist, das er zugleich jedoch zu beherrschen weiß. Er ist ebenso gut mit der Polizei befreundet, nachdem er einst den Commissaire Ledru (Guy Decomble) vor einer sonst tödlichen Kugel bewahrte, wie er für den Kleinkriminellen Paolo (Daniel Cauchy) ein väterlicher Freund ist. Nur Zuhälter kann er nicht ausstehen, und als Marc (Gérard Buhr) sich bei ihm Geld leihen will, um damit unterzutauchen, verweigert es ihm Bob, weil jener die Hure Lydia krankenhausreif geprügelt hat. Nachdem Robert Montagné die hübsche Anne (Isabelle Corey) von der Straße aufgelesen und ihr eine Bleibe angeboten hat, verfällt ihr Paolo im Nu. Zudem zwingt Bob eine Pechsträhne unerwartet in die Knie und er beschließt, mit seinem Freund Roger (André Garet) noch einmal eine größere Sache anzugehen. Indessen handelt Marc mit Commissaire Ledru seine Freilassung aus, wenn er im Gegenzug der Polizei einen heißen Tipp zukommen lässt. Und Paolo prahlt vor seiner Freundin Anne, dass er in dem Spielcasino von Deauville, einem luxuriösen Badeort, den Safe auszurauben gedenkt…
Zwischen 1949 und 1972 drehte der legendäre französische Regisseur Jean-Pierre Melville genau 13 Spielfilme, von denen heute viele als Klassiker und Meisterwerke eingestuft werden. Aktuell sind in Deutschland ganze drei als jeweils DVD- bzw- Blu-ray-Editionen auf dem Markt – Drei Uhr nachts, Melvilles erster Film Noir in Gangsterkreisen, gehört nicht dazu. Es ist schnell ersichtlich, inwieweit der innovative Film 1956 die Nouvelle Vague beeinflusst haben muss, derart ist er dem in den Mittfünfzigern konservativen Filmschaffen Hollywoods voraus, von Ausnahmen wie Stanley Kubricks Die Rechnung ging nicht auf (USA 1956) oder Robert Aldrichs Rattennest (USA 1955) einmal abgesehen. Mit seinem Verzicht auf Studiosets, den wunderbaren Schauplätzen in Paris und Jazz als Musik der Stunde ist der prägende Einfluss von Drei Uhr nachts z.B. auf Louis Malles Fahrstuhl zum Schafott (FRA 1958) ganz eindeutig.
Anderseits ist spannend zu sehen, inwieweit Melville selbst Einflüssen ausgesetzt war. Jean Gabin nimmt in Pépé le Moko – Im Dunkel von Algier (FRA 1937) als Gangster (in den Jahren) die väterliche Beziehung von Bob zu Paolo vorweg. Pierrot heißt dort der jugendliche Kriminelle und auch sein Schicksal ist tragisch. Zudem dürfte Jacques Beckers Wenn es Nacht wird in Paris (FRA/ITA 1954) auf die von dem fünfzigjährigen Roger Duchesne grandios porträtierten Bob einigen Einfluss gehabt. Der dort mit ebenfalls fünfzig Jahren von Jean Gabin dagestellte Max le menteur und Melvilles Bob le flambeur liegen als weltweise Pariser Edelganoven keinen Steinwurf auseinander. Zuletzt hatte auch der Exilant Jules Dassin mit Rififi (FRA 1955) den letzten großen Coup (eines alternden Gangsters) als Dreh- und Angelpunkt französischen Film-Noir-Kinos neu definiert. Die Romanvorlage und teils das Drehbuch stammten von Auguste Le Breton, der 1956 mit Melville auch dasjenige für Drei Uhr nachts verfasste. Vor allem aber trat mit diesem Jean-Pierre Melville 1956 ein Großmeister des französischen Films hervor. Ein wenig fehlen Drei Uhr nachts noch der Biss und die Härte, die die Tragik der späteren Werke Melvilles so akzentuiert würzen. Dennoch ist schon dieser Film Noir einzigartig und bis in Nebenrollen wunderbar besetzt. Den Schauplatz an die französische Riviera verlegt, drehte der englische Regisseur Neil Jordan (The Crying Game, UK/JPN 1992) unter dem Titel Der Dieb von Monte Carlo (FRA/UK/IRL/CAN 2002) ein Remake mit Nick Nolte (Dreckige Hunde, USA 1978) in der Rolle des Bob Montagné.
Erstklassige englische DVD-Edition von Optimum Releasing Ltd., die den französischen Originalton mit englischen Untertiteln bietet, dazu eine ungekürzte, bildtechnisch hervorragend restaurierte Fassung im Originalformat, den original Kinotrailer als Extra, sowie eine filmhistorische Einführung von Professorin Ginette Vincendeau. Ein Muss!