Nina Voss, Ronald Zehrfeld, Nina Kunzendorf, Trystan Pütter, Michael Maertens
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Kurz vor dem Stadtgebiet Berlin im Sommer 1945: Aus der Schweiz kommend halten Lene Winter (Nina Kunzendorf) und die am Kopf verletzte und voll bandagierte Nelly Lenz (Nina Hoss) nachts in ihrem Wagen am Schlagbaum vor einer Brücke. Der wachhabende US-Soldat (Trystan Pütter) verlangt die Papiere und fordert Nelly barsch auf, ihm ihr Gesicht zu zeigen. Aber nach Sekunden, während sie seiner Aufforderung nachkommt, lässt er Nelly innehalten und entschuldigt sich… Die Sängerin Nelly Lenz ist eine Überlebende des Konzentrationslagers Auschwitz. Ihre Freundin, die fürsorgliche Lene Winter, ist ebenfalls Jüdin und möchte mit Nelly bald nach Haifa in Palästina auswandern. Sie bringt die Verletzte in Berlin zu einem Gesichtschirurgen (Michael Maertens). Er bietet Nelly an, dass sie sich ein neues Gesicht aussuche, womöglich eins von einem Filmstar der Zeit, doch jene ist irritiert und erwidert, dass sie ihr eigenes Gesicht zurückhaben wolle. Das wird kaum möglich sein, erwidert der Arzt, indessen Lene ihre Freundin Nelly vor der Operation darüber informiert, dass ihre Familie tot sei, Nelly dank des Erbes vermögend und somit diese Operation möglich geworden sei. Der Eingriff glückt, indessen Lene in Berlin für die Jewish Agency arbeitet. Hier kommt es zu einem Zwischenfall, bei dem Lene Nellys Mann Johnny (Ronald Zehrfeld) beobachtet, wie er versucht Dokumente zu entwenden und flieht…
Im laufenden Jahrzehnt hat es in Deutschland hin und wieder Filmdramen gegeben, die unter je eigenwilliger Nutzung der Traditionen internationalen Thrillerkinos zu überzeugen wussten. Sowohl Thomas Arslans Im Schatten (GER 2010) als auch Sebastian Schippers Victoria (GER 2015) sind Beispiele für Neo Noirs, deren Autoren und Rergisseure ein künstlerisches Risiko eingingen und aus jenen seit den 80er Jahren recycelten Klischees deutschen Filnmschaffens ausscherten. Christian Petzolds Phoenix bezieht sich auf den klassischen Film Noir der 40er Jahre mit seinen traumatisierten Kriegsheimkehrern und Szenarien der Erinnerung, die eine dunkle Vergangenheit heraufbeschwören und trügerisch sind. Nicht so sehr der Thriller als eben das Melodram bildet die Blaupause jener Beziehung zwischen Johannes und Esther, die vor Jahresfrist noch als Eheleute Johnny und Nelly Lenz im Berlin des Dritten Reichs lebten und sich nicht mehr (er)kennen oder nicht zu kennen vorgeben. Die Grundidee des Dramas um Identität - falsch und richtig, innen und außen - um Liebe und Verrat, diese Grundidee ist faszinierend. Nelly ist gezeichnet vom Verlust ihres Gesichts, Johnny vom Verrat an ihr, seiner jüdischen Ehefrau. Beide ahnen sie jedoch das Geheimnis ihres Gegenübers lange nicht. Sie bleiben mit ihrem Wissen allein, zwei in den Trümmern ihrer Heimat voneinander entfremdete Menschen. Im klassischen Film Noir beinhalten Delmer Daves’ Die schwarze Natter / Das unbekannte Gesicht (USA 1947), Alfred Hitchcocks’ Vertigo - Aus dem Reich der Toten (USA 1958) und Terence Fishers Stolen Face (UK 1952) Leitmotive und Handlungsmuster, die sich in Phoenix wiederfinden. Auch Wolfgang Staudtes Die Mörder sind unter uns (GER 1946) meine ich zu erkennen. Wenn Nelly in Begleitung Lenes die Ruinen ihres Hauses in Berlin betritt, spiegelt sich ihre Gestalt gedoppelt in ein paar im Schutt liegenden Spiegelscherben. Auch die Werbegrafikerin Susanne Wallner (Hildegard Knef) zieht es nach der Rückkehr aus dem Konzentrationslager zurück in ihre Wohnung. Wenn sie vor dem Mietshaus ankommt, sieht der Zuschauer sie doppelt - von hinten am Laternenpfahl und gespiegelt im Schaufenster des Optikers Mondschein (Robert Forsch), das Heute und das Gestern in einem Bild. Zusätzlich verwendet Phoenix Motive des Romans Der Asche entstiegen (EA 1961) von Hubert Monteilhet, erstmals von J. Lee Thompson als Eine Tür fällt zu (UK/USA 1965) verfilmt, obgleich Phoenix kein Remake dessen ist.
Als Special Edition wunderbar editierte BD- und DVD-Editionen (2015) von good!movies mit dem Film ungekürzt im Originalformat, die deutsche Tonspur mit deutschen oder englischen Untertiteln, dazu der Kinotrailer, eine Audiodeskription und ein Making of als Extras und im Digipack ein 20seitiges Booklet mit Szenenfotos und Kommentaren von Petzold, Hoss, Kunzendorf und Zehrfeld, darin vor allem des Regisseurs sensible Aussagen zum nationalsozialistischen Terror, zum Film Noir und zu den Vorbildern seines Werks beeindrucken.