Film Noir
| USA
| 1956
| James M. Cain
| Allan Dwan
| John Alton
| Van Nest Polglase
| Frank Gerstle
| George E. Stone
| John Payne
| Kent Taylor
| Ted de Corsia
| Arlene Dahl
| Rhonda Fleming
Bewertung
****
Originaltitel
Slightly Scarlet
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1956
Darsteller
John Payne, Arlene Dahl, Rhonda Fleming, Kent Taylor, Ted de Corsia
Regie
Allan Dwan
Farbe
Farbe
Laufzeit
94 min
Bildformat
Widescreen
In Bay City wird Dorothy Lyons (Arlene Dahl), eine notorische Kriminelle, aus dem Gefängnis entlassen; ihre Schwester June (Rhonda Fleming) holt sie ab. Von der anderen Straßenseite schießt Ben Grace (John Payne) im Auftrag des Mobsters Solly Caspar (Ted de Corsia) einige Fotos, denn die bevorstehenden Bürgermeisterwahlen bereiten Caspar Sorgen. Folglich soll Grace etwas finden, was den aussichtsreichen und grundehrlichen Kandidaten Frank Jansen (Kent Taylor) in Misskredit bringen könnte. Jansen ist mit seiner Sekretärin June Lyons verlobt, weshalb sowohl die kriminelle Schwester Dorothy als auch eine Unvorsichtigkeit, die ihm eine voreheliche Affäre nachwiese, seinen Ruf schädigen könnte. Aber Grace will es nicht gelingen, Jansen etwas anzuhängen, und Caspar gerät in Wut darüber, so dass er sich an Jansens Förderer, Norman B. Marlowe (Roy Gordon) - einen Zeitungsmogul und Herausgeber des Bay City Journals - heranmacht, nachdem jener in einer Fernsehansprache Caspar angegriffen hat. Ben Grace, der sich von Caspar gedemütigt sieht, versucht via June Lyons den Mann hinter Frank Jansen zu warnen, doch spät in der Nacht nimmt sie seinen Anruf nicht ernst. Caspar stattet Marlowe mit einigen seiner Jungs einen Besuch ab, bei dem er nicht zimperlich mit ihm umgeht. Der herzkranke Mann stirbt und Caspar lässt ihn aus dem Fenster seines Büros werfen. Nun wird die Lage für den Gangster eng, denn Grace hat beschlossen, June Lyons für dessen Täterschaft einen Beweis zu liefern…
“The almost surreal Technicolor noir, Slightly Scarlet (RKO, 1956) is far more entertaining than the Cain novel it’s based upon, Love’s Lovely Counterfeit (1942),” schlussfolgert Eddie Muller in seinem Buch Dark City: The Lost World of Film Noir (1998). Tatsächlich ist der einflussreiche Autor des Film Noirs, James M.Cain, nicht der einzige alte Bekannte, dem der Film-Noir-Freund in dieser späten Produktion des Studios RKO begegnet. Auch Kameramann John Alton hatte einigen Einluss auf den Film Noir der 40er und sah sich 1949 bereits für Robert Floreys Film Noir Herr der Unterwelt mit John Payne am Set. „Slightly Scarlet (…) is enhanced by some virtuoso camera-work from John Alton, who lights the film as if it were in black in white,” erörtern Alexander Ballinger und Danny Graydon zutreffend in ihrem The Rough Guide to Film Noir (2007). Der surreale Charakter der Straße des Verbrechens, von dem Muller schreibt, wird de facto ab der ersten Einstellung greifbar. Allan Dwans Film ist derart “over the top“ wie etwa Robert Aldrichs Film Noir Rattennest (USA 1955) oder Albert Lewins Technicolor-Märchen Pandora und der fliegende Holländer (USA 1951) mit James Mason und Ava Gardner, das eine ganz freie Adaption der Seefahrersage bietet. Zudem sind es Ted de Corsia, ein zuverlässiger Bösewicht des Film Noirs der 40er und 50er, sowie eine überdrehte Femme fatale in der Darstellung durch Alene Dahl, die das Werk mit der notwendigen Schärfe versehen. Auch John Payne, im genannten Herr der Unterwelt (USA 1949) eher schwach, zeigt sich von seiner besten Seite.
“You're not good; you're not bad. You're a chiseler, out for anything you can get.” Solly Caspar hat schnell heraus, dass mit seinem “genius” etwas nicht koscher ist, dennoch nimmt er ihn nicht ernst, was sich schließlich rächt. Es ist die Unentschiedenheit von Ben Grace, der für den Zuschauer automatisch ein Angebot zur Identfikation bietet, was den Film über die Strecke von 94 Minuten unterhaltsam hält. Ein doppeltes, ein dreifaches Spiel scheint er im Sinn zu haben – mit Männern wie Frank Jansen, Solly Caspar und Dave Dietz, dem von Frank Gerstle porträtierten Polizeichef, ebenso wie mit den (schier unglaublichen) Schwestern June und Dorothy Lyons. Dennoch ist Vorsicht geboten! Straße des Verbrechens gehört defintiv zur Camp-Kultur. Seine Geschichte kann und sollte man nicht ernstnehmen, denn solches nach bester Film-Noir-Rezeptur zubereitete Menü ist ein deftiges Stück Fast Food von Köchen, die sich dabei sicher amüsierten. So gehen die Meinungen über das Werk bis heute stark auseinander. Bei Jean-Luc Godard - damals noch Filmkritiker für Cahiers du Cinema - rangierte es 1956 allerdings auf Platz 5 seiner Jahresbestenliste. Wer hier kein Meisterstück Ingmar Bergmanns oder John Cassavetes’ erwartet, wird an dem Film Noir des damals bereits 70jährigen B-Regisseurs Allan Dwan, der pro Jahr in der Regel drei Filme ablieferte, einigen Genuss finden.
In den USA erschien Straße des Verbrechens, ein Film der Public Domain, als DVD bei VCI Entertainment (2002) in einer bildtechnisch nicht brillanten, doch guten Edition mit einer klaren und gut verstehbaren Tonspur, ohne Regionalcode, zudem mit einigen Extras wie Audiokommentar, Bildergalerien, einer Biografie zu James M. Cain, etc. Europäische Ausgaben kommen aus Italien, Spanien und Frankreich und beinhalten allesamt auch die original englische Tonspur.