Cliff Robertson, Geneviève Bujold, John Lithgow, Sylvia Kuumba Williams, Wanda Blackman
New Orleans, Louisiana, im Jahr 1959: In der Villa des Geschäftsmanns Michael Courtland (Cliff Robertson) und seiner deutlich jüngeren Frau Elizabeth (Geneviève Bujold) findet anlässlich ihres 10jährigen Hochzeitstags eine Feier statt. Nach einer Diashow mit Erinnerungsfotos spielt man zum Tanz auf und das Jubiläumspaar selbst wiegt sich als einziges im Kreis der Gäste über die Tanzfläche. Niemand scheint zu bemerken, dass der Kellner (Don Hood) mit seinem Tablett voll Champagner unter der Weste einen Revolver versteckt hat… Courtlands neuer Juniorpartner in der Firma, Robert LaSalle (Frank Lithgow), bringt einen Toast auf das romantische Paar aus, doch Courtland antwortet auf das Lob mit großer Bescheidenheit. Als sie wieder tanzen, erscheint plötzlich die neunjährige Tochter der Courtlands, Amy (Wanda Blackman), auf dem Treppenabsatz, und Michael Courtland gönnt auch ihr ein Tänzchen, bevor die Gäste sich nunmehr verabschieden. Als Michael und Elizabeth später in ihrem Schlafzimmer bei Kerzenlicht eng umschlungen ihrer Liebe huldigen wollen, hören sie plötzlich Amy nach ihrer Mutter rufen. Elizabeth begibt sich auf den Weg ins Kinderzimmer und öffnet die Tür, wo sich ihr ein schockierender Anblick bietet. Der vorherige Kellner hält der Tochter den Mund zu und presst seinen Revolver an ihre Stirn, indessen Elizabeth selbst von einem Unbekannten ergriffen und bedroht wird… Als Michael kurz darauf in Amys Zimmer tritt, findet er an dem Bettpfosten eine Botschaft der Kidnapper vor…
"Obsession is, in the end, a disappointingly weak entry within De Palma's (…) work in the thriller genre”, schlussfolgert David Nusair für Reel Film Reviews und nimmt damit meine zentrale Empfindung bezüglich dieser 95 zähen Minuten vorweg, nämlich die der Enttäuschung. Mit Paul Schrader als Autor des Drehbuchs und Geneviève Bujold in der weiblichen Hauptrolle und Brian De Palma als Regisseur und Bernard Herrmann als Komponist der Filmmusik hatte ich von diesem 1976 in Anlehnung an Alfred Hitchcocks Vertigo - Aus dem Reich der Toten (USA 1958) gedrehten Neo-Noir-Thriller mehr erwartet - deutlich mehr. Nicht nur erschien mir der Drahtzieher all der verschlungenen Wege von Intrige, Verrat und Verbrechen in dem Augenblick, wo er zum ersten Mal auf der Leinwand erscheint, sofort als der typische und im Übrigen einzige Hauptverdächtige. Auch die anderen, von vielen Kritikern und Publikum so gepriesenen Überraschungen der erst im Jahr 1959 und dann 1975 angesiedelten Handlung sind so offensichtlich zurecht konstruiert, dass ein halbwegs erfahrener Cineast nach spätestens 30 Minuten weiß, worauf es hinausläuft. Er wird im Übrigen von der nach Schema F abgespulten Handlungskurve in seinen Vermutungen immer wieder bestätigt, so dass auch die gelungene Kameraarbeit Vilmos Zsigmonds (Der Tod kennt keine Wiederkehr, USA 1973) und die schauspielerische Leistung Geneviève Bujolds (Der Wolf hetzt die Meute, USA 1984) nichts zu retten vermögen. Unterm Strich sind das die Elemente des Films, die ich positiv hervorheben kann. Der Rest ist trotz des Bemühens der Beteiligten ein mit infantilem Pathos aufgepumpter Thriller der unteren Mittelklasse, den man sich als Freund des Film Noirs oder auch des Thrillerkinos getrost schenken kann.
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Für das Pathos sorgt in erster Linie Herrmanns mächtig dramatische Musik, die allzu viele Szenen dröhnend übertönt, so dass man die Lautstärke nach unten reguliert und teils auch die Akteure schwer versteht. Als Geschmacksverstärker soll die Musik wohl jene Emotionalität wachrufen, die Hauptdarsteller Cliff Robertson vollends vermissen lässt. Der 52jährige schlafwandelt durch diesen Film, dass man bei seinem Anblick selbst schläfrig wird. Auch wenn er im Bemühen um einen intensiv leidenden Ausdruck seine Gesichtsmuskeln sichtbar anspannt, bleibt Robertson in der Rolle konstant stoisch und ausdruckslos. Zudem lässt ihn seine zaudernd zurückhaltende Attitüde im Arbeitsleben nicht ansatzweise als gewieften Geschäftsmann und Millionär erscheinen. Für mich zeigt sich Michael Courtland privat und beruflich als unglaubwürdig; mit Robertson ist die Rolle fehlbesetzt. Vieles andere lässt sich nicht benennen, ohne hier Details der Handlung zu früh bekannt zu geben. Aber auch die Figur der Sandra Portinari (Geneviève Bujold) agiert in einer Weise, deren psychologische Dimension klischeehaft und auf Biegen und Brechen überkonstruiert erscheint. Der Film wirkt wie eine von Filmstudenten erarbeitete Alfred-Hitchcock-Variante ohne eigenen Schwerpunkt und als Sammelsurium von Themen und Szenarien, die trotz einer gemeinsamen Anstrengung der Talente nur mühsam zusammenfinden. Es gibt andere Neo Noirs jener Zeit, die ähnlich gelagerte Probleme aufweisen, etwa Michael Tuchners Angst ist der Schlüssel (UK 1972), Stuart Rosenbergs Unter Wasser stirbt man nicht (USA 1975) und mit Blick auf Alfred Hitchcock etwas später auch Robert Bentons In der Stille der Nacht (USA 1982).
Sehr gute DVD-Edition (2011) der Concorde Home Entertainment GmbH mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch einwandfrei, dazu wahlweise die englische Tonspour und die deutsche Synchronisation, optional deutsche Untertitel, allerdings völlig ohne Extras. Eine Neuveröffentlichung von Concorde als Mediasbook (2017) beinhaltet den Film sowohl als BD und als DVD, bringt dazu ein schön gestaltetes und umfangreiches Booklet mit Filmessay, allerdings ebenfalls keinerlei Extras auf den Bildträgern.