Neo Noir
| France
| 1969
| Auguste Le Breton
| José Giovanni
| Henri Verneuil
| Henri Decaë
| Alain Delon
| Gérard Buhr
| Jean Gabin
| Lino Ventura
Bewertung
****
Originaltitel
Le clan des Siciliens
Kategorie
Neo Noir
Land
FRA
Erscheinungsjahr
1969
Darsteller
Jean Gabin, Alain Delon, Lino Ventura, Irina Demick, Amedeo Nazzari
Regie
Henri Verneuil
Farbe
Farbe
Laufzeit
116 min
Bildformat
Widescreen
© Twentieth Century Fox Film Corporation
Paris: Ein Gefangenentransport bringt den Juwelendieb und Polizistenmörder Roger Sartet (Alain Delon) zum Haftrichter (Yves Brainville). Indessen er noch vor der Tür wartet, sitzen neben ihm ein anderer Gendarm (Yves Lefebvre) und dessen Häftling (Marc Porel) mit Handschellen aneinander gekettet. Dieser Polizist steckt Sartet plötzlich einen länglichen, verchromten Gegenstand in dessen Manteltasche, kurz bevor Sartet seine Zigarette ausdrückt und ins Büro des Richters geht. Dann bittet ihn sein Häftling um einen Toilettengang und die verkleideten Brüder Aldo und Sergio Manalese verschwinden. Vom Richter werden Sartet die Anklagepunkte verlesen. Auch Kommissar Le Joff (Lino Ventura), der wegen einer anderen Sache vorsprechen will, hört aufmerksam zu. Le Joff hatte Roger Sartet verhaftet und verspricht ihm nun, seiner Hinrichtung beizuwohnen, indessen Sartet den Raum wieder verlässt… In der Nähe des Justizgebäudes zieht sich Aldo indessen in einem Lieferwagen um und beobachtet vom Parkplatz aus den Gefangenentransporter, der Sartet zurückbringen wird. Sergio besteigt eilig einen ebenfalls dort geparkten blauen Kombi und wartet ab. Roger Sartet klettert in den Transporter, wo er in eine schmale Einzelkabine gesperrt wird. In dem engen Gang nimmt ein Wärter (Bernard Musson) Platz, indessen Sartet in aller Ruhe den Elektrobohrer aus der Manteltasche holt und zusammensetzt…
Der Clan der Sizilianer ist nicht unbedingt der erste Film, der einem in den Sinn kommt, sobald man über die Tradition des Film Noirs im Frankreich der 50er und 60er Jahre nachdenkt. Zu Beginn dreht er sich um die Ausarbeitung jenes gewieften Coups, der es dem alternden Mafiosi Vittorio Manalese (Jean Gabin) ermöglichen soll, sich als so angesehener wie steinreicher Bürger in seiner Heimat Sizilien zur Ruhe zu setzen. Dass die Romanvorlage Auguste Le Bretons (Du rififi chez les hommes , EA 1952) in der Gangstergeschichte ein Drama anderer Art verbirgt, kongenial für die Leinwand adaptiert von José Giovanni (Der Panther wird gehetzt / Volles Risiko, FRA 1960), kommt erst im zweiten Teil des Films zum Tragen. Hier werden die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Prägungen der Rollencharaktere in den Fokus gerückt, welche der geölten Maschinerie des Verbrechens zunehmend zum Sand im Getriebe werden. Einmal mehr ist Irina Demick in der Rolle einer Femme fatale zu sehen, und das Trio der Hauptdarsteller sorgt für eine Aufarbeitung der letzten zwei Jahrzehnte französischen Gangsterfilms, den Der Clan der Sizilianer mit seiner an der Schwelle der Siebziger schon etwas angekratzten Old-School-Attitüde gewissermaßen beschließt. Der Auftakt ist abenteuerlich, es überwiegen die wagemutige Flucht und die perfide Cleverness des Coups, all das in Schauplätze verpackt, wie sie samt ihrer Pop-Art-Attitüde nur in den Sechzigern entstehen konnten - barocker Schaukasten einer Zukunft ohne Grenzen. Von dieser Oberfläche lässt sich der Zuschauer betören und lässt die Gier und Skrupellosigkeit der Protagonisten außen vor. Derart scheint man sich in der Nachbarschaft der Fantomas-Trilogie (FRA 1964 - 1967) zu bewegen. Aber das täuscht. Die drei Gegenspieler sind so humorlos hart wie Figuren in einem Film Noir Jean-Pierre Melvilles. Sie sind ihnen mehr als nur benachbart, sie stehen exakt in der Tradition.
Andrew Spicer erwähnt Der Clan der Sizilianer in seinem Buch European Film Noir (2007) und Robin Buss schreibt in French Film Noir (1994) in Reflexion über Jacques Beckers Wenn es Nacht wird in Paris (FRA/ITA 1954): „Ventura and Gabin became Friends and met again in Henri Verneuil’s Le clan des Siciliens (1969) - a film of much the same type as Touchez pas au grisbi.“ De facto standen Lino Ventura und Jean Gabin hier das fünfte Mal gemeinsam vor der Kamera. Mit Alain Delon war Jean Gabin erstmals in Henri Verneuils Klassiker Lautlos wie die Nacht (FRA/ITA 1963) aufgetreten; Ventura und Delon hatten die Hauptrollen in Robert Enricos Die Abenteurer (FRA/ITA 1967) bekleidet. Irina Demick kannte Lino Ventura von Ganoven rechnen ab (FRA 1965) und sowohl Delon als auch Ventura hatten mit Jean-Pierre Melville gearbeitet, ersterer in Der eiskalte Engel (FRA/ITA 1967), letzterer in Der zweite Atem (FRA 1966) nach einer Romanvorlage José Giovannis. So traf sich in Der Clan der Sizilianer ein Ensemble, das im französischen Film Noir gewachsen und dessen Typologie geprägt hatte. Dafür ist dieses Drama mit Film-Noir-Anklängen allerdings auch in seiner zweiten, von Härte und Tragik gekrönten Hälfte zu lieblos umgesetzt - ein Vorwurf, den vor allem Routinier Henri Verneuil sich gefallen lassen muss. Der Clan der Sizilianer ist ein im Ganzen guter Film, der seine vier Sterne jedoch nur knapp bewilligt kriegt, denn sein Potential schöpft er längst nicht aus. Dafür bleiben die Rollencharaktere durch die Bank etwas zu blass.
Erstklassige Editionen als BD (2014) und als DVD (2003) der Twentieth Centurxy Fox Home Entertainment, Inc. mit dem Film ungekürzt im Originalformat, Tonspuren auf Deutsch oder Französisch, Untertitel optional auf Deutsch oder Englisch, bzw. bei der DVD auch italienischen Ton sowie zusätzlich Untertitel auf Französisch, Holländisch und Italienisch, dafür kein Englisch. Als Extra gibt es den original Kinotrailer. Der Clan der Sizilianer erschien auf DVD (2007) auch bei der SZ Cinemathek als die Nr. 4 in deren Reihe Série Noire und zwar mit deutschem oder französischem Ton, dazu Untertitel nur auf Deutsch.