Film Noir
| USA
| 1949
| Nicholas Ray
| Burnett Guffey
| Barry Kelley
| Davis Roberts
| George Macready
| Houseley Stevenson
| Humphrey Bogart
| John Derek
| Mickey Knox
| Pierre Watkin
| Sid Melton
| Vince Barnett
| Allene Roberts
| Argentina Brunetti
Bewertung
***
Originaltitel
Knock On Any Door
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1949
Darsteller
Humphrey Bogart, John Derek, George Macready, Allene Roberts, Susan Perry
Regie
Nicholas Ray
Farbe
s/w
Laufzeit
96 min
Bildformat
Vollbild
© Columbia Pictures Corporation
New York: In einer ebenso belebten wie herunter gekommenen Gegend flieht ein Mann des Nachts vor der Polizei über Feuertreppen und durch Hinterhöfe. Officer Dan Hawkins (Thomas Sully) wird von dem Flüchtigen erst angeschossen und dann brutal hingerichtet, bevor der seinen Revolver in eine Regentonne wirft und entkommt. Die Polizei hebt kurzerhand das ganze Viertel aus und nimmt dutzendweise Verdächtige fest. Unter ihnen ist der junge Nick Romano (John Derek), ein aktenkundiger, vielfacher Straftäter, dem nun wegen des Mordes an Dan Hawkins der Prozess gemacht werden soll… Der erfolgreiche Rechtsanwalt Andrew Morton (Humphrey Bogart) und seine Frau Adele (Susan Perry) spielen Schach, als das Telefon klingelt. Ob er die Verteidigung Nick Romanos übernehmen wolle, fragt man ihn, aber Morton lehnt ab. Schließlich bietet er - seine Frau gibt ihm wortlos ihre Missbilligung zu verstehen - immerhin an, mit dem Verdächtigen zu sprechen. Andrew Morton und Nick Romano haben eine gemeinsame Vergangenheit. Vor Jahr und Tag hat der Anwalt versäumt, Romanos Vater vor dem Gefängnis zu bewahren, so dass der Unschuldige hinter Gittern an einem Herzinfarkt starb. Seither ist Morton von Romano mehrfach belogen worden; der junge Mann schlitterte von Jungenstreichen unaufhaltsam in eine Karriere in der organisierten Kriminalität. Doch jetzt geht es um alles. Morton stellt seinen jugendlichen Freund zur Rede. Um ihn zu verteidigen, muss er ihm vertrauen können…
“From They Live by Night (1948) through King of Kings (1961), Ray’s most personal and successful films feature a protagonist who is tormented by society, hunted down and killed (or neutralised),” schreibt Brad Weismann in seiner Rezension zu Vor verschlossenen Türen für senses of cinema. Nicht nur Wim Wenders weiß in Nicholas Ray einen Regisseur zu schätzen, der in den 10 Jahren von 1948 bis 1958 den Film Noir um zentrale Werke bereicherte und mit seinem Debüt Im Schatten der Nacht (USA 1948) ein (lange verborgen gebliebenes) Meisterwerk ablieferte. Vor verschlossenen Türen ist Nicholas Rays dritter Film, der erste im Auftrag von Humphrey Bogarts Santana Pictures Corporation und nicht mehr für RKO. Zwar lief Rays zweiter Film A Woman’s Secret (USA 1949) erst nach diesem im Kino an, doch lagen dessen Dreharbeiten dann fast ein Jahr zurück. Die Übernahme von RKO durch Howard Hughes im Jahr 1948 bescherte Rays Karriere als Regisseur einen Stotterstart. Im Schatten der Nacht kam in den USA erst im November 1949 ins Kino und ging in der Dämmerung der McCarthy-Ära unter. Leider reicht Vor verschlossenen Türen ans Niveau dieses Erstlings nicht heran. Auch hier geht es um die junge Generation der USA in einer von erzkonservativem und unbarmherzigem Leistungsdenken beherrschten Gesellschaft. Tragisch ist der Tenor und ausführlich präsentiert die Erzählung die Hartherzigkeit und Selbstgerechtigkeit auf allen Etagen urbanen Miteinanders – in den tiefen Schatten der “skid row“ und in den hell erleuchteten Ballsälen der Schönen und Reichen. Doch des Werks Tonlage der Sozialkritik ist schrill, sein Apellcharakter erweist sich als ungelenk und übermächtig. Der Film, um es abzukürzen, erschlägt den Zuschauer mit seiner Botschaft und erdrosselt die teils herausragenden Leistungen seiner Protagonisten.
© Columbia Pictures Corporation
“Live fast, die young, leave a good-looking corpse.” Es mangelt nicht an erstklassigen Dialogen, - den Roman Knock On Any Door (EA 1947) schrieb William Motley – an Film-Noir-Stil dank Rückblendentechnik und dank Kameramann Burnett Guffey, an facettenreichen Gegenüberstellungen von Welt und Gegenwelt. John Derek ist perfekt in der Rolle Nick Romanos und Humphrey Bogart in einer geradezu leidenschaftlichen Darstellung des Rechtsanwalts Andrew Morton ist der, den es braucht, um die jungen Talente in der Balance zu halten. Von einiger Klasse sind auch George Macready als der Ankläger Kerman sowie Dewey Martin als Butch, Davis Roberts als Jim „Sunshine“ Jackson, Pepe Hern als Juan Rodriguez, Cara Williams als Nelly Watkins – die jugendlichen Nachtschattengewächse der Bars und Clubs, die Freunde des Angeklagten “Pretty Boy“ Romano. Nur Allene Roberts – wunderbar in ihrem Debüt The Red House (USA 1947) – ist als dessen Ehefrau Emma überraschend blass und bieder. Trotz eines erstklassigen Finales überzeugt dieser Film Noir nicht. Allzu sehr penetriert die Gesellschaftskritik den Zuschauer, so dass der kaum zu Atem kommt. Nicholas Ray drehte 1950 - erneut für Santana Pictures Corp. - mit Humphrey Bogart in der Hauptrolle sein nächstes Meisterstück Ein einsamer Ort. Philip Leacocks Die Saat bricht auf (USA 1960) schrieb die Saga von Nick Romano fort und zwar ebenfalls nach einem Roman William Motleys und stets in Schwarzweiß, dazu mit Shelley Winters, Jean Seberg, Burl Ives und Ella Fitzgerald im Ensemble der Darsteller.
Es gibt eine spartanische und bild- und tonechnisch allemal gute DVD-Edition von Sony Pictures Home Entertainment (2011), die bietet, was es braucht: den Film ungekürzt im Originalformat, wahlweise deutsche oder englische Tonspur, ebenso in beiden Sprachen Untertitel, doch leider ist aber seit langem vergriffen. Internationale Editionen als BD und als DVD beinhalten den Film ebenfalls bild- und tontechnisch exzellent und stets mit der englischen Tonspur.