Tommy Lee Jones, Ashley Judd, Bruce Greenwood, Benjamin Weir, Ed Evanko
© Paramount Pictures
An der Küste von Whidbey Island, einer Insel im Nordwesten des US-Bundesstaats Washington, sitzt Libby Parsons (Ashley Judd) mit ihrem 3-jährigen Sohn Matty (Benjamin Weir) und hilft ihm, seine Angel zu justieren. Als die ihr bekannte Segelyacht Morning Star vorüberfährt, erklärt Libby, dass es nicht Schöneres als das Segeln gäbe, Mattys Vater Nicholas (Bruce Greenwood) jedoch kaum jemals zu einem Segeltörn mit ihr zu bewegen wäre… Kurz darauf findet in der Villa der reichen, dreiköpfigen Familie ein Brunch statt, bei dem auch der mit den Parsons befreundete Rechtsanwalt Bobby Long (Jay Brazeau) und Grundschullehrerin Angela Green (Annabeth Gish) anwesend sind. Während alle sich amüsieren, wird Nick von seinen Geschäftspartnern Warren (Ed Evanko) und Rudy (John Maclaren) darauf hingewiesen, dass sie ernste und massive Probleme hätten und First Seattle sich gemeldet habe. Doch Parsons tut derlei als Bagatelle ab und hält auf der ausladenden Terrasse mit Blick auf die Bucht vor allen Gästen eine selbstbewusste Rede, bei der er an den Zweck einer Spendensammlung für die örtliche Grundschule erinnert und das Wort an deren Direktorin Rebecca Tingley (Gillian Barber) übergibt. Die lässt sich nicht lange bitten und ehrt erst einmal ihre Lehrkraft Angela Green… Als am Nachmittag alle fort sind, nimmt Nick auf der Terrasse seine Frau Libby in den Arm und überrascht sie in Anwesenheit Angelas damit, dass er übers Wochenende die Morning Star für einen Segeltörn zu zweit gemietet habe, nur für sie und ihn…
“If Double Jeopardy had been shot in black and white in 1949 with Ida Lupino in the lead, you’d all be praising it as an unsung feminist film noir and deconstructing it on your grad-school website“, schrieb Ty Burr im Februar 2000 für Entertainment Weekly in einer bemerkenswert witzigen und pointierten Verteidigung des unterhaltsamen Thrillers wider dessen snobistische Kritiker. Letzteres erschienen sie ihm deshalb, weil sie ihr Augenmerk auf jene Handlungselemente richteten, die in Doppelmord mehr als fraglich sind. Nun, trotz Ty Burrs Würdigung des teils exquisiten Schauspiels, der feinen Kameraarbeit an attraktiven Drehorten und der dramaturgisch flotten Inszenierung durch Bruce Beresford (Money Movers, AUS 1978) sollte man erwähnen, dass eine zentrale Prämisse der Filmhandlung schlicht Mumpitz ist. Auf einem Segeltörn mit ihrem Ehemann Nick erwacht Libby eines Nachts allein in der Kabine. Sie folgt blutigen Spuren an Deck, wo solche enden und wo sie ein Messer findet, das sie aufhebt, just als die Küstenwache sie per Scheinwerfer ins Visier nimmt. Lange Rede, kurzer Sinn: Libby wird allein aufgrund von Indizien für den Mord an ihrem Ehemann, der Monate zuvor eine Lebensversicherung in Höhe von 2 Millionen US-Dollar zu ihren Gunsten abgeschlossen hatte, zu sechs Jahren Haft verurteilt. Sie endet im Gefängnis, Angela Green adoptiert ihren Sohn Matty, doch kurz darauf sind beide spurlos verschwunden. Ein letztes Telefonat mit Matty lässt in Libby den Verdacht keimen, dass Nicholas Parsons keineswegs tot ist, sondern unter anderem Namen andernorts ein neues Leben führt. Als sie sich im Strafvollzug auf ihre Rache vorbereitet, lässt eine Mitgefangene (Maria Herrera) sie wissen, dass man in den USA für ein Verbrechen, für welches man rechtskräftig verurteilt wurde, kein zweites Mal belangt werden könne. Libby könne also nach ihrer Freilassung ihren Ehemann Nick auf offener Straße erschießen, und da sie ihre Strafe für solchen Mord bereits verbüßt habe, könne sie kein US-Gericht je dafür belangen. Nun, es klingt reichlich absurd, und das ist es auch. Es stimmt nämlich nicht.
“So, what did you do… not pay your parking tickets?” – “Oh, no. I was convicted of murdering my husband.” Der Film ist flott inszeniert, hält die Zuschauer bei der Stange und serviert mit Ashley Judd und Tommy Lee Jones als heruntergekommenem Bewährungshelfer Travis Lehman, ehemals Universitätsprofessor für Jura, zwei wunderbare Schauspieler im Zentrum der Handlung. Kurzum, als ein Old-School-Thriller ohne Referenzen ans Kino Quentin Tarantinos, das für den Neo Noir der zweiten Hälfte der 90er so wegweisend wurde, lässt sich Doppelmord noch heute problemlos anschauen. Leider ist die A-Produktion zugleich Popcorn-Kino, wie auch Ty Burr feststellt. Ashley Judds Gefängnisaufenthalt wirkt inklusive Geburtstagstorte für den natürlich abwesenden Matty wie eine Selbsthilfegruppe. Libbys Mama (Anna Hagan) zaubert aus ihrem Tomatenbeet ein Riesenbündel Geldscheine, dass sie ihrer Tochter für deren Rachefeldzug überreicht. Und Libby entlockt dem Internet und am Telefon den Behörden immer wieder die neuen Adressdaten von Angela und Nicholas. Wir sehen dabei zu und denken wiederholt: „Aber auch nur in Hollywood…“ Das hingegen, hier hat Ty Burr nicht Unrecht, war bei Katherine Hepburn in Der unbekannte Geliebte (USA 1946), bei Ida Lupino in Dein Leben in meiner Hand / Frau auf der Flucht (USA 1950) und bei Dorothy McGuire in Beeil dich zu leben (USA 1954) nicht anders. Als Damsel-in-Distress-Filme bezeichnete man seinerzeit jene Abart des Thrillers, der bis heute fortlebt. In dem Kontext ist Doppelmord nicht die schlechteste Wahl, aber eine Tüte Popcorn und ein Verzicht aufs Mitdenken helfen sicher dabei, Bruce Beresfords Neo Noir light so halbwegs genießen zu können.
Die deutsche DVD-Edition (2003) von Paramount Pictures ist ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch exzellent mit dem original englischen Ton sowie Synchronisationen auf Deutsch, Ungarisch und Tschechisch, zudem Untertitel auf Deutsch, Finnisch, Englisch, Bulgarisch, Arabisch, Norwegisch, Polnisch, Dänisch und Isländisch, den Kinotrailer und ein Behind-the-Scenes als Extras. Zudem gibt es eine reguläre Blu-ray disc (2023) und sogar eine 4K UHD + Blu-ray (2023) mit leicht anderen Tonspuren und Untertiteln, in jedem Fall aber auch mit Englisch und Deutsch.