Film Noir
| UK
| 1957
| Graham Greene
| Ken Annakin
| Reginald H. Wyer
| Bernard Lee
| Noel Willman
| Rod Steiger
| Faith Brook
Bewertung
****
Originaltitel
Across The Bridge
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1957
Darsteller
Rod Steiger, David Knight, Marla Landi, Noel Willman, Bernard Lee
Regie
Ken Annakin
Farbe
s/w
Laufzeit
99 min
Bildformat
Widescreen
London, England: Mehrere Beamte von Scotland Yard verschaffen sich Zutritt zu den Geschäftsräumen des dort ansässigen, deutschstämmigen Unternehmers Carl Schaffner (Rod Steiger). Die loyale Sekretärin Miss Hilton (Betty Cooper) versucht aus einem Nebenraum den in New York weilenden Schaffner zu informieren. Jener hält soeben eine Presskonferenz und möchte den Anruf erst an seinen Sekretär Milton (Sam Maxsted) weitergeben. Aber dann versteht der Finanzjongleur Schaffner, was die Stunde geschlagen hat und als die Telefonzentrale die unterbrochene Verbindung wiederherstellen kann, hat er Gewissheit. Er bespricht sich kurz mit Milton und beschließt, von New York per Zug nach Mexiko zu fliehen, wo er ungefähr eine Million US-Dollar gebunkert hält und für etwa drei Monate vor jedweder Auslieferung sicher wäre. So besteigt er in Eile den nächsten Zug, gibt dem Zugbegleiter (Charles Richardson) Anweisungen, ihn an jedem Halt mit den neusten Tageszeitungen zu versorgen und harrt der Dinge, die da kommen. Schaffner ist nervös, doch zugleich abgebrüht genug, um nicht weiter aufzufallen. Doch als er am zweiten Abend gern in den Speisewagen gehen möchte, informiert ihn ein Mitreisender (Bill Nagy), dass dieser schon geschlossen habe. Der zudringliche Mann namens Paul Scarff, der selbst mit seinem Hund Dolores allein nach Mexiko reist, trägt eine Flasche Whiskey mit sich und drängt sich in Schaffners Abteil. Er wolle gern mit ihm trinken, sagt er, und Schaffner, der keinen Verdacht erregen will, lässt sich darauf ein. Als er mit zwei Wassergläsern aus dem Bad zurückkehrt, sieht Carl Schaffner, der inzwischen in den USA als Betrüger gesucht wird, dass Scarff einen mexikanischen Pass besitzt…
“A gripping film noir thriller, this British production may take place in the desert but it's full of a misanthropic darkness that Steiger's central performance capitalizes on”, heißt es bei film4.com.“What Across The Bridge is, in my not-so-humble opinion, is a true noir film, as noir as noir can get”, schreibt Steve Lewis in seinem Blog Mystery File. Dazu gibt es als Gegenmeinung diejenige Lawrence Russells bei Film Court /Culture Court, der denkt “it has none of the main characteristics of noir -- that is, a manipulative femme fatale, a male patsy, and expressionist cinematics.” Letzteres ist ein Argument, doch kann ich ihm schon deshalb nicht zustimmen, insofern sich der Film Noir nicht auf diese drei Aspekte beschränken lässt. Wäre dem so, gäbe es weltweit kaum ein Dutzend Film Noirs. De facto ist Rod Steiger als skrupellos-impulsiver und von aller Welt und der eigenen Machtfülle verlassener Mann auf der Flucht eine Film-Noir-Figur par excellence. Er erinnert an den Gangster Pépé (Jean Gabin) in Julien Duviviers Pépé le Moko - Im Dunkel von Algier (FRA 1937), an den korrupten Anwalt Joe Morse (John Garfield) in Abraham Polonskys Force Of Evil (USA 1948) und an den Hehler Harry Lime (Orson Welles) in Carol Reeds Der dritte Mann (UK 1949). Liegt letzteres daran, dass dessen Vorlage ebenfalls von Graham Greene stammt? Der englische Autor sorgt auch in Die Brücke der Vergeltung für seelische Abgründe. Er zeichnet einen Mann, der an der eigenen Härte zerbricht. Nicht der „Patsy“ ist der interessante Charakter des Film Noirs, sondern der vermeintliche Tough Guy, der die Welt zu bezwingen sucht und zuletzt selbst in der Falle seiner Zwänge sich offenbaren muss, d.h. einzig an sich scheitert, da er sich als Mensch nicht zu entrinnen vermag.
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Diese komplexe Anlage in Persönlichkeit und Geschichte spielt Steiger mit vollem Bewusstsein aus. Er trägt den Film und porträtiert diesen von verzweifelter Hoffnung getriebenen Abstieg Carl Schaffners in die Niederungen der eigenen Natur. Dabei profitiert der Film zudem von einer ganzen Reihe von Wendungen, die ungemein verblüffend sind, dazu schön inszeniert und den Film von der ersten Minute an spannungsreich werden lassen. Die Brücke der Vergeltung ist ein Thriller in der Tradition Reeds und Hitchcocks. Und 1957 ist dieser britische Film, der großteils in Spanien gedreht wurde, zudem härter als die zur Zeit der McCarthy-Ära verwässerten Film Noirs der USA. Zugleich nimmt er das Kino der Sechziger vorweg und wirkt mit seinen Außenaufnahmen in Schwarzweiß moderner als viele zu der Zeit stets im Studio gedrehte Dramen in Technicolor. Neben Ken Annakins stringenter Regie und perfektem Schnitt überzeugt auch Noel Willman als mexikanischer Polizeichef. Die Brücke der Vergeltung lohnt eine Wiederentdeckung und ist für jeden Film-Noir-Freund eine gute Wahl.
Die deutsche Edition der Phoenix Neue Medien GmbH (2005) liegt uns nicht vor, ist mit 99 Minuten Spielzeit aber ungekürzt und mit Vollbild 4:3 (lt. Angabe bei Amazon.de) definitiv im falschen Format. Die englische Edition der I.F.P. Ltd. (2007) zeigt den Film im korrekten Format 16:9, ist bildtechnisch gut restauriert und mit voll verständlichem, englischem Ton, dazu wahlweise englischen Untertiteln ausgestattet. Als Extras gibt es die Dokumentation Profile of Across The Bridge sowie den original Kinotrailer. Vorbehaltlos zu empfehlen!