An der Straßenecke

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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
Street Corner / Both Sides Of The Law
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1953
Darsteller

Anne Crawford, Peggy Cummins, Rosamund John, Terence Morgan, Barbara Murray

Regie
Muriel Box
Farbe
s/w
Laufzeit
91 min
Bildformat
Vollbild

 


 

 

London, England: Spät am Abend patroullieren die Polizistinnen Lucy Loggart (Barbara Murray) und Susan (Anne Crawford), je im Dienstgrad einer Woman Police Constable, über eine einsam liegende Themsebrücke. Auf einer Bank bemerken Sie ein schweigendes Paar, Edna Hurran (Eleanor Summerfield) und David Evans (Ronald Howard), die jedoch, als die beiden Polizistinnen stehenbleiben und sich nach ihnen umblicken, in die entgegengesetzte Richtung davoneilen. Schon bald halten David und Edna wieder inne und sehen amüsiert zwei übermütigen Jungs zu, die sich auf einem in der Nähe vertäuten Kutter balgen. Plötzlich fällt eines der Kinder ins Wasser, ruft um Hilfe und Edna zögert keine Sekunde. Sie weist David an, die Polizistinnen zurückzuholen, entledigt sich ihres Mantels und der Schuhe und springt kurzentschlossen in den kalten Fluss. Tatsächlich gelingt ihr den Knaben zu retten und sicher ans Ufer zu bringen, wo sie von den WPC, Susan und Lucy, in Empfang genommen wird. Kurz darauf ist auch die Ambulanz zur Stelle und die Polizistinnen raten Edna, sich ebenfalls im Hospital untersuchen zu lassen. Mit einer fadenscheinigen Begründung lehnt diese das erst einmal ab. Kurzentschlossen fasst sich David ein Herz und klärt die Beamten darüber auf, dass sie im Grunde gar nicht wüssten wohin, da sie aktuell beide keine Bleibe hätten. Und so gehen sie mit den WPC auf die Wache. Schon am nächsten Morgen erscheint eine Fotografie der beherzten Edna Hurran auf der Titelseite der Daily Mail…

 

“I don’t know what the title means, but I purchased this on DVD as being a noir film, and to tell you the truth, I’m not so sure about that either”, schreibt Steve Lewis für mystery*file, und ich kann seine Zweifel in jeglicher Hinsicht verstehen. Auch der deutsche Titel An der Straßenecke, unter dem das Werk damals seinen Weg in das hiesige Kino fand, ergibt mit Blick auf den Handlungsverlauf wenig Sinn, und seine Zugehörigkeit zum Kanon des Brit Noirs ist allemal fraglich. Von den drei nur durch den Arbeitsalltag der Woman Police Concstables verküpften Handlungssträngen, ist lediglich einer typisch für die Tradition des Film Noirs und wird vom exzellenten Kameramann Reginald H. Wyer (Aus dem Tagebuch eines Henkers, UK 1948)) entsprechend bebildert. Jener setzt mit dem Schmalspurgangster Ray (Terence Morgan) und der vom Dasein als Ehefrau und Mutter völlig überforderten Bridget Foster (Peggy Cummins) als illegitimen, desperatem Paar zugleich den stärksten Akzent. Es ist solche Hauptgeschichte des Films, zu der die Nebenstränge qualitativ wenig hinzufügen, die dem Werk des Autorenteams Sydney und Muriel Box (Tanz in den Abgrund, UK 1947), letztere auch Regisseurin des Films, den Ruf einbrachte, eine mit weiblicher Polizei besetzte Variante von Basil Deardens Die blaue Lampe (USA 1950) zu sein. Letzterer hatte mit PC George Dixon (Jack Warner) einen Rollencharakter geschaffen, der über einen Zeitraum von 21 Jahren und in 432 Episoden der TV-Serie Dixon of Dock Green (UK 1955-1976) zu einem der ersten Dauerbrenner britischer Fernsehunterhaltung wurde. Zwar repräsentieren die deutlich jüngeren WPC in An der Straßenecke nicht vollends die Spießigkeit Jack Warners in solcher Rolle. Dennoch sind es der mächtig patriotische Grundton und die moralinsaure Bürgerlichkeit, die solches Werk kennzeichnen, das heutigen Zuschauern deshalb als verstaubt und in seinem Predigerton enervierend erscheinen muss.

 

 

“Coppers in skirts! Pity they haven't got something better to do!" Natürlich ist der Fokus auf Polizistinnen als zentralen Figuren ein von den Autoren bewusst gewähltes Sujet zwecks Aufhebung von Rollenklischees in der Wahrnehmung der WPCs im England der frühen 50er Jahre. Doch der pseudo-dokumentarische Charakter des Werks und der latent pathetische Unterton, gepaart mit der beizeiten warmherzig empathischen Fürsorge seitens der Hüterinnen der Ordnung, wirken allzu sehr wie ein Märchen für Erwachsene. Nur wenige Jahre später sollte Beverly Garland in der TV-Serie Decoy (USA 1957-58) als Police Woman in New York ihre Fälle mittels Courage und Köpfchen selbst lösen. Tatsächlich war in solchen 39 Episoden der Tenor ein völlig anderer. Deren Härten und Fallstricke kernnzeichneten die Fernsehproduktion als explizit vom Film Noir beeinflusst, und noch heute erweisen sich viele der Episoden als bemerkenswert pointiert und unterhaltsam. An der Straßenecke ist eine Kuriosität am äußeren Rand des Brit Noirs, darin die 28-jährige Peggy Cummins glaubwürdig eine 18-jährige spielt, was für ihre weitere Karriere allerdings keine Bedeutung hatte. Autorin und Regisseurin Muriel Box legte mit Kronzeuge gesucht (UK 1956) einen weiteren und zugleich ihren letzten Brit Noir vor.

 

Es gibt unter dem Originaltitel Street Corner eine bild- und tontechnisch gut restaurierte Fassung des Films auf einer englischen DVD-Ausgabe (2019) der Spirit Entertainment mit dem Film ungekürzt im Originalformat und mit dem englischen Originalton, leider ohne Untertitel und ohne Extras.

 


Film Noir | 1953 | UK | Muriel Box | Reginald H. Wyer | Charles Victor | Harold Lang | Maurice Denham | Michael Medwin | Ronald Howard | Anne Crawford | Eleanor Summerfield | Peggy Cummins

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