Kronzeuge gesucht

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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
Eyewitness
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1956
Darsteller

Donald Sinden, Muriel Pavlow, Belinda Lee, Michael Craig, Nigel Stock

Regie
Muriel Box
Farbe
s/w
Laufzeit
81 min
Bildformat
Widescreen

 


 

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© Verlag für Filmschriften Christian Unucka

London, England: Zum Feierabend kehrt Lucy Church (Muriel Pavlow) nach Hause zurück, wo ihr Ehemann Jay sie (Michael Craig) mit einer Überraschung aufwartet. Jay hat ihnen einen Fernsehapparat gekauft, aber Lucys Reaktion fällt nicht wie erwartet aus. Sie ist vielmehr erbost, weil das Haus voller technischer Errungenschaften ist, aufgrund derer sich das Paar inzwischen verschuldet. Schließlich verlangt sie von Jay, dass er den Fernseher zurückgibt. Jener möchte nicht sein Gesicht verlieren und versucht seine Frau zu beschwichtigen, die aber nun im Zorn das Haus verlässt und Jay enttäuscht zurücklässt... Lucy beschließt erst einmal ins Kino zu gehen und besucht das Coronet. Als sie in der Dunkelheit sitzend einem romantischen Country-Song lauscht und beiderseits von sich die Liebespaare wahrnimmt, drängt sie sich aus dem Kinosaal und geht in die Lobby. Lucy fragt die Platzanweiserin (Marianne Stone), wo das Telefon sei und jene weist sie durch eine Doppeltür einen langen Korridor entlang und bis in das Souterrain hinab. Lucy hofft darauf, sich mit Jay zu versöhnen, doch der hat nach einer ersten Flasche Bier ebenfalls ihr trautes Heim verlassen. Enttäuscht legt sie den Hörer auf die Gabel zurück und geht aus der Telefonzelle in den Korridor, wo ihr Mr. Hays, Geschäftsführer des Coronet Cinemas, entgegen kommt, der sein Büro ansteuert. Als Lucy dort ankommt, sieht sie durch die geöffnete Tür zwei Männer (Donald Sinden, Nigel Stock), die vor einem aufgebrochenen Safe Geldbündel stapeln und Mr. Hays niederschlagen…

 

Im Juni 2019 zeigte das Filmkollektiv Frankfurt - Projektionsraum für unterrepräsentierte Filmkultur e.V. im Rahmen einer Retrospektive betitelt Pionierinnen des Film Noir diesen Film der Regisseurin Muriel Box nicht, weil er weltweit nicht als 35-Millimeter-Kopie zur Verfügung steht. Allemal ist ein Hinweis auf die wenigen weiblichen Regisseure in der Geschichte des Film Noirs und deren Werke – neben Muriel Box wurden Ida Lupino, Bodil Ipsen und Edith Carlmar berücksichtigt –schon eine Pioniertat. Kronzeuge gesucht, der seinerzeit auch in der Bundesrepublik Deutschland im Kino lief, beruht auf einer Erzählung und einem Drehbuch der Schriftstellerin Janet Green, die in der britischen Kinogeschichte für so herausragende Werke wie Dämon der Frauen (UK 1955) und Das Mädchen Saphir (UK 1959) als Autorin zeichnet, womit der Film sogar das Werk von zwei Frauen ist. Die Geschichte wird in den ersten 15 Minuten mit Tempo und Verve aufs Gleis gesetzt, woran nicht zuletzt die exzellent gewählten Darsteller Anteil haben. Der oft blasse Donald Sinden überzeugt in der Rolle des ruchlosen Gangsters Wade, für den Sinden offenbar die Geschichte des Frauenmörders Neville Heath recherchierte und in der er mich persönlich an Vincent Price erinnert. Auch Belinda Lee und Nigel Stock hinterlassen zum wiederholten Mal einen bleibenden Eindruck, geben ihren Charakteren viel an Kontur und Charakter. Letzteres lässt sich von Muriel Pavlow und von Michael Craig, die als Lucy und Jay Church im Zentrum des Dramas stehen, leider nicht sagen. Erstere hat mit dem Umstand zu kämpfen, dass sie nach 9 Minuten in einen Verkehrsunfall verwickelt und dem Film für die restliche Spielzeit als meistens bewusstlose Patientin im Krankenhaus erhalten bleibt. Zudem ist Michael Craigs Jay ein solcher Knabe in Männergestalt, dass man an seiner Lebenstauglichkeit in einer Metropole à la London zu zweifeln beginnt, in der er ohne die Ehefrau nahezu hilflos scheint.

 

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“Despite its best efforts, British noir tends to be forever trapped in a middle-class world“, schreibt Colin McGuigan für seinen Block Riding the High Country. Nun habe ich damit nicht per se ein Problem, muss aber feststellen, dass sich Janet Green und Muriel Box in einer Vielzahl von biederen und oft durch die Brille des Humors betrachteten Nebenfiguren verlieren, die zur Entwicklung der Filmhandlung wenig bis gar nichts beitragen. Sind sie teils auch fein gezeichnet und brillant gespielt, wie etwa die ältliche Patientin Mrs. Hudson (Ada Reeve), ergibt sich bei einer Laufzeit von nur 81 Minuten im Mittelteil eine spürbare Redundanz. Wades Versuch, die Zeugin Lucy aus dem Weg zu räumen, rückt zunehmend in den Hintergrund. Erst 15 Minuten vor Ende kommt der Film in Schwung, doch bis dahin hatte ich bereits den Eindruck, dass sich die Sache dahinschleppt. Fazit: Der durchdachte und fein inszenierte Brit Noir mit hochkarätiger Besetzung leidet an seiner Dramaturgie, bleibt aber sehenswert und sticht aus dem Einerlei vergleichbarer Produktionen in seiner Zeit durchaus heraus. Für den Liebhaber des Film Noirs und für Freundes klassischen britischen Kinos ist Kronzeuge gesucht trotz der genannten Schwächen keine verschwendete Zeit.

 

Eine sehr gute DVD-Edition des Films erschien in der von ITV Studios editierten englischen 11-DVD-Box (2007) mit dem Titel The Donald Sinden Collection, die auch als Donald Sinden Icon Box Set firmiert, und in der Eyewitness ungekürzt und im Originalformat mit der original englischen Tonspur und mit englischen Untertiteln beinhaltet ist. Eine US-Edition (2012) des Werks erschien bei VCI Entertainment in deren Reihe The Rank Collection und bringt diese Fassung des Films als einzelne DVD (codefree), die in Deutschland aber nicht erhältlich ist.

 


Film Noir | 1956 | UK | Muriel Box | Janet Green | Reginald H. Wyer | Charles Victor | John Stuart | Michael Craig | Belinda Lee | Marianne Stone

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