Jason Isaacs, Amanda Abbington, Zawe Ashton, Millie Innes, Natasha Little
Edinburgh, Schottland: Der ex-Soldat und ehemalige Polzeibeamte Jackson Brodie (Jason Isaacs) verdient seinen Lebensunterhalt als Privatdetektiv. Während er sich in seinem Alfa Romeo die Wartezeit mit einer Französischlektion verkürzt, schießt er per Teleobjektiv Fotos eines vermeintlichen Liebespaares. Da ruft ihn seine Sekretärin Deborah Arnold (Zawe Ashton) an und teilt mit, dass die alleinstehende Rentnerin Binky Rain (Sylvia Sims) sich gemeldet habe, weil er ihren Kater suchen solle. Allerdings habe sie, Deborah, ihr erklärt, dass Brodie aktuell mit einem Job befasst sei, für den er sogar bezahlt würde. Kurz darauf sorgt der Detektiv in Binkys verwahrloster Küche, wo die dicke Dame mit allerlei heimatlosen Hunden und Katzen haust, ein wenig für Ordnung, bevor er mit einer Harke durch den verwilderten Garten stromert und den Kater sucht. Indessen sind die Schwestern Amelia (Fenella Woolgar) und Julia Land (Natasha Little) im benachbarten Anwesen damit beschäftigt den Nachlass ihres verstorbenen Vaters Victor Land (Sandy Welch) zu entrümpeln. Beide haben keine guten Erinnerungen an den Mathematiker, der sich um seine Frau Rosemary (Victoria Balnaves) und seine Töchter kaum kümmerte. Als die zwei im Arbeitszimmer ihres Vaters tätig werden, öffnet Julia mit einem Brieföffner eine verschlossene Schreibtischlade. Darin entdeckt sie ein Stofftier, die “Blue Mouse“ ihrer seit 30 Jahren versmissten Schwester Olivia (Layla Grace Kerr), die in einer Sommernacht einst spurlos verschwand…
“Oh God! Trouble likes you, doesn’t it?” – “We have been acquainted." Der von der britischen Autorin Kate Atkinson erdachte Privatdetektiv Jackson Brodie ist jene Art von Private Eye, wie man ihn seit den Tagen des Films Noirs kennt: unabhängig und tough, durch ein Ereignis in der Kindheit traumatisiert und als komplexe Persönlichkeit ein schwieriger Partner auch in Liebesbeziehungen. Er hat mit seiner getrennt von ihm lebenden ex-Frau Josie (Kirsty Mitchell) eine gemeinsame, etwa 10-jährige Tochter namens Marlee (Millie Innes), für die er regelmäßig Betreuungszeit einplanen muss. Im Zuge seiner Ermittlungen steht er meist auf Seiten des Gesetzes, das in Edinburgh durch seine ex-Kollegin Detective Inspector Louise Munroe (Amanda Abbington) verkörpert wird, ihrerseits alleinerziehende Mutter des Teenagers Archie (Maarten Stevenson). Mitunter aber entscheidet Jackson Brodie sich für Wege und Lösungen außerhalb geltender Gesetze, meistens wenn sein moralischer Kompass ihm das als angemessen und als ratsam nahelegt. Und natürlich empfindet Louise, der ihr eigenwilliger, ruppiger und zugleich empathischer ex-Kollege mitunter auf die Nerven geht, mehr für Brodie, als sie es sich selbst und vor allem ihm eingestehen darf. All das ist kaum überraschend, ebensowenig wie die Tatsache, dass der P.I. Unglück, Missverständnisse und Konflikte magnetisch anzuziehen weiß. Der einsame Wolf Brodie lebt in der gleichen Wirklichkeit wie sein von Guy Pearce verkörperter Kollege Jack Irish (Jack Irish: Bad Debts, AUS 2012) nach den Romanen Peter Temples oder der von Robert Galbraith alias J.K. Rowling ins Leben gerufene, von Tom Burke dargestellte Londoner Cormoran Strike (Strike - Staffel 1, UK 2017). Mit letzterem teilt er obendrein eine junge und attaktive Bürokraft, wobei Deborah vor allem für bissig-sarkastische Kommentare zuständig ist, die Brodies Kämpfe gegen Windmühlen hin und wieder in das ihnen angemessene Licht rücken. De facto sind die Figuren und ihre Darsteller neben den wunderbar bebilderten Drehorten in und um Edinburgh die Stärke der Serie, die es 2011 und 2013 auf zwei Staffeln mit insgesamt 9 Episoden brachte. Während die erste drei Buchverfilmungen mit sechs einstündigen Folgen beinhaltet, sind die drei Fernsehfilme der zweiten Staffel jeweils knapp 90 Minuten lang. Die letzten zwei Episoden beruhen nicht auf einem Roman Kate Atkinsons, da das fünfte (und bis dato letzte) Werk der Reihe überhaupt erst 2019 erschien.
“The characters are very real and present, and the performances all top notch, especially Isaacs (…) The plots sometimes rely heavily on coincidence”, schlussfolgert Jeremy Blitz für DVD Talk und bringt in solcher Kürze vieles auf den Punkt. Dass nämlich zu Beginn nicht miteinander verknüpfte Geschehnisse sich über Kurz oder Lang als Teile desselben Puzzles entpuppen, erscheint mitunter konstruiert und unglaubwürdig. Zwar ist für den Zuschauer solcher Sand im Getriebe nur selten spürbar, dennoch wird man hin und wieder stutzig. Alles in allem ist Case Histories in beiden Staffeln jedoch eine willkommene Ergänzung zum Neo Noir im Serienformat und bietet dank diverser Rollencharaktere am Rand nachtschwarzer Abgründe einen gesteigerten Unterhaltungswert. Für Freunde der genannten TV-Serien mit Private Eye und für solche des Nordic Noirs aus Skandinavien ist die Adaption der Bücher Kate Atkinsons allemal zu empfehlen.
Es gibt von der Staffel 1 und der Staffel 2 eine jeweils bild- und tontechnisch exzellente deutsche 3-DVD-Box (2014) - keine BD - der Edel Music & Entertainment GmbH ungekürzt im Originalformat mit der original englischen Tonspur sowie einer deutschen Synchronisation, jedoch komplett ohne Untertitel, was in Anbetracht des schottischen Englischs der Serie im Grunde ein Unding ist. Für all diejenigen, die eine stark im Lokalkolorit verhaftete Produktion unbedingt im Original sehen wollen, ist die englische Originalausgabe als 4-DVD-Box (2014, beinhaltet beide Staffeln) von Ruby Film and Television Ltd. die bessere Wahl, da sie englische Untertitel bietet und technisch der deutschen Edition ebenbürtig ist.