Mylène Demongeot, Maurice Ronet, Jean Servais, Françoise Prévost, Jean Lara
© Verlag für Filmschriften Christian Unucka
Paris, Frankreich: Die 20-jährige Sylvie Malette (Mylène Demongeot) ist ein erfolgreiches Model und arbeitet exklusiv für das Modemagazin Prestige de Paris, wo ihr Ehemann Jean Malette (Maurice Ronet) als leitender Bildredakteur tätig ist. Heute ist Sylvie im Fotostudio des Magazins bei einem Shooting, währenddessen sie ein kostspieliges Diadem vorführt. Als die Scheinwerfer eingestellt weden, kommt André Reverdy (Jean Servais) ins Studio, der steinreiche Inhaber und patriarchalische Chef seines Modeimperiums. Er grüßt Sylvie und das Model schenkt ihm ein Lächeln, bevor der Fotograf (Henri Maik) zu verstehen gibt, dass er die Aufnahme im Kasten habe. Schon wird Sylvie das Diadem wieder abgenommen, als Reverdy zu ihr tritt, es ihr erneut an den nackten Hals heftet und seinem Bedauern Ausdruck gibt, dass sie sich davon trennen müsse, seien sie und der Schmuck doch wie füreinander gemacht. Sie sei hübsch, er sei reich, so sollten laut André Reverdy alle Liebesgeschichten beginnen… Per Gegensprechanlage gibt der Fotograf im Studiokeller Jean Mallet in der Bildredaktion Bescheid, dass die Aufnahmen fertiggestellt seien. Jener greift sich sein Jackett und begibt sich eilends hinunter, ist doch das Layout für die nächste Ausgabe des Magazins unter seiner Aufsicht inzwischen fertiggestellt worden. Der Fotograf verspricht ihm die Probeaufnahmen innerhalb der nächsten 10 Minuten. Jean Mallet ist jedoch kaum bei der Sache, da André Reverdy, der seinen Bildredakteur betont kühl begrüßt, unverhohlen mit Sylvie flirtet...
So einfach und fast banal sich das Grundgerüst der Kriminalgeschichte auch ausnimmt, so bemerkenswert und großteils erstklassig ist alles drumherum. Die Verfilmung des Romans Un Silence de Mort (EA 1956) des französischen Schriftstellers Michel Lebrun durch den Drehbuchautor und Fernsehregisseur Maurice Cazeneuve wird heutzutage von Cineasten gern mal genannt, weil sie im Jahr 1963 auf einer Liste der US-amerikanischen Regielegende Stanley Kubrick platziert war, mit der jener damals seine 10 Lieblingsfilme aller Zeiten auswies. Dieser Hinweis führte in den letzten Jahren zu einem gesteigerten Interesse an Cazeneuves erster und zeitlebens einziger Regiearbeit fürs Kino, die als Die Nacht und ihr Preis auch in bundesdeutschen Kinos zu sehen war. Ein junger, erfolgreicher Mann ist mit einem Model verheiratet; die beiden lieben sich und führen eine im Kern glückliche Ehe, indessen ihr geneinsamer Chef, ein machtbesessener, reicher Zyniker, sich nach der Ehefrau seines Mitarbeiters verzehrt und ihm das Leben zur Hölle macht… Der Freund des Film Noirs weiß, wohin das führen muss, und genau das tut es auch – die Handlung ist bis zu dem Punkt vorhersehbar. Doch dann stellt Jean Mallet fest, dass ihm ein Fehler uterlaufen ist und dass sein berufliches Dasein bis dato nur eine Vorhölle war, aus der er jetzt in wahrhaft qualvolle Umstände größter Ungewissheit eintritt, die auch seine Ehe auf die Probe stellen. Denn André Reverdy ist wohlauf, versteht die Situation seines leitenden Angestellten bis ins Detail und will Sylvie Mallet nach wie vor für sich gewinnen. Autor und Regisseur Maurice Cazeneuve gelingt es mit Bravour, die Dramaturgie zuzuspitzen und das Talent seines legendären Kameramanns Léonce-Henri Burel (Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen, FRA 1956) für sein Werk zu nutzen.
“Much of the film’s hypnotic power is owed to Léonce Henri Burel’s eerily atmospheric photography, which gives the film a distinctive noir feel“, schreibt James Travers für French Films und berücksichtigt ebenfalls die Ästhetik des Films, die jenen weit über sein Budget hinausträgt. Hinzu kommen die Leistungen der Darsteller im Zentrum der Erzählung – Maurice Ronet, Mylène Demongeot und Jean Servais sind allesamt exzellent und werfen über die gesamte Laufzeit ihr Talent sichtbar und spürbar in die Waagschale. Neben der Kameraarbeit beeindruckten mich persönlich die Drehorte im Paris der 50er Jahre, die wie die Schauspieler mit Sorgfalt ausgewählt scheinen und ihrerseits zum Gelingen der Romanverfilmung beitragen. Die Nacht und ihr Preis gehört bis heute zu den über die Landesgrenzen Frankreichs kaum bekannten Beispielen eines Film Noirs, der an der Schwelle zur allgenmein bejubelten Nouvelle Vague die gewachsene Expertise und das hohe Niveau der Filmproduktion à la française unter Beweis stellt. Für Freunde einer europäischen Film-Noir-Tradition ist das heute längst obskure Werk unbedingt zu empfehlen. Stanley Kubrick wusste, warum es ihm so nachhaltig im Gedächtnis geblieben war.
Unter dem Originaltitel Cette nuit là… gibt es eine französische DVD-Edition (2014) von René Chateau Video, die bild- und tontechnisch einwandfrei ist, dazu den Film im Originalformat mit einer Laufzeit von 90 Minuten (PAL) beinhaltet. Online verzeichnen mehrere Quellen die Spieldauer des Werks mit 100 Minuten, doch ist mir selbst nie eine Fassung mit dieser Laufzeit untergekommen. Auf der DVD gibt es zum französischen Originalton keine Untertitel in anderen Sprachen.