Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen

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Bewertung
*****
Originaltitel
Un condamné à mort s'est échappé ou Le vent souffle où il veut
Kategorie
Film Noir
Land
FRA
Erscheinungsjahr
1956
Darsteller

François Leterrier, Charles Le Clainche, Maurice Beerblock, Roland Monod, Jacques Ertaud

Regie
Robert Bresson
Farbe
s/w
Laufzeit
100 min
Bildformat
Vollbild
 

 

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Lyon, 1943: Frankreich ist von den Soldaten der deutschen Wehrmacht besetzt und sie bekämpft die Mitglieder der französischen Résistance, die sie in der Strafvollzugsanstalt Fort Montluc gefangen hält. Auch Lieutenant Fontaine (François Leterrier) soll im Wagen dorthin transportiert werden. Doch während seine beiden Mitgefangenen auf der Rückbank mit Handschellen aneinander gekettet sind, gelingt es Fontaine, bei einem Halt die Tür zu öffnen und hinauszuspringen. Aber ein zweiter Wagen mit Soldaten folgt dem der Gefangenen. Schüsse fallen und Fontaine wird im Nu gefasst und wieder in den Wagen gezerrt, mit Handschellen gefesselt und geschlagen. Im Gefängnis wird er brutal verprügelt, bevor er in einer kargen Einzelzelle auf eine Pritsche geworfen wird. Einem ersten Verhörtermin kann er sich mit einem Trick entziehen. Es gelingt ihm, aus dem Fenster in den Hof zu blicken, wo er drei gut gekleidete Freigänger sehen kann. Einer von ihnen ist Terry (Roger Treherne), der Fontaine mitteilt, dass es einen Weg gäbe, Nachrichten aus dem Gefängnis heraus zu bringen. Er wirft Fontaine eine Kordel zu. Damit kann Fontaine ein Säckchen aus dem Fenster herab lassen und erhält von Terry Brot, Papier und einen Stift. Mit einem Brief will Fontaine seine Widerstandsgruppe darüber informieren, dass die Deutschen ihren Code entschlüsselt hatten - wohl wissend, wie gefährlich das Vertrauen in Terry ihnen allen werden kann. Doch er geht das Risiko ein und erhält sogar eine Sicherheitsnadel, mit der er zum ersten Mal seit der Verhaftung seine Handschellen öffnen kann…
 
“This 1956 film noir, directed by Robert Bresson presents a grim but inspirational story that unfolds during the German occupation of France”, schreibt Lawrence D. Devoe in einer Rezension der BD-Edition (2013) aus der Criterion Collection für Blu-rayDefintion.com. Nun ist klar, dass solches Gefängnisdrama kein Film Noir in der Tradition des US-Kinos der Vierziger ist oder sein will, zugleich stilistisch und motivisch aus Quellen gespeist wurde, die auch im US-amerikanischen Film Noir einen Niederschlag fanden. So gibt es den Erzähler, der durch die Filmhandlung leitet und mit dem Protagonisten, Lieutenant Fontaine, identisch ist. Vor allem ist die Kameraarbeit von Léonce-Henri Burel aus einer langen Tradition gespeist. Jener war seit den frühen Tagen des Stummfilms aktiv und hatte u.a. Abel Gances episches Meisterwerk des Stummfilms, Napoleon (FRA 1927), bebildert. Anders als in den USA und in England ist der Film Noir im Frankreich der Vierziger und Fünfziger vor allem durch herausragende Einzelwerke und Regisseure definiert, etwa Jacques Becker, Jean-Pierre Melville, Henri-Georges Clouzot und Yves Allegret. Unter diesen eigenwilligen Köpfen, die bald das Tor zur Nouvelle Vague öffneten, nimmt Robert Bresson nochmals eine Sonderstellung ein. Auch Robin Buss hat in seinem Buch French Film Noir (EA 1994) explizit auf Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen hingewiesen:“Un condamné à mort s'est échappé, though not a crime story, is one of the greatest suspense films and arguably a great film noir.”
 
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Gefängnisfilme haben auch im Film Noir eine Tradition und waren vereinzelt schon herausragende Vorläufer oder auch Beispiele des Filmstils, etwa mit Each Dawn I Die (USA 1939), Zelle R 17 (USA 1947) und Verlorene Frauen / Frauengefängnis (USA 1952). Hier fügt sich Robert Bressons Film nahtlos ein, der sich die gleichnamigen Memoiren des in Lyon gefangenen Widerstandskämpfers André Devigny (EA 1956) zur Vorlage nahm. Aus der häufig vorexerzierten Thematik eines geplanten Gefängnisausbruchs holt Bresson mit sparsamsten Mitteln das Maximale heraus. Da sich die Kamera auf Fontaine, seine Gedanken und sein Tun fokussiert, die Umgebung aber ausspart, bleibt der Zuschauer konsequent in einer Ungewissheit über Umstände und Unwägbarkeiten der Lage. Zu keiner Zeit weiß er mehr als Fontaine selbst. Unter weitgehendem Verzicht auf Musik und sonstige Zusatzstoffe verfolgt die Handlung minutiös die Abfolge der Ereignisse, die den Ausbruch vorbereiten helfen. ´Der erzielte Spannungsbogen, der dank einer straffen Dramatik im letzten Drittel des Films zu einer ungemeinen Zuspitzung führt, macht den Film zu einem Meisterstück europäischen Erzählkinos. Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen kam 1961 sogar in der Bundesrepublik Deutschland ins Kino. Demgegenüber blieben viele Nachkriegsfilme, die explizit mit dem Dritten Reich abrechneten, ausgespart und fanden erst in den 70er / 80er Jahren ihren Weg ins Fernsehen. Unübersehbar ist der Einfluss auf Jacques Beckers ebenfalls auf einer wahren Begebenheit beruhenden, ähnlich inszenierten Film Das Loch (FRA/ITA 1960). Von den 13 Spielfilmen Bressons, der 1959 mit Pickpoket erneut zum Film Noir fand, sind in Deutschland nur drei auf DVD publiziert worden, der mehrfach preisgekrönte Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen jedoch leider nicht.
 
Neben BD und DVD (2013) in der Criterion Collection, USA, gibt es eine bildtechnisch exzellente englische DVD-Ausgabe (2008) von Artificial Eye mit dem Film ungekürzt im Originalformat und französischem Ton inklusive englischer Untertitel. Ein Muss für jeden Cineasten!
 

Film Noir | 1956 | France | Robert Bresson | Léonce-Henri Burel

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