Michael Boatman, Richard Anderson, Bernie Casey, Michael Ironside, Lori Petty
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Im Los Angeles County, Südkalifornien, erfüllt sich für den Afroamerikaner John Johnson (Michael Boatman) nach bestandener Abschlussprüfung ein Lebenstraum. Er beginnt als Deputy Sheriff in der Edgemar Station des Los Angeles Sheriff’s Departments in Santa Monica unter der Leitung des Watch Commanders Clarence Massey (Richard Anderson). Als er am ersten Tag seinen Wagen auf dem Parkplatz abstellt, wird er von Sergeant Chuck Gilmore (Gary Wood) laut und bestimmt darauf hingewiesen, dass die Plätze Polizeibeamten vorbehalten seien, worauf ihm J.J. seinen Ausweis vorhält. Als Massey zur Morgenbesprechung den Frischling Johnson seiner Mannschaft vorstellt, fällt die Begrüßung seitens Deputys Kurt Smith (Corbin Rimbrock) auffällig kurz und ohne Handschlag aus. Johnson ist der einzige dunkelhäutige Mann in der Edgemar Station, so wie Deputy Deborah Field (Lori Petty) die einzige Frau und einzige Jüdin. Als Johnson und Gilmore das erste Mal gemeinsam Streife fahren, stoppen sie eine zu schnell fahrende Afroamerikanerin (Gaye Shannon-Burnett) in ihrem Cabriolet. J.J. steigt aus und begibt sich zu der jungen Frau, um ihr die Leviten zu lesen, doch ist sie ihm auf Anhieb so sympathisch, dass er sie ziehen lässt. Das lässt Chuck Gilmore J.J. nicht durchgehen und verfolgt die Frau mit eingeschalteter Sirene, um Deputy Johnson vor ihren Augen zu demütigen, indem er ihr ein Bußgeld aufbrummt. Und bald ist es auch der eingangs scheinbar so joviale Clarence Massey, der es auf Johnson abgesehen hat…
“Underrated neo-noir with beautiful visuals and fantastic performances (…) in the vein of Paul Schrader“, schreibt Christopher M. Jones über diesen ersten kommerziellen Spielfilm des Kult-Regisseurs Charles Burnett, der in vieler Hinsicht ungewöhnlich und der letzten Endes doch nicht außergewöhnlich ist. Es ist die Erzählweise des Autoren und Regisseurs Burnett, die von Anbeginn irritiert und die mich deshalb fesselte, da das Augenmerk in aller Seelenruhe auf solchen Details liegt, die ansonsten gern ausgespart werden. Exakt daran knüpft auch Christopher M. Jones mit seinem Hinweis an: Wie die Charaktere ins Gespräch finden, wie sie sich taxieren, angiften und voreinander posieren, all das erinnert verblüffend an Paul Schraders Blue Collar - Kampf am Fließband (USA 1978) - an einen Film, der gleichermaßen das Verhältnis der ethnischen Gruppen zueinander und zur Obrigkeit ins Visier nahm und der gleichermaßen von seinen exzellenten Schauspielern profitiert. The Glass Shield ist von Anbeginn so ziemlich alles, nur nicht das typische Cop-Drama mit seinen ebenso typischen, korrupten Mächtigen und seinen durch und durch ehrlichen Selfmade-Helden aus der Arbeiterklasse. Das Werk ist um vieles komplexer, lässt Deputy Johnson unterm Einfluss des Systems, dem er zugehörig ist und zugehörig sein will, in die Falle tappen, welche ihn gar von seiner Verlobten Barbara Simms (Victoria Dillard) zu entfremdem droht. An solchen Stellen merkt man, dass Charles Burnett sicher auch Sidney Lumets Prince Of The City – Die Herren der Stadt (USA 1981) zu schätzen weiß und sich nicht völlig absichtslos in dessen Fahrwasser begibt. The Glass Shield ist ein Film über Korruption und Courage, über Loyalität und Verrat, ein vielschichtiges Drama, das viele Fragen stellt und längst nicht alle beantworten kann oder beantworten muss.
Die frühen 90er Jahre waren eine gute Zeit für den Neo Noir und für Filmdramen, die sich dem Antisemitismus und grundsätzlich rassistischen Strömungen in westlichen Industrienationen widmeten. David Mamet brachte Homicide – Mordkommission (USA 1991), Bill Duke Jenseits der weißen Linie (USA 1992) und Boaz Yakin Fresh (USA/FRA 1994), allesamt couragierte und bis heute relevante Werke weit abseits der üblichen Thriller-Routine Made in Hollywood. Insofern passt Charles Burnetts Film in seine Zeit, ohne allerdings in ihr verhaftet zu sein. Es ist fast erschreckend zu sehen, in welchem Ausmaß diese vor 25 Jahren skizzierten Szenen absolut nichts von ihrer Aktualität und Dringlichkeit verloren haben. M. Emmett Walsh und Michael Ironside sind als zutiefst korrupte, vollends zynische und gewaltbereits Police Detectives schlicht fantastisch, aber auch Bernie Casey, Richard Anderson und Victoria Dillard sowie Lori Petty und Michael Boatman können auf ganzer Linie überzeugen. Schwach ist der unerwartet hastige Schlussteil, der den ruhigen Erzählfluss abrupt stoppt und den Zuschauer ein wenig ratlos zurücklässt. Hier wäre mehr drin gewesen: hier hätte mehr drin sein müssen. Charles Burnett entlässt uns zu früh aus einer Welt, die er eingangs mit großer Intensität zu bevölkern weiß. Dennoch ist The Glass Shield ein Film, den ein dem Neo Noir zugeneigte Cineast ganz sicher nicht bereuen wird gesehen zu haben.
In Deutschland lief der Film unter dem rätselhaft banalen Titel Auf Ehre und Gewissen lediglich im Fernsehen, und so erschien er 2007 auch via KSM GmbH als DVD – im Vergleich zur US-DVD (NTSC) um 12 Minuten kürzer und ohne englische Tonspur. Einzig zu empfehlen ist daher die in England beim British Film Institute (BFI) in einer neuerlich bild- und tontechnisch hochwertig restaurierten Fassung mit BD und auch einer DVD versehene Dual Format Edition (2017) mit dem Film ungekürzt im Originalformat, dazu die englische Tonspur inklusive optional englischer Untertitel sowie ein 26-minütiges Interview mit Charles Burnett, ein Filmessay von Bridget Minimore im beigefügten Booklet und zu guter Letzt den Kinotrailer als Extras. Vorbildlich!