Bewertung
***
Originaltitel
Sono gosôsha wo nerae: 'Jûsangô taihisen' yori
Kategorie
Post Noir
Land
JPN
Erscheinungsjahr
1960
Darsteller
Michitaro Mizushima, Mari Shiraki, Misako Watanabe, Shinsuke Ashida, Shôichi Ozawa
Regie
Seijun Suzuki
Farbe
s/w
Laufzeit
79 min
Bildformat
Widescreen
Ein Gefangenenbus ist im Dunkel der Nacht auf dem Weg ins Gefängnis. Der bei den Gefangenen beliebte Wächter Daijiro Tamon (Michitaro Mizushima) begleitet die mit Handschellen und Seilen gefesselten Insassen. Unter ihnen sind der streitsüchtige Fuyukichi Tatsuma und der besonnene Goro Kashima (Shôichi Ozawa). Letzterer schreibt mit dem Finger „AKI“ von innen auf die beschlagene Scheibe, als am Straßenrand eine Frau (Mari Shiraki) sichtbar wird, die dem Bus hinterher blickt. Tamon möchte von Goro wissen, wer das war, doch der Häftling, der am darauffolgenden Tag entlassen wird, weicht ihm aus... Auf einem Straßenabschnitt außerhalb der Stadt, wo mehrere Schilder vor der Gefahr durch Unfälle warnen, überprüft ein Scharfschütze die Einstellungen seines Gewehrs mit Zielfernrohr. Als der Bus erscheint, entfernt ein zweiter Mann den Stein unterm Reifen eines Lastwagens, der auf die Straße rollt und den Gefangenentransport rammt. Es fallen Schüsse und sowohl Fuyukichi als auch ein anderer Häftling, Ryuta Komine, der versucht, sich nach Lösen seiner Fesseln aus dem Bus zu retten, werden getötet… Die Tageszeitungen berichten über das Verbrechen und erwähnen, dass Daijiro Tamon für sechs Monate vom Dienst suspendiert wird. Seine Haushälterin (Toyo Fukuda) findet das unerhört, doch Tamon nimmt es gelassen. Er beschließt, die Fahndung nach dem heimtückischen Attentäter selbst in die Hand zu nehmen. Auf der Suche nach dem entlassenen Goro führt ihn eine erste Spur ins Restaurant Kamogawa. Die Kellnerin Osen (Reiko Arai) versichert ihm, dass Goro Kashima nicht hier sei, bis Tamon einen Notizblock mit dem aufnotierten Wort „AKI“ entdeckt…
Seijun Suzuki ist in der Geschichte des japanischen Films alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Insbesondere seine schonungslosen, für ihre Zeit gewagten Film Noirs, die er ab den Spätfünfzigern für das Studio Nikkatsu produzierte, zeigen die Einflüsse des US-amerikanischen B-Films und erweisen sich doch als so eigenständig wie stilbildend. In der Art seiner Inszenierung lassen sich Parellelen zum seinerzeit ebenso radikal dem B-Film und dem eigenen Gestalungswillen verpflichteten Samuel Fuller feststellen. Take Aim At The Police Van besticht durch unbändige Dynamik im Voranschreiten der Handlung und durch die Kameraarbeit Shigeyoshi Mines, mit dem Suzuki auch weiterhin zusammenarbeitete. Auffällig sind Bildkompositionen, darin mehrere Bühnen sichtbar werden und so eine Teilung des Bildraums bewirkt wird. Zugleich ist auch die Licht-Schatten-Akrobatik vieler Nachtsequenzen bemerkenswert, ebenso wie die oft ungewöhnliche Schnittfolge und die Nutzung von Close-Ups. Wer sich Fullers Vierzig Gewehre (USA 1957) oder The Crimson Kimono (USA 1959) in Erinnerung ruft, wird bei Seijun Suzuki eine Seelenverwandschaft erkennen. Interessant ist auch, dass Fuller ein Freund und Verehrer japanischer Kultur war und 1955 als erster US-amerikanischer Regisseur nach dem Zweiten Weltkrieg vor Ort in Japan seinen Film Noir Tokio-Story drehte.
Aber wie häufig bei Fuller wird auch bei Suzuki die Geschichte in ihrem Verlaub sukzessive verworrener und damit weniger interessant, da sie ihre Fäden verliert, anstatt sie zusammenzuführen und dauernd neue Personen und Zusammenhänge konstruiert. In einer Spielzeit von nur 79 Minuten führt es zu abrupten Wechseln in den Schauplätzen, unglaubwürdigen Zusammentreffen oder Koinzidenzen. Und währen reihenweise Gangster kurzerhand erschossen werden, erhalten die Protagonisten stets erneut Gelegenheit, ihren Häschern, die sich für deren Beseitigung in unnötig komplizierten Ritualen ergehen, von der Klinge zu springen. Dabei wirken Action-Sequenzen, will man sie so nennen, übermäßig in die Länge gezogen, was nicht zum Spannungsaufbau sondern eher zum Gegenteil führt. Take Aim At The Police Van ist ein Film für Cineasten und Film-Noir-Freunde, die sich an einer sorgfältigen und mit Blick auf die Drehorte bemerkenswerten Bildästhetik berauschen, mehr aber nicht. Der Jazz von Koichi Kawabe, deutlich von den US-amerikanischen Vorbildern beeinflusst, trägt ebenfalls zum passablen Gesamteindruck bei, auch die Schauspieler sind allesamt solide. Allein 1960 drehte Seijun Suzuki fünf Spielfilme, 1961 waren es sogar sechs. Allemal ist bemerkenswert, dass die Criterion Collection in ihrer DVD-Reihe Eclipse eine solche Seltenheit dem internationalen Connaisseur heutiger Tage zugänglich werden lässt.
Die Criterion Collection brachte als Eclipse Series 17 fünf Filme des Filmstudios Nikkatsu, einem der ältesten Japans, in der wunderbar editierten 5-DVD-Box (Regionalcode 1) unter dem Titel Nikkatsu Noir (2009). Bildtechnisch topp mit englischen Untertiteln und stets im Originalformat ist diese Box speziell für den Film-Noir-Freund oder für die Fans asiatischen Kinos.