Bewertung
***
Originaltitel
The Tender Hook / The Boxer And The Bombshell
Kategorie
Neo Noir
Land
AUS
Erscheinungsjahr
2008
Darsteller
Hugo Weaving, Rose Byrne, Matthew Le Nevez, Pia Miranda, John Batchelor
Regie
Jonathan Olgivie
Farbe
Farbe + s/w
Laufzeit
99 min
Bildformat
Widescreen
Sydney, Australien, Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts - die Sydney Harbour Bridge ist im Bau und der Jazz ist die Musik der prosperierenden Epoche bei Nacht. Iris (Rose Byrne) ist Freundin des Boxpromoters und in Drogenhandel, Alkoholschmuggel und andere krumme Geschäfte verwickelten Gangsters McHeath (Hugo Weaving). In dessen Rolls Royce und in Gesellschaft seiner Schergen Ronnie (John Batchelor) und Donnie (Tyler Coppin) fahren die beiden heute Nacht auf eine außerhalb der Stadt gelegene, bewegliche Brücke, worauf der schwere Wagen zum Stehen kommt. Ronnie und Donnie nehmen einen schweren Koffer vom Heck des Autos, darin sich der gefesselte und geknebelte Boxer Art Walker (Matthew Le Neve) befindet, den sie zum Brückenrand schleifen. Iris und McHeath wischen die beschlagenen Scheiben sauber, um freie Sicht zu haben... Drei Monate vorher: Art Walker wird in Sydney zum Kampf gegen Mike Flynn (Brendan Guerin) in 15 Runden antreten. Zuvor gibt sich der exzentrische McHeath die Ehre als Sänger und präsentiert sich mit einigen Musikern im Boxring als King Mac & The Subjects, wo er vor allem an seine Muse Iris gerichtet das Lied I’m Your Man zum Besten gibt. Und noch bevor Art Walker die Arena betritt, heftet er sich einen Weltkriegsorden seines Bruders Charlie (Damien Aylward) an den Bademantel. Das Boxen betreibt er nämlich, um dem Kriegsversehrten zu helfen. Als er in den Ring steigt, ist Iris sofort von ihm angezogen. Und auch Art bemerkt jene Frau, die aus ihen Reizen keinen Hehl macht…
“Set during Sydney’s Jazz Age, The Tender Hook infuses the look and doomed love-triangle storyline of a classical Hollywood film noir with a distinctively Australian edge”, schreibt Thomas Caldwell für Cinema Autopsy. Ja, es klingt vielversprechend und es lässt sich wunderbar an. Der Film profitiert ab der ersten Einstellung von der Arbeit seines Kameramanns Geoffrey Simpson, der das Niveau über die Strecke der 99 Minuten aufrecht hält. Beeeindruckend ist die Art und Weise, wie historische Dokumentaraufnahmen in die Handlung fast unaufdringlich integriert sind. Anstatt als Mätzchen einer elaborierten Technik zu fungieren, zeitigt es als Stilelement eine ganz eigene Wirkung und trägt zur atmosphärischen Dichte bei. Es ist offensichtlich, dass Autor und Regisseur Jonathan Olgivie seine Geschichte dank einer der Epoche entsprechenden Oberfläche mit Glaubwürdigkeit und mit Schauwert aufzupeppen hofft. Und dies gelingt ihm sogar: Produktionsdesign und Kostüme lassen das Werk passagenweise wie eine A-Produktion aus Hollywood aussehen. Auch das Ensemble kann überzegen, mit Hugo Weaving und Rose Byrne in den besten Rollen, demgegenüber andere Akteure - etwa Tyler Coppin und John Batchelor als Duo übler Kanaillen - zwar ebenso gute Leistungen zeigen, ihre Rollen aber wenig hergeben. Und hier liegt der neuralgische Punkt, warum The Tender Hook in letzter Konsequenz seine Zuschauer nicht packt. Die Rollencharaktere bleiben Stereotypen und ihre Geschichte eifert in einem geruhsamen Tempo ihren Inspirationsquellen nach, ohne je an sie heranzureichen.
“You’re either a leader, or you’re a bleeder.” Ja, das Drehbuch zeigt an einigen Stellen Biss und den für einen Film Noir typischen Sarkasmus. Aber es reicht nicht, reicht bei weitem nicht. Das Milieu des Boxsports, in jenen Jahren mit dem organisierten Verbrechen verbandelt, diente im klassischen Film Noir häufig als die Bühne des Geschehens - und sogar schon davor. Sowohl in Michael Curtiz’ Kid Galahad (USA 1937) als auch in Busby Berkeleys Zum Verbrecher verurteilt (USA 1939) spielt das Verhältnis eines Boxprofis zur Dame seines Herzens eine wichtige Rolle – im ersten Fall ist es ebenfalls die Frau seines Managers. Nach den klassischen Film Noirs im Boxkampfmilieu wie z.B. Jagd nach Millionen (USA 1947) kommt für The Tender Hook vor allem der B-Film Teufel in Blond (UK 1953) als Quelle in Frage, darin Lorna Vecchi (Barbara Payton), junge Ehefrau eines betuchten Mafiosi und Boxpromoters (Frederick Valk), dessen Nachwuchsboxer Johnny Flanagan (Tony Wright) für ihre Zwecke missbraucht. Gemessen an solcher Billigproduktion, gelingt Jonathan Olgivie in seinem Neo Noir vor allem in Sachen Inszenierung und deren Detailversessenheit weitaus mehr. So besuchen die zentralen Rollencharaktere ein Kino, darin Alfred Hitchcocks Der Weltmeister (UK 1927) gezeigt wird - die Geschichte zweier Boxer, die um dieselbe Frau kämpfen. Zu guter Letzt jedoch ergeht es The Tender Hook wie Oliver Parkers Fade To Black (UK/ITA/SRB 2006) oder Michael Manns Public Enemies (USA 2009). Atmosphäre und Ausstattung können seine allzu bekannte und substanzarme Geschichte nicht übertünchen. Schade, denn hier wurde viel Potential verspielt.
Sowohl die australische DVD (RC4) von Accent Film Entertainment (2009) als auch die bei Screen Media Ltd. (2011) als The Boxer And the Bombshell veröffentlichte kanadische DVD-Edition (RC1) bieten den Film ungekürzt im Originalformat mit englischem Ton und englischen Untertiteln, bildtechnisch topp.