Siegfried Breuer, Gunther Philipp, Eva Leiter, Curd Jürgens, Edith Mill
© Verlag für Filmschriften Christian Unucka
Wien, Österreich: Im Kino läuft ein US-amerikanischer Kriminalfim, darin Gangster des Nachts auf einer Landstraße von Polizeibeamten in einem Hinterhalt unter Beschuss genommen werden. Schließlich ergeben sie sich und die vermeintliche Leiche, die zuvor aus dem Auto geworfen wurde, entpuppt sich als quicklebendige Blondine, die einem der Polizisten um den Hals fällt… Als im Saal das Licht angeht, nimmt Kriminalassistent Sylvester Jellinek (Gunther Philipp) seinen Hut und strebt dem Ausgang zu. Kurz spricht er noch mit dem Kinobetreiber Gintzinger, dem er sein Leid klagt, dass nämlich derlei Kriminalfälle nicht zu seinem Alltag bei der Polizei gehörten. Aber der winkt ab, denn das Kino und das wirkliche Leben seien eben zwei verschiedene Paar Schuhe. Zu inzwischen später Stunde geht Jellinek über den regennassen Asphalt durch verwinkelte Gassen in Richtung des Polizeireviers. Als er einen Mann im Rinnstein liegen sieht, stockt ihm der Atem, doch es ist nur ein Betrunkener, der lieber dort bleiben möchte, als sich auf den Heimweg zu seiner Frau zu begeben… Auf dem Polizeirevier hat Kollege Pladinger Nachtdienst und der Kriminalassistent erkundigt sich, ob irgendetwas von Interesse anliege. Aber es ist nur eine Kleinigkeit: In der Chemico AG sind 2400,- Schillinge offenbar aus einem Tresor verschwunden und der wenig begeisterte Jellinek soll am nächsten Morgen in der Sache ermitteln…
Von der österreichischen Filmklassik kennt man international in der Regel Sissi (AUT 1955), Hallo Dienstmann (AUT 1952) oder Der Kongress tanzt (AUT 1955), indessen eine biestige Komödie wie Der Herr Karl (AUT 1961) den Wienern vorbehalten blieb. Zudem ist ein in Wien spielender Klassiker der Klassiker wie Der dritte Mann (UK 1949) eben kein österreichischer Film. Allerdings spielt Siegfried Breuer - Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller von und in Schuss durchs Fenster - neben anderen aus Österreich und aus Deutschland stammenden Schauspielern auch in Carol Reeds legendärem Film Noir. Der dritte Mann hatte seine Premiere am 1. September 1949 in London, indessen Schuss durchs Fenster am 17. Januar 1950 in Frankfurt am Main uraufgeführt wurde. Kaum zu glauben also, dass Breuer auch in dem nur 4 Tage zuvor, am 13. Januar 1950 in Österreich gestarteten Kriminaldrama Prämien auf den Tod (AUT 1950) eine tragende Rolle innehat. Letzterer war die erste Regiearbeit des aus München stammenden Curd Jürgens, der im Film auch mitspielte und als Co-Autor am Drehbuch geschrieben sowie die zugrundeliegende Erzählung geliefert hatte. Breuer und Jürgens hatten also parallel im Film des jeweils anderen mitgewirkt und auch die Schauspielerinnen Ilse Trenker und Edith Mill sind in beiden Werken mit von der Partie. Die wirkliche Hauptrolle spielt in Schuss durchs Fenster jedoch Gunther Philipp, und sein Kriminalassistent Sylvester Jellinek ist keinesfalls so „tollpatschig“, wie er im Pressetext angepriesen wird. Man möchte meinen, der ab 1968 im US-Fernsehen als Police Inspector Columbo populäre Peter Falk habe sich die Unbeholfenheit als Masche, die Jellinek zelebriert, bei ihm abgeschaut. Leider begeht Breuer als Regisseur den Fehler, seine Figur in vermeintlich komische Situationen zu zwingen. Das geht daneben, verträgt doch der Film zwar den ironischen Unterton, der seinen Beginn kennzeichnet, nicht aber die Slapstick-Einlagen, welche dem Ganzen jedesmal eine überflüssige Schieflage verleihen.
Zu Beginn ist Schuss durchs Fenster ein ganz und gar simpel angelegter Kriminalfilm mit einer typischen Fragestellung: Wer ist der Mörder? Aber Kriminalkommissar Rittner (Siegfried Breuer) ist durch und durch arrogant. Er schließt Jellinek von den Ermittlungen aus und der unschuldige Dr. Kurt Winkler (Curd Jürgens) wird in Haft genommen. Zudem ist Siegfried Breuer, der den US-amerikanischen Gangsterfilm in jener triftigen Eröffnungsszene lächerlich macht, von Einflüssen des US-Kinos keinesfalls frei. Seine Ganoven treffen sich im Nachtclub Der weiße Kakadu, wo die Sängerin Grit Sorell (Eva Leiter) die Geliebte des bei der Chemico AG als Fahrer angestellt Strinzel (Hans Putz) ist, der seinerseits in dunkle Machenschaften verwickelt scheint… Vor allem aber sorgt der österreichische Kameramann Helmuth Ashley für die für einen Film Noir nötige Bildsprache, seinerseits von nächtlichen Szenarien, wie sie auch in Der dritte Mann (UK 1949) den Charakter des Werks bestimmen, eindeutig beeinflusst. Ashley stand in den 50er Jahren für weitere deutschsprachige Film Noirs hinter der Kamera, so etwa bei Emil E. Reinerts Gefährliches Abenteuer/ Abenteuer in Wien (AUT/USA 1952) oder bei Werner Klinglers Banktresor 713 (GER 1957) Siegfried Breuer verstarb 1954 im Alter von lediglich 47 Jahren. Curd Jürgens wurde während der 50er und 60er Jahre zu einem der erfolgreichsten deutschen Schauspieler des europäischen Nachkriegskinos.
Es gibt eine bild- und tontechnisch einwandfrei restaurierte, deutsche DVD-Edition (2017) der Icestorm Distribution GmbH in deren Reihe Krimi-Klassiker, ungekürzt und im Originalformat mit dem deutschen Originalton und (leider) ohne Untertitel und außer einer Trailershow für weitere Filme auch ohne Extras.