Naomie Harris, Tyrese Gibson, Frank Grillo, Mike Colter, Reid Scott
© Screen Gems, Inc.
New Orleans, Louisiana: Die Afroamerikanerin Alicia West (Naomie Harris) war für ihre Heimat als G.I. in Afghanistan und ist seit kurzem Polizeibeamtin. Am heutigen Morgen joggt sie und wird von einer Polizeistreife angehalten. Die beiden weißen Beamten (Ron Mars, Tony Janning) unterziehen sie einer aggressiv durchgeführten Leibesvisitation, bevor sie aufgrund ihrer Polizeimarke erkennen, dass es sich um eine Kollegin handelt. Indessen sich der eine für das Vorgehen entschuldigt, zeigt ihr der zweite, dass er sie in der umliegenden Nachbarschaft, wo auch Alicia wohnt, nicht für die richtige Gesellschaft hält… Sie läuft weiter zum Lafayette Cemetery No 2 und bringt ihrer vor kurzem gestorbenen Mutter Thelma frische Blumen an deren Grabstätte. Auf dem Polizeipräsidium trifft sie später ihren Kollegen Kevin Jennings (Reid Scott), ebenfalls weißer Hautfarbe, mit dem sie heute Streife fahren wird. Kevin mag und respektiert sie. Als er ihre gedrückte Stimmung bemerkt, versucht er sie etwas aufzuheitern. Die beiden, jeder in kugelsicherer Weste mit aufgeschnallter Body Cam, fahren im Streifenwagen durchs Armenviertel Kingston Manor in New Orleans, wo in verfallenden Häusern vor allem afroamerikanische Bürger ihr Dasein fristen. Kevin erzählt seiner neuen Kollegin, dass auf deren Anrufe die Polizei nicht mal mehr reagiere. Als er an einem Supermarkt Kaffee holt, bemerkt Alicia vom Auto aus eine afroamerikanische Frau (Nafessa Williams) in Gesellschaft von zwei Männern und einem Jungen (Carsyn Taylor), womöglich ihrem Sohn…
“It’s a big-city (…) modern-day film noir in which a wrongly accused character tries to clear her name before it’s too late”, schreibt Christy Lemire in ihrer Rezension für RogerEbert.com über diesen Thriller des afroamerikanischen Regisseurs Deon Taylor und seines weißen Autors Peter A. Dowling. Und sie benennt die zentralen Themen, die das Werk in kompromisslos pointierter Weise vorführt – Polizeiwillkür, Korruption und Rassismus. Im klassischen Film Noir à la Schachmatt (USA 1953) oder Im Zeichen des Bösen (USA 1958) waren es Einzelne, die dank ihrer Macht im Dienst des Staates entweder korrupt wurden oder zu territorialen Herrschern heranwuchsen. Spätestens mit Norman Jewisons In der Hitze der Nacht (USA 1967) und im Anschluss dank Sidney Lumets Serpico (USA/ITA 1973) wuchs dies zu einer Darstellung krimineller Machenschaften unterm Schutz des Rechtsstaats, zu einer Darstellung der zugunsten von Korruption und Rassismus etablierten Systeme. Was vor über 50 Jahren eine Welle der Empörung und mit Blick auf Courage und künstlerische Finesse auch eine Welle der Nominierung und Verleihung hochrangiger Filmpreise auslöste, ist Publikum und Filmkritik heute kaum ein Achselzucken wert. Polizeiwillkür, Korruption und Rassismus sind stets und immerdar ein Teil der Tagesnachrichten, deren sachgemäße Monotonie mitunter an Der Blade Runner (USA/HK/UK 1982) erinnert, ist die Welt des 21. Jahrhunderts doch längst im ethisch-moralischen Dunkel einer Zukunft angelangt, die seinerzeit ebenso faszinierend wie unwahrscheinlich schien. Rein technisch und architektonisch mag Black And Blue eine andere Art der Ruine unserer westlichen Hemisphäre abbilden. Moralisch jedoch ist der Dschungel der Bandenkriege von Söldnern mit oder ohne Polizeiuniform eine Bankrotterklärung der Staatsform Demokratie, deren Grundwerte niemand achtet und für die sich niemand interessiert. In diesem Film geht es für die einen um Macht und Geld, für die anderen nur ums nackte Überleben, und das jeweils einzig probate Mittel ist Gewalt.
“Every day on God’s green earth is a great day. Especially when you carry a gun and you got a bullet-proof vest.” Für Alicias Kollegen im Dienst, Kevin Jennings, sind solche Sätze eine Binsenweisheit. Er gibt sie seiner Kollegin mit auf den Weg, damit sich ihr durch die Rückkehr in ihre Heimatstadt entfachter Weltschmerz und die Enttäuschung über den rundum offensichtlichen Niedergang ihres ehemaligen sozialen Milieus ein wenig legt. Wer “Blue“ ist, also im Polizeidienst steht, hat eine gute Chance zu überleben, sofern er oder sie sich als Afroamerikaner/in im klaren ist, dass damit diejenigen der Gesellschaftsschicht “Black“ nicht länger Brüder und Schwestern sind. Es ist das Verdienst des Films, dass er via Alicia West diesen bitteren Kelch bis zur Neige leert, ohne in Schwarzweißmalerei zu münden. Naomie Harris ist exzellent, aber auch das übrige Ensemble ist gut gewählt und liefert teils erstklassige Leistungen ab. Drehbuchautor Peter A Dowling hat sich einige Elemente bei Antoine Fuquas Training Day (USA 2001) abgeschaut; dennoch erinnert der Film ab dem zweiten Drittel nur bedingt an solches Vorbild. Dass er im Finale zu sehr den Anforderungen des Action-Kinos genügen will und die Kontrahenten in einen Kampf treibt, der nach Hollywoodmanier grotesk übertrieben wirkt und den Figuren fast übermenschliche Leidensfähigkeit zuschreibt, ist so bedauerlich wie der am Ende kitschig wirkende Einsatz von Popmusik. Dennoch ist Black And Blue, der auch im deutschen Kino lief, ein Neo Noir, den ich vorbehaltlos empfehle, da er eine längst bekannte Prämisse des US-amerikanischen Films nochmals schmerzhaft knackig auf den Punkt bringt.
Es gibt eine je bild- und tontechnisch erstklassige BD- und DVD-Edition (2020) der Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH mit dem Film ungekürzt und im Originalformat, dazu den englischen Originalton und Synchronspuren auf Deutsch (sollte man auf jeden Fall vermeiden und das Werk im Original sehen bzw. hören), Französisch, Russisch oder Spanisch, optional Untertitel auf Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch, Türkisch, Arabisch, Finnisch, Dänisch, Norwegisch, Schwedisch, Niederländisch, Russisch, Litauisch, Estnisch, Ukrainisch oder Lettisch, dazu geschnittene Szenen und zwei Features betitelt Sei Du selbst der Wandel und Unter Beschuss als Extras.