William Hartnell, Robert Beatty, Joyce Howard, Raymond Lovell, Herbert Lom
© Olive Films
Die Bond Street in London zur belebten Mittagszeit: Leo Martin (William Hartnell) kommt in Mantel und Hut des Weges, in der rechten Hand ein in Packpapier eingeschlagenes Paket. Vor der Auslage eines Juweliers bleibt er stehen und studiert die Schmuckstücke im Schaufenster. Hinter ihm steuert der Chauffeur Hatchett (H. Victor Weske) die Limousine des Nachtclubbesitzers und Gangsters Gus Loman (Raymond Lovell) halb auf den Bürgersteig. Martin nickt ihnen kurz zu, Loman öffnet die Tür zum Einsteigen, da dreht Martin sich um und schleudert den Ziegelstein im Packpapier durchs Schaufenster und greift nach dem Schmuck. Im gleichen Augenblick tönt nicht bloß die Alarmanlage sondern ein schweres Fallgitter fällt auf Leo Martins Handgelenke, die brechen. Gus Loman und Hatchett rasen davon und zwei Polizisten ergreifen Leo Martin von hinten. Im Krankenhaus operiert ein Chirurg (Alfred A. Harris) die zerschmetterten Handgelenke, indessen sich Martin in seinen Träumen daran erinnert, wie er mit Gus Loman und seinen Kumpanen in einem Hinterzimmer des Clubs zusammentraf. Er selbst mochte den Plan von Anbeginn nicht besonders, aber Loman duldete keine Widerrede, sprach von seiner Chance, doch seine Kumpane ließen ihn im Stich. Zwei Ermittler von Scotland Yard versuchen Leo Martin zu einer Aussage zu bewegen, doch jener bleibt stumm und tritt ungerührt seine Haftstrafe an. Im Gefängnis sehnt Leo Martin einzig den Tag seines Wiedersehens mit Gus Loman herbei…
John Harlow und sein Hauptdarsteller William Hartnell versuchen sich an einer Imitation James Cagneys in The Public Enemy (USA 1931) und das von dessen Attitüde bis zu den Grimassen, doch der Regisseur und sein Schauspieler scheitern auf ganzer Linie. Es gibt in einer Reihe von Sequenzen und anhand einiger Charaktere des Films Andeutungen, wie viel Talent hier verpulvert wurde. Doch Momente der Freude über ein Aufblitzen darstellerischer Kompetenz können den Film nicht retten. Herbert Lom als feinsinniger Kunsthändler Gregory Lang und dessen rechte Hand Noel Penn (Alan Wheatley) sind beizeiten brillant und können voll überzeugen. Es ist wahrscheinlich, dass sie in einer homosexuellen Beziehung leben - das Drehbuch bemüht sich um Eindeutigkeit am Rande des für die Zensurbehörde Verträglichen. Aber natürlich heißt die Botschaft: Die skrupellosesten Kriminellen des Films, die Bösewichte im Hintergrund, welche Morde nicht ausführen sondern beauftragen, sind obendrein Homosexuelle. William Hartnell, ein Darsteller, den ich andernorts schätze, wirkt wie der von John Harlow in bester Manier eines Dr. Frankenstein wiederbelebte Leichnam Tom Powers’, jenes von James Cagney in The Public Enemy dargestellten Gangsters. Es ist kaum zu fassen, wie eintönig und steif er agiert, eingefroren in eine Handvoll stereoptyper Verhaltensweisen und Grimassen, welche seinen Leo Martin zur Farce eines Film-Noir-Protagonisten verkommen lassen. Selten sah ich aus der Zeit des klassischen Film Noirs ein Werk, an dessen zentraler Figur ich sowenig Anteil nahm oder für die ich mich sowenig interessierte wie für diesen Tunichtgut nach Schema F.
”Aside from Lom, there's a lot of bad acting in this one“, heißt es folglich bei Letterboxd und es stimmt. Aber auch der Handlungsverlauf ist in beispielloser Art und Weise holprig und mitunter kaum vom Minimum einer Logik getragen. Dass die Berufstänzerin Carol Dane (Joyce Howard) sich im Handumdrehen für den einzigen unsympathischen und auch nicht sonderlich attraktiven Rüpel im Saal entscheidet, ist schon grotesk. Von einer gemeinsamen Chemie keine Spur, auch einen Kuss gibt es nicht. Weniger Romantik dürfte man selbst im Film Noir der 40er Jahr vergebens suchen. In Anlehnung an den Aufstieg und Fall des kleinen Ganoven, der viel Geld kassieren und sich an seinen ex-Kumpanen rächen will, ist Appointment With Crime ebenfalls dem Gangsterfilm der 30er Jahre verpflichtet. Neben The Public Enemy (USA 1931) erinnert sich der Zuschauer an Little Caesar (USA 1931), doch wie sich erst Gus Loman und später Gregory Lang als Gauner mit langjähriger Erfahrung vom einfach gestrickten Grobian Leo Martin überrumpeln lassen, ist nicht nur unglaubwürdig sondern auch miserabel inszeniert. Im Nu hat Martin seine Gegner entwaffnet, die dann wie Schulbuben dastehen und sich nicht zu helfen wissen. Derlei Unfug wirkt bestenfalls noch unfreiwillig komisch. Dass dieser Film in der Versenkung verschwand, ist letztlich kein Wunder, denn dort gehört er hin. William Hartnell und Robert Beatty traten im Folgejahr in Carol Reeds großartigem Film Noir Ausgestoßen (UK 1947) auf und bewiesen ihr Können. Im gleichen Jahr bereicherten Hartnell und Alan Wheatley auch John Boultings Brighton Rock (UK 1947), einen weiteren Meilenstein des britischen Film Noirs.
Gute BD- und DVD-Editionen (2015) der US-amerikanischen Olive Films als Lizenz von Paramount Home Entertainment, Inc. mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch einwandfrei, den original englischen Ton mit optional englischen Untertiteln, im Übrigen ohne Extras. In Deutschland sind diese Ausgaben (Regionalcode 1) nur schwer erhältlich.