Bewertung
****
Originaltitel
Koruto wa ore no pasupooto
Kategorie
Neo Noir
Land
JPN
Erscheinungsjahr
1967
Darsteller
Jô Shishido, Chitose Kobayashi, Jerry Fujio, Shôki Fukae, Zenji Yamada
Regie
Takashi Nomura
Farbe
s/w
Laufzeit
84 min
Bildformat
Widescreen
Tokio, Japan: Der ehrgeizige Yakuzaboss Shimazu (Kanjûrô Arashi) will seine Geschäftsaktivitäten ins Ausland ausdehnen und kommt damit seinem Partner und Konkurrenten Otawara (Sasaki Takamaru) ins Gehege. Über einen Vertrauten (Ryôtarô Sugi) beauftragt letzterer den Auftragskiller Shûji Kamimura (Jô Shishido) damit, den unliebsamen Shimazu vor dessen Abreise aus Japan umzubringen. Das ist nicht leicht, denn Shimazu schirmt sich unter ständiger Begleitung seines Leibwächters Funaki (Shôki Fukae) mit Panzerglas von der Außenwelt ab. Shûji Kamimura wird mit seinem Partner Shun Shiozaki (Jerry Fujio) zusammenarbeiten, der ihren Fluchtwagen mit besonderer Motorleistung und einer zweiten Bremse präparieren lässt. Für die beiden sind zudem Flugtickets und falsche Pässe vorbereitet, so dass sie nach dem Mord sofort selbst ins Ausland reisen können. Shimazu hat einen streng gegliederten Tageasablauf, den Otawaras Handlanger bereits ausgekundschaftet hat. Kamimura nimmt den Auftrag an und verspricht, ihn innerhalb der nächsten 24 Stunden auszuführen... Shimazu wird sich am folgenden Tag um 15:00 Uhr mit Otawara in einem Teehaus treffen. In einem in der Nähe gelegenen Apartmentblock lässt sich Kamimura vom zuständigen Hausmeister (Zekô Nakamura) eine leerstehende, im vierten Stockwerk gelegene Wohnung zeigen, deren Fensterfront zur Gartenseite des Teehauses gelegen ist. Von hier aus will der erfahrene Killer den Schlag gegen Shimazu führen. In aller Ruhe setzt er sein Präzisionsgewehr zusammen und wartet ab, bis die Gesellschaft sich tatsächlich einfindet und er Shimazu ins Visier nimmt…
Das ist sowohl eine Hommage ans Film-Noir-Kino Jean-Pierre Melvilles als auch eine an die Italo-Western Sergio Leones. Allein Harumi Ibes Musik ist fast eine Kopie der Soundtracks Ennio Morricones für Leones Zwei glorreiche Halunken (ITA/ESP/GER/USA 1966). Doch wie bei den genannten Europäern widerstehen Coolness und Lakonie der zentralen Charaktere solchen Anwandlungen von Pathos. Schauplätze und Inszenierung sind ebenso kunstvoll wie zugleich harsch und trist. Darin liegt die Qualität dieses japanischen Neo Noirs, den so mancher zu Recht als den besten der im Jahr 2009 in den USA von Criterion in deren Eclipse Series als Teil der 5DVD-Box Nikkatsu Noir beinhalteten Filme bezeichnete. Von der Geschichte selbst sollte man nicht zuviel erwarten: Auftragskiller bringt Yakuzaboss und Leibwächter um, doch um zwischen rivalisierenden Gangs den Frieden wiederherzustellen, werden er und sein Partner selbst zu Gejagten. Auf dem Weg ins Finale begegnen die beiden einigen obskuren Charakteren und der Zuschauer erhält Einblick ins vollends skrupellose Räderwerk der japanischen Unterwelt. Auftakt und Finale sind sicher der Höhepunkt. Die Frauenfigur Mina (Chitose Kobayashi), Zimmermädchen in einem drittklassigen Hotel, das Shûji und Shun als Fluchtort dient, ist die am ehesten klischeehafte Figur, hier leidet das Portrait an der Pulp-Vorlage, denn der Mittelteil lässt dem regisseur durchaus Raum, die Konstellation und die Eigenart der Figuren mit Leben zu füllen. Das gelingt ihm auch großteils, stellenweise sogar mit nur wenigen, gezielten Pinselstrichen.
“Part Nikkatsu gangster noir and part ‘man with no name style’ spaghetti western, A Colt is my Passport is a fun noir film with an excellent lead performance”, schlussfolgert Kirk Haviland für den Examiner. Nun sollte man bei den Entdeckungen von B-Filmen, die in den Sechzigern enweder gar nicht oder nur nur für drei, vier Wochen in Europa sichtbar wurden, allerdings die Kirche im Dorf lassen. Im Gegensatz zu Akira Kurosawas Zwischen Himmel und Hölle (JPN 1963) und Seijun Suzukis Branded To Kill (JPN 1967) - letzterer vom gleichen Studio mit dem gleichen Hauptdarsteller! - ist A Colt Is My Passport zwar schön inszeniert und gut editiert, allerdings nicht die Art Geschichte, die einen nachhaltig beeindruckt und beschäftigen wird. Das Studio Nikkatsu drehte haufenweise Gangsterfilme fürs junge Publikum, und Takashi Nomura hat einen guten Blick und zeigt sich im Fahrwasser Melvilles gut situiert. Aber so innovativ und waagemutig wie ein Seijun Suzuki in den Jahren 1963 bis 1967 ist er nicht. Jô Shishido, der dank Implantaten in seinen Wangen stolzer Träger von Pausbacken wurde, ist für den Gangster auf der Flucht ein solider Darsteller. Die Rolle war seit Youth Of The Beast (JPN 1963) und Cruel Gun Story (JPN 1964) für ihn schon wie ein Markenzeichen. Doch wer richtig gutes Schauspiel sehen möchte, ist bei den Nikkatsu-Produktionen nicht unbedingt an der ersten Adresse, hier sollte man die Messlatte nicht zu niedrig ansetzen. Alles in allem ist A Colt Is My Passport dennoch ein Film, der im Rahmen seiner Möglichkeiten und seiner Zielsetzung nicht daneben gerät und dessen Handlung dem (auch bei den Dialogen) aufmerksamen Zuschauer eins, zwei überraschende Wendungen bietet.
Als Eclipse Series 17 brachte Criterion insgesamt fünf Film Noirs des Studios Nikkatsu in der erstklassig editierten 5-DVD-Box (Regionalcode 1) unterm Titel Nikkatsu Noir (2009). Bildtechnisch ist das einwandfrei, dazu den japanischen Originalton mit optional englischen Untertiteln und im Originalformat. Der Film und die Box sind für den Film-Noir-Freund eine Gelegenheit, zuvor in Europa extrem seltene Werke aus Japan goutieren zu können.