Orléans, Frankreich: Inspektor Marc Ferrot (Yves Montand) lebt allein in einem spartanisch eingerichteten Haus, wo er in seiner Werkstatt akribisch eine Handfeuerwaffe, einen Colt Python 357, auseinander nimmt und mit selbst gefertigten Patronen lädt. Dann löscht er das Licht und geht hinaus in die Nacht… Zwei Männer fahren vor einer Kathedrale vor und wollen vom Altar eine alte Statuette stehlen. Doch sie haben die Rechnung ohne Ferrot gemacht. Der hat den Fahrer bereits überwältigt, als der andere mit seiner Beute aus der Kirche kommt und ebenfalls dingfest gemacht wird. Aber noch jemand ist als Augenzeugin vor Ort, die junge Dekorateurin Sylvia Leopardi (Stefania Sandrelli). Unentdeckt macht sie Fotografien von der Festnahme… In dem an einem See gelegenen Landhaus Commissaire Ganays (François Périer) und seiner Frau Thérèse (Simone Signoret) trifft Ferrot am darauf folgenden Sonntag beim Angeln seinen Assistenten Ménard (Mathieu Carrière), der sich mit Rücksicht auf seine familiären Verhältnisse bald verabschiedet. Auch Ganay fährt zurück in die Stadt, nachdem seine Frau den Wunsch dazu äußerte, aber nicht ohne Ferrot zu ermahnen, dass jener die beiden Diebe allein verhaftete - eine riskante Sache. Als Marc Ferrot spät nachts über den Boulevard fährt, entdeckt er in einem Schaufenster ein Plakat seiner selbst, ein Foto der Festnahme vor der Kirche. Sylvia Leopardi ist eben dabei, das Bild vom Inspektor mit gezücktem Revolver in der Auslage eines Geschäfts zu drapieren…
Yves Montand und Simone Signoret sind beide Jahrgang 1921 und waren zum Zeitpunkt des Drehs 55 Jahre alt. Während Montand als Ferrot im Lauf des Films - er wird nach einer Zeugenbefragung selbst gesucht - als 45jähriger durchgehen soll, wirkt Simone Signoret wie eine 70jährige. Genau 24 Jahre nach ihrem Auftritt als hübsche Pariserin in Jacques Beckers
Goldhelm / Die Sünderin von Paris (FRA 1952) ist die Schauspielerin kaum zu erkennen, was nicht heißt, dass sie ihre Qualitäten eingebüßt habe. Nein, Montand und Signoret sind die eindeutig besten Akteure in diesem Neo Noir Alain Corneaus, darin sowohl François Périer als Liebhaber des Charakters von Stefania Sandrelli deplatziert wirkt, als auch eben diese italienische Darstellerin der Sylvia Leopardi aus Sizilien eine eher schwache Leistung liefert. Die erste halbe Stunde ist so zäh wie abstrus. Woher weiß Inspektor Ferrot, dass die Diebe zu einer festgeslegten Zeit eine Statuette aus der Kirche klauen wollen? Wieso laufen Marc Ferrot und Sylvia sich in Orléans bei Tag und Nacht über den Weg? Sylvia ist mit Wissen von dessen Frau Thérèse seit 6 Jahren die Geliebte von Commissaire Ganay, der sie mit Geschenken überhäuft. Aber Sylvia ist sofort entflammt für einen Marc Ferrot, der kaum mit ihr spricht und ihr durch die nächtlichen Gassen folgt, so dass sie ihn zur Rede stellt und nie wieder zu sehen wünscht. Kurzum, das Bild vom Polizeinspektor als dem einsamen Wolf und das Frauenbild wirken klischeehaft und wenig glaubwürdig.
Über
Im tödlichen Kreis, dem zweiten Spielfilm Alain Corneaus, schwebt der Geist des 1973 verstorbenen Meisters des französischen Film Noirs, Jean-Pierre Melville. Montand, Périer und Sandrelli waren in Melville-Filmen aufgetreten. Doch jener Geist bedingt hier auch Positives. Sowohl Thérèse Ganay als auch Inspektor Marc Ferrot entwickeln über die Dauer Qualitäten in der Prägung ihrer Rollencharaktere. Ferrots Zerlegen des verbliebenen Interieurs einer leerstehenden Wohnung erinnert zudem an Popeye Doyle (Gene Hackman) in
French Connection / Brennpunkt Brooklyn (USA 1971), wenn jener darin ein Auto auseinander nimmt – manisch, einsam, rastlos. Thérèse ist der Kopf hinter einem nach außen undurchsichtig barsch auftretenden Polizeichef Garnay, der sich zu Füßen einer Frau zum Jungen wandelt. Seine Liebschaft mit Duldung und sogar Steuerung durch Thérèse gehört zu den faszinierenden Aspekten der Charaktere, denen die Entwicklung im letzten Drittel aber nicht förderlich wird. Hier wird der einerseits raffinierte Plot überfrachtet, - wie in
Spiel mit dem Tode (USA 1948), an dessen Romanvorlage von Kenneth Hearing Corneaus
Im tödlichen Kreis angelehnt ist, leitet Ferrot die Suche nach sich selbst - das Ende wirkt dann nur mehr grotesk. Schade! In Anbetracht der Talente wäre mehr heraus zu holen gewesen, sofern z.B. auch an Stelle Stefania Sandrellis eine adäquate Femme fatale das Ensemble bereichert hätte. So versinkt der Film im Mittelmaß, bildet er auch den Auftakt einer ganzen Reihe von Neo-Noir-Werken Alain Corneaus, der seiner Liebe zu Melville bis zu seinem Tod im Jahr 2010 treu blieb und 2007 mit
Le deuxiéme souffle gar ein Remake von dessen Post Noir
Der zweite Atem (FRA 1966) ablieferte.
Exzellente holländische DVD-Ausgabe (2009) der Universal Pictures International Entertainment mit dem Film bildtechnisch topp im Originalformat und ungekürzt, wahlweise englische oder französische Tonspur, dazu niederländische oder englische Untertitel. Auch in anderen europäischen Ländern gibt es DVD-Editionen des Films, in Deutschland jedoch nicht.
Mag sein, dass Corneau Melville verehrte, dennoch: Was diesen Film auszeichnet und zu einem der besten Filme aller Zeiten macht, sind gerade die Unterschiede zu Melvilles "Brechstangen"-Noirs: Dass er eben nicht so dick aufträgt, dass es auch Momente des Glücks und der Poesie gibt, dass es hier um die psychologische Feinzeichnung der Charaktere im Alltag (in dieser Funktion eines Gesellschaftschronisten erinnert Corneau fast an Sautet) geht, als um billig imitierte amerikanische Coolness. Die wunderbaren spätsommerlichen Aufnahmen komplettieren das Meisterwerk. Gangster und Schiessereien werden hier eher nebenbei als Action- und Spannungselement eingesetzt, nicht als Element des Film Noir... ansonsten gut gemachte Webseite.