Neo Noir
| France
| 1968
| Cornell Woolrich
| François Truffaut
| Jean-Claude Brialy
| Michel Bouquet
| Alexandra Stewart
| Jeanne Moreau
Bewertung
****
Originaltitel
La mariée était en noir
Kategorie
Neo Noir
Land
FRA/ITA
Erscheinungsjahr
1968
Darsteller
Jeanne Moreau, Michel Bouquet, Jean-Claude Brialy, Charles Denner, Claude Rich
Regie
François Truffaut
Farbe
Farbe
Laufzeit
103 min
Bildformat
Widescreen
Eine Frau in Schwarz, die Witwe Julie Kohler (Jeanne Moreau), packt ihren Koffer. Plötzlich versucht sie, sich aus dem offenen Fenster zu stürzen, doch ihre eigene Mutter (Luce Fabiole) hindert sie daran. Julie verlässt samt dem Koffer das Haus und wird von ihrer Nichte (Dominique Robier) zum Bahnhof begleitet. Hier besteigt sie einen wartenden Zug, doch nur zum Schein. Gleich auf der anderen Seite verlässt sie den Waggon, geht quer über die Gleise zu einer Unterführung und verschwindet. Vor einem modernen Wohnblock spricht Julie, am helllichten Tag im weißen Abendkleid, den Hausmeister Charlie (Jacques Robiolles) an. Einen Monsieur Bliss (Claude Rich) suche sie. Nachdem sie mit einem Trick dessen Stockwerk und Telefonnummer herausbekommen hat, verschwindet sie erneut. Bliss wird von seinem Freund Corey (Jean-Claude Brialy) besucht, der ihn wegen seiner bevorstehenden Hochzeit mit Gilberte (Michèle Viborel) gehörig neckt. Doch Bliss will sein Junggesellendasein endgültig drangeben. Auf seiner Hochzeitsfeier im eigenen Apartment bemerkt er eine Unbekannte in Weiß und spricht sie an. Sie will ihm ihren Namen nicht verraten und das reizt Bliss im Nu. Die beiden stehen auf dem Balkon mit Blick über die Stadt. Julies Schal flattert davon und verfängt sich im Gestänge der Markise. Sie fordert ihren Gastgeber auf, ihr den Schal zu holen, sodann würde sie sich ihm zu erkennen geben. Wagemutig steigt Bliss über die Brüstung, streckt sich nach dem Schal. Julie sagt, sie sei die Witwe von David Kohler (Serge Rousseau), und stößt Bliss vom hohen Sims hinab in den Tod…
Ein bösartiger Film, der seine Geschichte perfide langsam aufs Gleis setzt und ebenso langsam entschlüsselt – mittels Rückblenden und einer nur sukzessiven Preisgabe von Julie Kohlers Geschichte und Motivation. Weniger seine Bildästhetik als seine Schnittfolge, exemplarisch eben auch die Rückblenden, zudem die mit einer beinharten Femme fatale besetzte Geschichte nach einer Romanvorlage des US-amerikanischen Film-Noir-Autors Cornell Woolrich zeigen Truffauts Thriller auch in der Tradition der Schwarzen Serie. Für das Jahr 1968 ist Die Braut trug Schwarz ein typischer, teils sogar (wieder) konventioneller Film in der Nachfolge der französischen Nouvelle Vague. Viele der Einstellungen und auch der tiefschwarze Humor machen deutlich, wem François Truffaut hier eine Huldigung bringt: dem Kino Alfred Hitchcocks. Aktreuse Jeanne Moreau, eine Darstellerin von erheblichem Format, wirkt mit 40 Jahren in der Rolle überraschend „alt“ und beherrscht dank einer glaubwürdigen Aura der Undurchdringlichkeit dennoch die wechselnden Szenarien und deren Männer.
Ein bösartiger Film, der seine Geschichte perfide langsam aufs Gleis setzt und ebenso langsam entschlüsselt – mittels Rückblenden und einer nur sukzessiven Preisgabe von Julie Kohlers Geschichte und Motivation. Weniger seine Bildästhetik als seine Schnittfolge, exemplarisch eben auch die Rückblenden, zudem die mit einer beinharten Femme fatale besetzte Geschichte nach einer Romanvorlage des US-amerikanischen Film-Noir-Autors Cornell Woolrich zeigen Truffauts Thriller auch in der Tradition der Schwarzen Serie. Für das Jahr 1968 ist Die Braut trug Schwarz ein typischer, teils sogar (wieder) konventioneller Film in der Nachfolge der französischen Nouvelle Vague. Viele der Einstellungen und auch der tiefschwarze Humor machen deutlich, wem François Truffaut hier eine Huldigung bringt: dem Kino Alfred Hitchcocks. Aktreuse Jeanne Moreau, eine Darstellerin von erheblichem Format, wirkt mit 40 Jahren in der Rolle überraschend „alt“ und beherrscht dank einer glaubwürdigen Aura der Undurchdringlichkeit dennoch die wechselnden Szenarien und deren Männer.
© Pierrot Le Fou / Alamode Film
Eine Tote im Leben, so bezeichnet der Racheengel sich im Beichtstuhl selbst – eine Tote, der ein plötzliches Ereignis das Leben raubte, obwohl sie dabei selbst nicht umkam. Dennoch muss Julie Kohler beizeiten die Gefühle, die ihr blieben, aktiv bekämpfen, um auch in ihr selbst das Werk der Zerstörung zu vollenden. Neben solchen Szenen ist es vor allem die Maskerade, hinter deren falschen Identitäten Julie sich mehr oder minder fadenscheinig verbirgt und sowohl Erwachsene als auch Kinder betrügt, was den Zuschauer (nahezu unerwartet) anrührt. In der ersten Hälfte geruhsam und bis zuletzt eher kühl bis kalt ist diese Gratwanderung nur in der Hand eines Regisseurs wie François Truffaut denkbar. Obwohl kein Meisterwerk im Ganzen – zu vieles stört: Wie kam Julie auf die Spur der Männer? Wäre der fünfjährige Cookie (Chrisophe Bruno) wohl so leicht reinzulegen? – wirkt dieser französische Thriller zuletzt über seine Nachbilder im Kopf, wo sie nochmals auf dessen Untiefen und Abgründe verweisen. Ein stellenweise einmaliger Film, der sich aus einer ungeheuren Distanz zentralen Lebensfragen so schlaglichtartig nähert wie Truffauts Zoom-Objektiv der unglückseligen Gesellschaft auf den Stufen zur Kirche. Ein heutiges Publikum, dessen Sehgewohnheiten durch Stakkatoschnitt und Spezialeffekte auf Tempo getrimmt ist, mag er auf eine Geduldsprobe stellen. Wer sich darauf einlassen kann, wird mit einem weiteren Cineastenstreich Truffauts belohnt, der dem Zuschauer das Menü eben nicht mit dem Silberlöffel zum Mund führt. Die Braut trug Schwarz war (ganz unübersehbar) die Vorlage für Quentin Tarantinos Kill Bill (USA 2003 und 2004).
Exzellente DVD-Edition von Pierrot Le Fou / Alamode Film, ungekürzt im Originalformat mit wahlweise der deutschen oder französischen Tonspur, optional deutsche Untertitel, dazu den US-Kinotrailer und Interviews mit François Truffaut und Jeanne Moreau als Extras. Störend ist, dass die Inhaltsangabe wie auch die Presse seit Erscheinen des Films, ungeachtet der Schnittfolge, den Clou der Handlung immer schon preisgeben.