People Against O’Hara, The

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Psychologische Verteidigung


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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
The People Against O’Hara
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1951
Darsteller

Spencer Tracy, Pat O’Brien, Diana Lynn, John Hodiak, Eduardo Ciannelli

Regie
John Sturges
Farbe
s/w
Laufzeit
102 min
Bildformat
Vollbild

 


 

© Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc.

New York im Spätherbst, knapp eine halbe Stunde nach Mitternacht: Ein 1935er Ford V8 Standard fährt durch die dunklen und nur von wenigen Leuten bevölkerten Gassen. Er hält vor einer Mietskaserne; der Beifahrer in Mantel und Hut steigt aus und läuft die Eingangstreppe empor. Ein Mann öffnet die Haustür und die beiden gehen hinein… Mit zwei Frauen (Jan Kayne, Virginia Hewitt) rechts und links am Arm kommt ein Matrose (Richard Landry) des Weges und betritt Bill‘s Bar, eine Eckkneipe. Nur der Skandinavier Sven Norson (Jay C. Flippen), selbst Matrose auf Landgang, sitzt am Tresen und nippt am Rest seines Biers. Der Ankömmling grüßt kurz hinüber, bestellt drei Bier und die brünette Frau stellt die Jukebox an, aus der sofort ein dynamischer Jazzsong erschallt. Der Matrose und die Blondine im Trenchcoat beginnen zu tanzen, und Seven Norson verlässt die Bar. Draußen bleibt er stehen, zieht Messer und Kautabak aus der Tasche, indessen im Hintergrund die Tür der Mietskaserne sich öffnet und die Silhouetten der beiden Männer sichtbar werden. In Sekundenschnelle schießt der in Mantel und Hut und mit einem Koffer in der Hand den Anderen mit vier Schüssen nieder und springt in den wartenden Wagen, der sofort losfährt. Norson ist wie erstarrt, und der Matrose kommt mit den Frauen aus der Bar gelaufen und fragt, was los sei, doch seine Begleiterinnen ziehen ihn fort. Als Seven Norson sieht, dass der Barkeeper telefoniert und zeitgleich ein Streifenwagen um die Ecke biegt, sucht auch er das Weite…

 

John Sturges’ fulminant besetztes Drama um den ex-Alkoholiker und ex-Staatsanwalt James P. Curtayne (Spencer Tracy), der die Verteidigung des Weltkriegsveterans und Gelegenheitsarbeiters Johnny O’Hara (James Arness) in einem Mordprozess im Gangstermilleu übernimmt, empfand ich einerseits als typisch für die frühen 50er, andererseits als eigentümlich modern. Letzteres liegt womöglich daran, dass vor allem die Metropole New York die Hauptrolle spielt und solche Art Großstadtdrama später von Regisseuren à la Sidney Lumet (Nacht über Manhattan, USA 1996), James Gray (Helden der Nacht, USA 2007) oder Harold Becker (City Hall, USA 1996) immer wieder einmal variiert wurde. Wie die Stadt mit ihren Facetten inszeniert wird, darin folgt John Sturges mit seinem Kameramann John Alton (Flucht ohne Ausweg, USA 1948) dem durch Jules Dassins Stadt ohne Maske / Die nackte Stadt (USA 1948) seinerzeit frisch gesetzten Standard, obgleich der Film angeblich nur zu einem kleinen Teil überhaupt auf den Straßen der Metropole am Hudson-River entstanden sein soll. Und natürlich kann man den Licht-und Schatten-Architekten des Film Noirs, John Alton, nicht erwähnen, ohne seine maßgebliche Rolle für den Filmstil und für diese Produktion im besonderen hervorzuheben. Wie Alton The People Against O’Hara inszeniert, wie er vor allem im Finale Urbanität auf die Leinwand bannt, verdient auch nach heutigen Maßstäben  grandios genannt zu werden. Aufgewertet wird die Melange aus Gerichtsdrama und Film Noir allerdings auch durch das Ensemble, dem Spencer Tracy vorsteht, definitiv kein Darsteller mit signifikanter Film-Noir-Tradition, der jedoch seine Mitstreiter offenbar zu Bestleistungen anstacheln konnte. Sein Freund seit Kindertagen, Pat O’Brien (Chicago – Engel mit schmutzigen Gesichtern, USA 1938), verdankte Tracy seine Rolle als Vincent Ricks, Detective der New Yorker Mordkommission, gar persönlich. Auch Diana Lynn, John Hodiak, James Arness, Eduardo Ciannelli und Henry O’Neill überzeugen auf ganzer Linie.

 

© Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc.

”You're not in here because you stole some apples off a peddler's cart.” Nach dem Mord am aktenkundigen Kriminellen William Sheffield wird Johnny O’Hara, dessen Auto für dieTat genutzt wurde, am Morgen nach der Tat verhaftet. O’Hara hat kein Alibi, versucht der Inhaftierung zu entgehen und will dabei nur seine mit dem Mobster Sol Lanzetta (Eduardo Ciannelli) verheiratete Geliebte Katrina (Yvette Duguay) vor ihrem Ehemann schützen, was er seinem Anwalt Jim Curtayne allerdings verschweigt. Schon bald  setzen die Entwicklungen allen Beteiligten zu, nicht zuletzt Curtayne, der früher oder später dem Griff zur Flasche kaum zu widerstehen vermag… Die feine Produktion der Metro-Goldwyn-Mayer Studios kam seinerzeit auch in vielen europäischern Nationen ins Kino – Frankreich, Belgien, Dänemark, Italien, Portugal, etc. – nicht aber im deutschsprachigen Raum. Als Der Mordprozess O’Hara wurde das Werk in der Bundesrepublik Deutschland 40 Jahre (!) nach seiner Kinopremiere erstmals im Fernsehen ausgestrahlt – in Anbetracht des Weltstars Spencer Tracy als dessen Hauptdarsteller eher ungewöhnlich. Ich habe meine private Theorie, warum man sich seinerzeit gegen einen Kinostart in der BRD entschied, aber solche schmälert das Vergnügen für ein heutiges Publikum nicht im Geringsten. The People Against O’Hara lohnt sich für Freunde der Filmklassik und des Film Noirs auf jeden Fall.

 

In der Warner Archive Collection (weltweit abspielbar) existiert eine bild- und tontechnisch gute DVD-R (2011) mit dem englischen Originalton ohne Untertitel und (wie immer in solcher Reihe) ohne Extras. Unter dem Titel Omertà erschien via A&R Productions eine italienische DVD (2014), wahlweise englischer oder italienischer Ton, optional italienische Untertitel, den Trailer und eine Bildergalerie als Extras: die Filmfassung ist die gleiche wie bei DVD-R aus den USA. Zugleich ist das bis heute (2024) alles, was ich erstaunlich finde, denn inzwischen sind viele kleine Produktionen der Filmklassik aufs Beste restauriert worden und in aufwendigen Editionen auf Blu-ray-disc auf dem Markt, was The People Against O’Hara allemal auch verdient hätte.

 


 

Film Noir | 1951 | USA | John Sturges | John Alton | Charles Bronson | Eduardo Ciannelli | Emile Meyer | Frank Ferguson | Henry O'Neill | Jack Kruschen | Jay C. Flippen | John Hodiak | John Maxwell | Lou Lubin | Ned Glass | Regis Toomey | Richard Anderson | William Schallert | Ann Doran

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