Demián Bichir, Chino Darín, Carlos Casella, Mónica Antonópulos, Emilio Disi
Buenos Aires, Argentinien, im Jahr 1989: Der junge Polizeibeamte “El Ganso“ Gómez (Chino Darín) sitzt in Uniform auf dem Bett des aus reicher Adelsfamilie stammenden Jaime Figueroa Alcorta (Martín Wullich), einem älteren Junggesellen, der hinter ihm nackt in seinem Blut liegt, ein Toter. Gómez legt seine Dienstmütze aufs Bett und beginnt sich im Schlafzimmer umzusehen. Er zieht eine Schallplatte aus einem Ständer, legt sie auf und der in Diskotheken bekannte Song Splendido splendente, von Kevin “Carlos“ Gonzalez (Carlos Casella) zu einem Elektrobeat gesungen, schallt durch den Raum. Gómez nimmt aus einer Schachtel eine Zigarette und bewegt sich zum Rhythmus der Musik wiegend durch das teure Interieur… Die bei der Mordkommission tätige Polizistin Dolores Petric (Mónica Antonópulos) lehnt am Seitenfenster eines Streifenwagens und spricht per Funk mit Inspektor Chávez (Demián Bichir), der ihr versichert, dass er gleich am Tatort im Stadtbezirk Recoleta einträfe. Als er mit Dolores im Fahrstuhl steht, näht sie ihm einen Knopf am Hemdsärmel fest und beklagt sich darüber, dass der Anruf vor einer Stunde eingegangen sei. Während die Polizisten in Alcortas Wohnung eintreten, fällt der Strom aus. Als Inspektor Chávez die Kontur von Gómez im Wohnzimmer auftauchen sieht, zückt er seine Pistole, indessen der Junge die Hände empor reißt und sich als Polizist zu erkennen gibt. Niemand hat eine Taschenlampe zur Hand und Gómez zieht daher ein Streichholzbriefchen aus seiner Hosentasche…
Noch bevor das erste Bild zu sehen ist, informiert eine wie per Newsticker sichtbar werdende Textbotschaft darüber, dass Personen und Ereignisse der Handlung frei erfunden seien und jegliche Ähnlichkeit mit realen Ereignissen ein Zufall wäre. Mehr bösartige Ironie ist mit Bezug auf die Geschichte des Films kaum denkbar, denn diese Botschaft verdeutlicht, dass es genau darum geht – an die Realität zu erinnern. Das Kernthema des Werks der Autorin und Regisseurin Natalia Meta sind Filz und Korruption in den oberen Etagen von Polizei und Justiz. Ein in die Jahre gekommener Lebemann und Junggesselle, Spross einer reichen argentinischen Adelsfamilie, wird ermordet aufgefunden. Für Inspektor Chávez liegt nahe, dass man ihn via Untersuchungsrichter Morales (Emilio Disi) zu bestechen sucht (und Chávez nimmt, wie er es gewohnt ist, das Geld auch an), weil die angesehene und einflussreiche Familie die Homosexualität Jaime Figueroa Alcortas zu vertuschen sucht. Den Fall möglichst schnell und geräuschlos ad acta zu legen, ist das Interesse aller Beteiligten. Doch als er den wahren Gründen auf die Spur kommt, die der Ermordung des reichen Privatiers zugrunde liegen, teilt Inspektor Chávez dieses Interesse nicht länger. Zugleich übt die Familie Alcorta auf einige Amtsinhaber verstärkt Druck aus, damit der Fall abgeschlossen wird und aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwindet. Chávez wird nach und nach klar, dass die Kräfte, die am Wirken sind, womöglich in den eigenen Reihen angesiedelt sind… Mord in Buenos Aires erhielt gerade in seiner Heimat Argentinien eher durchwachsene Krirtiken. Zum einen mag es am Thema der offenen und der unausgelebten Homosexualität liegen, die im Film eine zentrale Rolle spielt. Zum anderen ist es ein grundsätzlich unbequemer und ein mitunter geradezu fieser Film, denn das Ausmaß der Korruption und das Netz der Intrigen sind ebenso undurchdringlich, wie die im Verborgenen agierenden Drahtzieher unantastbar bleiben. Inspektor Chávez, grundsätzlich ein schlauer Fuchs, bringt sich selbst und womöglich seine Familie in Gefahr, ohne sich dessen bewusst zu werden, denn seine Zuneigung zum Homme fatale blendet ihn.
Welchem Connaisseur des Film Noirs und Neo Noirs das bekannt vorkommt, hat den Braten längst gerochen. Von Felix E. Feists The Man Who Cheated Himself (USA 1950) und William Berkes Polizistenhasser (USA 1958) bis zu Richard Marquands Das Messer (USA 1985), Paul Verhoevens Basic Instinct (FRA/USA 1992) oder John Baileys China Moon (USA 1994) vernebeln eine Femme fatale oder ein Homme fatale einem Stattsdiener oder einer Staatsdienerin die Sinne. In Robert Hartford-Davis’ The Take (UKS 1974), in Mike Figgis‘ Internal Affairs (USA/CAN 1990) oder in Antoine Fuquas Training Day (USA 2001) begehen Polizeibeamte aus eigenem Interesse oder im Auftrag einer Interessengruppe kaltblütig Morde. Natalia Meta bewegt sich mit ihrem Debüt zu 100 % auf dem Terrain des Film Noirs, und an einem konsequenten Finale und Schlusspunkt mangelt es nicht. Demgegenüber ist Homosexualität im Neo Noir tendeziell eine Ausnahme geblieben. So erinnert Mord in Buenos Aires teils an Samantha Langs Die Affenmaske (AUS/CAN/FRA/ITA/JPN 2000) oder an Steve Andersons The White Orchid (USA 2018), darin die weiblichen Ermittlerinnen ein Verhältnis mit einer Femme fatale eingehen, indessen für diesen argentinischen Thriller auch William Friedkins Cruising (USA 1980) eine Inspirationsquelle war. Dramaturgisch nicht immer straff und mit ein paar Nebenfiguren, die allzu blass bleiben, ist dieser Neo Noir aus Argentinien eine allemal empfehlenswerte Ergänzung des Kanons.
In Deutschland erschien der Film als bild- und tontechnisch exzellente DVD-Ausgabe (2015) der Pro-Fun Media GmbH, ungekürzt im Originalformat mit der original spanischen Tonspur und mit optional deutschen Untertiteln, also ohne deutsche Synchronisation, für mich damit eine optimale Ausgabe. Als Extras gibt es ein Making Of (mit englischen Untertiteln) und den original Kinotrailer.