Lee J. Cobb, Jane Wyatt, John Dall, Lisa Howard, Harlan Warde
San Francisco, Kalifornien: In einem geräumigen Arbeitszimmer, darin das Kaminfeuer flackert, entnimmt Howard Frazer (Harlan Warde) einen nagelneuen Revolver seiner Verpackung und lädt die Trommel mit den dazuzgehörigen Patronen. Er geht zu einem Wandschrank, versteckt die Waffe unter einem Hut in der oberen Ablage und trägt den Karton zur Feuerstelle, wobei einer der Zettel unbemerkt hinter ihm zu Boden fällt. Kaum hat er alles den Flammen übergeben, nimmt er einen Schürhaken, tritt aus der verglasten Terrassentür und erbricht von außen deren Schloss. Er geht ins Zimmer zurück, lässt die Tür zuschnappen, als seine Frau Lois (Jane Waytt) im Flur an die von innen verschlossene Tür klopft und verlangt sie einzulassen. Ob er ihren Schreibtisch durchsuche, will sie von ihm wissen, doch Howard reagiert nicht darauf und packt seinen Koffer, indessen sie erstaunt feststellt, dass im Kamin ein Feuer brennt und ihn fragt, was er denn verbrannt habe. Alte Liebesbriefe, lässt er sie wissen, und sie möchte erfahren von wem, und er fragt nun sie, wann sie denn ihren neuen Freund aufgabeln werde, woraufhin sie ihm eine Ohrfeige versetzt. Howard verabschiedet sich zum Flughafen. Sein Flug nach Seattle beendet sein Leben an ihrer Seite, und sie verkündet triumphierend in der nächsten Woche die Scheidung einzuleiten. Kaum ist er weg, fällt ihr Blick auf den Zelttel auf dem Teppich. Es ist das Qualitäts-Zertifikat für einen Revolver, Kaliber 38, und die reiche Lois Frazer eilt schnurstracks in den Salon und greift zum Telefon…
“You’ve always played your women pretty close to the vest. But why don‘t you find a girl that’s good for you like Janet is for me?“ Nach vielen Jahren der intensiven Auseinandersetzung mit dem klassischen Film Noir bin ich selten nochmals von einem Werk überrascht. Weil The Man Who Cheated Himself vom Publikum in den USA wegen des Shauspiels Jane Wyatts als Femme fatale und wegen seiner Handlungsentwicklung tendenziell negativ bewertet wird, habe ich den Film lange außen vor gelassen. Zu Unrecht! Sowohl Wyatts Darstellung als auch die Wendungen des Kriminalfalls hielten mich bei der Stange und boten vielerlei Anlässe, die zentralen Rollencharaktere zu entfalten und zu entwickeln. Im Fahrwasser von Billy Wilders Frau ohne Gewissen (USA 1944), Tay Garnetts Im Netz der Leidenschaft / Die Rechnung ohne den Wirt (USA 1946) und Orson Welles‘ Die Lady von Shanghai (USA 1947) fokussiert sich Feists Drama nach einem Drehbuch von Seton I. Miller und Philip McDonald auf den von einer Femme fatale in ihren Kokon eingesponnenen Mann, der sehenden Auges in sein Verderben rennt. Police Lieutenant Ed Cullen (Lee J. Cobb) verschleiert den im Affekt begangenen Mord von Lois Frazer an ihrem Ehemann Howard, denn niemand als Cullen ist ihr geheimer Liebhaber und er ist ihr hoffnungslos verfallen. Mit dem impliziten Hinweis darauf, dass sich Ed Cullen nach einem sorglosen Leben an der Seite der reichen und gesellschaftlich hochstehenden Lebedame Lois sehnt, nimmt Feists Film Richard Quines Schachmatt (USA 1954) vorweg, darin Fred MacMurray als Police Detective Paul Sheridan in einer ähnlichen Rolle zu sehen ist.
Der auch in diesem Film überzeugende John Dall trat trotz seiner zentralen Rolle in Alfred Hitchcocks Cocktail für eine Leiche (USA 1948) während der 50er Jahre nur mehr in kleinen Fernsehrollen auf. An der Seite von Peggy Cummins sielte er in Joseph H. Lewis‘ großartigem Film Noir Gefährliche Leidenschaft (USA 1950), doch waren die genannten Filme ebenso wie The Man Who Cheated Himself keine Publikumserfolge. Er starb 1971 im Alter von lediglich 50 Jahren. Seine Filmpartnerin Lisa Howard, als seinerzeit 20-jährige mit Regisseur Felix E. Feist verheiratet, war in den frühen 60er Jahren eine erfolgreiche Journalistin, beging jedoch 1965 mit nur 35 Jahren Selbstmord. Kaum zwei Monate später starb mit 55 Jahren auch ihr ex-Mann Felix E. Feist, der zwischen 1947 und 1951 mehrere Film Noirs gedreht hatte, so etwa The Threat (USA 1949) und den grandiosen Verfolgt (USA 1951), bevor er ab 1953 nur noch fürs US-Fernsehen tätig gewesen war. Lee J. Cobb war ebenso wie Peter Lorre oder Dan Duryea ein fulminanter Schauspieler seiner Zeit, der jedoch in Besetzungslisten meist an zweiter, dritter Stelle und nur ganz selten einmal als zentrale Figur an erster Stelle gelistet wurde. The Man Who Cheated Himself gab ihm die einzige Gelegenheit je in einer zugleich romantischen Rolle aufzutreten und Cobb enttäuscht nicht eine Minute. Fazit: Als eine B-Produktion, die nie billig oder minderwertig wirkt, ist dies ein rundum gelungener Film Noir, der seit 2018 zudem in einer von der Film Noir Foundation, San Francisco, und vom UCLA Film & Television Archive großartig restaurierten Fassung vorliegt.
Nur die von Flicker Alley in den USA (RC 1) veröffentlichte und kostspielige Doppel-Edition als BD und DVD (2018) bringt den Film auch wirklich in jener herausragenden Bild- und Tonqualität, deren es für den Genuss der vielen Außenaufnahmen im San Francisco des Jahres 1949 bedarf. Die BD/DVD zeigt den Film ungekürzt im korrekten Bildformat und mit dem englischen Originalton sowie mit optional englischen Untertiteln, als Bonus gibt es zwei Kurz-Dokumentationen betitelt The Man Who Cheated Himself Revisited (22 Min.) und The Man Who Cheated Himself Locations (7 Min.), den US-Kinotrailer und ein aufwendig gestaltetes Booklet mit Abbildungen von Postern, Lobby Cards und Standfotos sowie einem Filmessay von Eddie Muller, Film Noir Foundation, San Francisco. Alle anderen DVD-Ausgaben sind solche, die diesen der Public Domain verfallenen Film in großteils desaströs schlechter Bild- und Tonqualität beinhalten.