Joyce Mackenzie, Stanley Clements, Hurd Hatfield, Albert Dekker, Myrna Dell
© Warner Bros.
Los Angeles, Kalifornien: In einem Kino läuft heute Abend ein Doppelprogramm, das auch der Paketkurier Jackie Wales (Stanley Clements) in Begleitung einer jungen Dame besucht. Um genau 5 Minuten vor 22:00 Uhr gibt es zwischen den Filmen eine fünfminütige Pause. Jackie verabschiedet sich für eine Zigarette vor die Tür, indessen seine Begleiterin ihn darum bittet ihr eine Portion Popcorn mitzubringen. Kaum steht Wales auf dem Bürgersteig fährt ein schwarzer Cadillac Fleetwood 60 Special vor, und Jackie Wales steigt ein. Hinterm Steuer sitzt Mr. Armitage (Albert Dekker), ein polizeibekannter Gangster, und er befiehlt Jackie sich seine Uniform des Paketboten anzuziehen. Die beiden fahren zur Villa des wohlhabenden Geschäftsmanns Arthur Mansfield (Franklyn Farnum) in der West Kings Road. Jackie Wales klingelt an der Tür, und trotz der späten Stunde öffnet Mansfield persönlich. Wales fragt trotzdem nach seinem Namen, bevor er ihn mit einem Schuss aus einer hinter dem Paket verborgenen Pistole kaltblütig erschießt. In dem Augenblick kommt Mansfields Tochter Laura (Joyce Mackenzie) zur Haustür gelaufen, sieht Wales mit einem Sprung über die Gartenpforte auf die Straße hechten und in den Cadillac einsteigen. Der Wagen rast davon; Laura ruft per Telefon einen Krankenwagen. Kurz darauf fährt Armitage am Kino vor, der wieder umgezogene Jackie Wales steigt aus und kauft am Tresen für sich und seine Begleiterin zwei Schachteln Popcorn. Pünktlich zum Beginn des zweiten Films nimmt er wieder Platz…
“Obscure even among film buffs, Edward L. Cahn was actually a prolific filmmaker who had made (…) Destination Murder, an over-simplistic yet sporadically and superficially entertaining film noir“, schreibt Emanuel Levy in seinem Blog Cinema 24/7 und liegt damit absolut richtig. Die 72 Minuten dieses Film Noirs, den Edward L. Cahn als in Eigenregie fertiggestellte Produktion ans Filmstudio RKO Radio Pictures verkaufte, das lediglich sein Logo dem Vorspann voranstellte, gehen flott vorüber und sind allemal unterhaltsam. Zugleich hat die Filmhandlung mehr absurde Wendungen und doppelte Böden als ein Philip-Marlowe-Roman aus der Feder Raymond Chandlers, die jedoch allesamt unglaubwürdig und widersinnig sind. Zum Teil bleiben die Zuschauer über Gründe und Motive eines Ereignisses sogar völlig im Unklaren. So erfahren wir nicht, warum Arthur Mansfield einem Auftragsmord zum Opfer fällt oder in welchem Geschäftsfeld sich dessen Konkurrent und Widersacher Frank Niles (John Dehner) tummelt, zu Beginn für Police Lieutenant Brewster (James Flavin) der Hauptverdächtige in dem Fall. Statt für den Mord einen falschen Paketkurier zu nutzen, beauftragt Armitage Jackie Wales, der wirklich der Angestellte eines Lieferdienstes ist und bei einer Gegenüberstellung im Polizeihauptquartier in seiner eigenen Uniform Laura Mansfield natürlich auffallen muss. Solcher Jackie Wales ist einerseits ein skrupelloser Killer, andererseits dermaßen naiv und beschränkt, dass er auf Lauras Avancen im Nu hereinfällt und sich von der Tochter seines Mordopfers, die ihrerseits ihre weiblichen Reize ins Zentrum der Ermittlungsarbeit rückt, sofort aushorchen lässt. Das sind nur einige der grenzwertigen Aspekte aus dem ersten Drittel der Geschichte, die im Anschluss immer noch verwickelter und absurder wird.
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Auch in den Film-Noir-Klassikern Zeuge gesucht (USA 1944) von Robert Siodmak, Vergessene Stunde / Schwarzer Engel (USA 1946) von Roy William Neill und Whispering City / Crime City (CAN 1947) von Fyodor Otsep macht sich eine weibliche Detektivin auf, das Geheimnis eines Mordfalls auf eigene Faust zu enthüllen. Aber die jeweiligen Schauspielerinnen sind einer Joyce Mackenzie meilenweit überlegen, die in Destination Murder vor allem ihr fehlendes Talent unter Beweis stellt. Die seinerzeit 24-jährige ist hübsch und hat zugleich nicht das geringste Schauspielvermögen, so dass sie 1954 ihrem Dasein als Darstellerin in Film und Fernsehen, meist war sie in Nebenrollen zu sehen, Lebewohl sagte und Englischlehrerin wurde. Demgegenüber sind Hurd Hatfield und John Dehner gewohnt sehenswert, indessen es stets verwirrend bleibt, dass Albert Dekker als Mr. Armitage fast durchgehend in der dritten Person von sich redet. Edward L. Cahn sollte sich in den 50er Jahren definitiv allen Spielarten von B-Produktionen in den Sparten Science Fiction, Horror oder skandalöser Jugendkriminalität zuwenden – jeder Film aberwitziger und schäbiger als der vorhergehende. Destination Murder ist eine obskure Randnotiz in der Historie des Film Noirs, über die sich ein Connaisseur der Filmklassik sicher nicht ärgern wird, die allerdings auch ohne Relevanz bleibt.
In den USA gibt es eine DVD-R (2011) der Warner Archive Collection mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch sehr gut und mit der original englischen Tonspur ohne Unteritel und ohne Extras. In Spanien veröffentlichte Llamentol, S.L. unter dem Titel Objetivo Asesinato eine DVD (2012) mit dem Werk im Originalformat, dazu den englischen Originalton und eine spanische Synchronisation, optional spanische Untertitel.