Zwischen 11 und Mitternacht

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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
Entre onze heures et minuit
Kategorie
Film Noir
Land
FRA
Erscheinungsjahr
1949
Darsteller

Louis Jouvet, Madeleine Robinson, Léo Lapara, Monique Mélinand, Jean Meyer

Regie
Henri Decoin
Farbe
s/w
Laufzeit
95 min
Bildformat
Vollbild

 


 

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Paris, Frankreich: Es ist genau 23.30 Uhr, aber die Kirchtürme der Stadt zeigen so wie die öffentlichen Uhren allerorten eine jeweils andere Zeit: bereits Mitternacht am Gare de Lyon, ein Uhr nachts in der Oper und sogar vier am Palais Royal. Tatsächlich aber ist es halb zwölf und in den Nachtclubs werden die ersten Tangos getanzt, im Kino endet die letzte Vorstellung. Allerdings will mancher Zuschauer nicht glauben, dass es auch im Leben Menschen gäbe, die einander wie eineiige Zwillinge zum Verwechseln ähnlich sähen, solche wie Louis Jouvet sie in einer Doppelrolle in dem Film Im Zeichen des Teufels (FRA 1947) gespielt hatte oder Edward G. Robinson in The Man With Two Faces (USA 1934). Aber jene, die das Kino ungläubig oder sogar verärgert verlassen., kommen aus dem Staunen nicht heraus, wenn plötzlich zwei Menschen vor ihnen stehen, die ebenfalls gedoppelt durchs Leben gehen… Andernorts läuft ein Mann in Trenchcoat und Huit pfeifend eine Straße hinunter, lässt sich von einem Clochard (Jean Sylvère) Feuer geben und geht zu Fuß durch einen von Neonlicht erleuchteten Tunnel in der Nähe des Platzes der Ballon des Ternes. Eine Prostituierte (Yvette Etiévant) wird auf ihn aufmerksam, als er mit Zigarette im Mundwinkel vorübergeht, und ein Wagen nach dem anderen saust vorüber, bis einer, der ein US-amerikanischer Import zu sein scheint, hinter ihm herfährt. Als er sich umwendet, werden aus dem Seitenfenster drei Schüsse auf ihn abgefeuert und der Passant sinkt tödlich getroffen zu Boden…

 

In Frankreichs Theatergeschichte ist Louis Jouvet eine der zentralen Figuren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Mann war Schauspieler, Regisseur und Intendant und schrieb insgesamt fünf Bücher über das Theater. Sein Schauspiel in Filmen begann mit Topaze (FRA 1933), darin er mit bereits 46 Jahren die Hauptrolle bekleidete. Fünf Jahre später trat er in Marcel Carnés Hotel du Nord (FRA 1938) auf, einem der wichtigsten französischen Vorläufer des Film Noirs; zwei Jahre nach Kriegsende spielte er den Kriminalinspektor Antoine in Henri-Georges Clouzots Unter falschem Verdacht (FRA 1947). Womöglich wäre Louis Jouvet, ein nach meinem Dafürhalten grandioser Darsteller seiner Zeit, auch hierzulande bekannter, wäre er nicht 1951 mit 63 Jahren gestorben. In Henri Decoins Zwischen 11 und Mitternacht verkörpert er mit dem Inspektor Carrel einmal mehr einen Polizeibeamten, der einen Mordfall aufzuklären hat, genaugenommen sogar zwei. Aber der eine ist besonders interessant für ihn, weil er selbst mit dem Toten, einem notorischen Kriminellen namens Jérome Vidabond, eine verblüffende Ähnlichkeit aufweist. Kurzerhand beschließt Carrel, in dessen Rolle zu schlüpfen und ihn weiterleben zu lassen… Nicht nur die in dem äußerst gelungenen und spitzfindigen Beginn des Films genannten Schauspieler Louis Jouvet, Edward G. Robinson und Charlie Chaplin hatten im Kinofilm bereits Doppelrollen gespielt. Auch Don Castle hatte sich in James Tinlings Roses Are Red (USA 1948) daran versucht, wo allerdings ein Gangster in die Rolle eines stets am Leben befindlichen Staatsanwalts schlüpft, dem er aufs Haar gleicht. Und genaugenommen spielt Louis Jouvet in Zwischen 11 und Mitternacht kaum eine Doppelrolle, da zwischen Carrel und Vidabond, letzterer zu Beginn des Films ersmordet, seinerseits nur wenig unterschieden wird.

 

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Neben Beteiligung Louis Jouvets, der es bis zu seinem Tod auf lediglich 33 Filmrollen brachte, sind es die Frauen, die in diesem Werk des französischen Film Noirs überzeugen. Ihrer gibt es darin reichlich: Monique Mélinand, Madeleine Robinson, Gisèle Casadesus, Anne Campion, Simone Sylvestre und Yvette Etiévant sind mir allesamt positiv aufgefallen und im Gedächtnis geblieben. Sein Ensemble und Nicolas Hayers (Der Teufel mit der weißen Weste, FRA/ITA 1962) wunderbare Kameraarbeit im Paris der Nacht sind die Stärken von Henri Decoins Verfilmung des Romans Le Sosie de la Morgue (EA 1935) von Claude Luxel. Nach einem grandiosen Auftakt, der die ersten 12 Minuten des Films wie im Flug dahinrasen lässt, stockt die Dramaturgie jedoch mehr und mehr, da viele Nebenfiguren die Aufklärung der Morde erstmal ad acta legen. Sogar Lucienne (Madeleine Robinson), Jérome Vidabonds Geliebte, tritt erst nach 40 Minuten in Erscheinung und ist somit nur in der zweiten Hälfte des Films präsent. Zwischen 11 und Mitternacht ist eines dieser bis ins Detail wunderbar sorgsam inszenierten Werke, die man als Connaisseur der Filmklassik unbedingt wetschätzen möchte, und so ist frustrierend zu erleben, dass seine Geschichte nur durchschnittlich und in einigen Punkten unglaubwürdig ist. Unter der Regie Josée Dayans wurde Luxels Roman im Jahr 2018 als Episode Double Jeu der TV-Serie Capitaine Marleau (FRA 2015-2021) noch einmal adaptiert. Henri Decoins Zwischen 11 und Mitternacht ist für den Liebhaber des klassischen Film Noirs keine verschwendete Zeit, jedoch weit entfernt von den Meisterwerken der Ära in Europa und andernorts.

 

Unterm Originaltitel Entre onze heures et minuit gibt es von Decoins Film, der 1949 auch in der Bundesrepublik Deutschland im Kino lief, via StudioCanal eine französische DVD (2005), die 2011 und 2016 mit einer je anderen Umschlaggestaltung eine Neuauflage erfuhr. Enthalten ist der Film bild- und tontechnisch einwandfrei restauriert, ungekürzt und im Originalformat inklusive des französischen Originaltons ohne Untertitel, das Ganze auch ohne Extras. Eine italienische DVD (2012) von Golem Video beinhaltet als Tra le Undici e Mezzanotte bild- und tontechnisch die gleiche Version, allerdings bietet sie zusätzlich zum französischen Ton auch eine italienische Synchronspur.

 


Film Noir | 1949 | France | Henri Decoin | Nicolas Hayer | Louis Jouvet | Paul Barge | Madeleine Robinson

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