John Cassavetes, Eduardo Ciannelli, Dennis Sallas, Frank London, Garry Walberg
New York: Jazz-Pianist und Privatdetektiv Johnny Staccato (John Cassavetes) spielt nachts im Waldo’s, einem Jazzclub im Stadtviertel Greenwich Village, der vom gleichnamigen Eigentümer Waldo (Eduardo Ciannelli) betrieben wird. Heute erreicht Johnny ein Anruf des Musikproduztenten “Senator“ Bly (Robert H. Harris), der mit dem erfolgreichen Jazz-Sänger Freddie Tate (Michael Landon) ein neues Album einspielen möchte, aber feststellen muss, dass Tate von Angst und Gewissensnöten geplagt wird und unfähig ist, diszipliniert zu arbeiten. Staccato trifft Bly, der ihm berichtet, dass der Chefredakteur des Skandallblättchens The Naked Truth, A.J. Templar (Stacy Harris), über einen Fehltritt in Tates Leben unterrichtet ist, der 10 Jahre zurückliegt und den Sänger, sollte die Sache publik werden, um seine Karriere bringen könnte. Staccato entgegegnet erst, dass sich dagegen nichts unternehmen ließe, bis Bly ihn darüber aufklärt, dass Tate seit einiger Zeit 2.000 US-Dollar monatlich an Templar zahle, um die Katastrophe zu verhindern. Staccato zeigt sich bereit, diesen Fall einer Erpressung zu übernehmen und begibt sich am darauffolgenden Tag zu den in der Nähe der Queensboro Bridge in einem heruntergekommenen Fabrikgebäude gelegenen Redaktionsräumen des Magazins. Dort macht er die Bekanntschaft einer Sekretärin, die sich ihm als Dee Dee (Ruta Lee) vorstellt. Nach einigem Zögern begleitet sie ihn in Templars Büro, wo sich jener mit seiner rechten Hand Lotsie (Nick Cravat) just im Degenfechten übt…
“So, I killed the rest of the day walking around the city. That’s all part of my job… walking. Walking and waiting!“ Schon die erste Episode der TV-Serie Johnny Staccato, betitelt The Naked Truth, setzt mit dem Ich-Erzähler jenen Tonfall, der den von John Cassavetes dargestellten Charakter des Privatdetektivs beschreibt, in der Tradition des klassischen Film Noirs fort, der zu dem Zeitpunkt bereits seinen Schlusspunkt zu verzeichnen hatte. Im Anschluss an die im Jahr 1954 durch einen politischen Skandal endgültig beendete, erzkonservative McCarthy-Ära hatte der Privatdetektiv in den Schattenzonen zwischen dem schwer unterscheidbaren Gut versus Böse der Großstadtwelten nun im Fernsehen Konjunktur. Sogar Raymond Chandlers Ikone eines Private Eye im Zeitalter des Film Noirs, Philip Marlowe, kehrte mit Philip Carey in der Hauptrolle der gleichnamigen TV-Serie Philip Marlowe (USA 1959-1960) wieder zurück. Darren McGavin verkörperte indessen Mickey Spillanes erfolgreichen Pulp-Detektiv Mike Hammer (USA 1958-1959), der seit Harry Essex‘ Der Richter bin ich (USA 1953) bereits in mehreren Film Noirs eine Hauptrolle inne gehabt hatte. Die Figur des Johnny Staccato ist demgegenüber jugendlicher und eleganter, ein verhinderter Jazz-Pianist, der sich in der New Yorker Kunstszene herumtreibt und gern in der Gesellschaft von Einzelgängern und Außenseitern zu finden ist, denen er auch selbst zugehörig ist. Staccato ist in Little Tokyo so bekannt wie in den Beatnik-Kneipen von Greenwich Village, er ist loyal, empathisch und cool, und seine sarkastischen Seitenhiebe auf das Leben sind nicht frei von Selbstironie.
Die Jazz-Band im Waldo’s bestand aus Barney Kessel, Shelly Manne, Red Mitchell, Red Norvo, and Johnny Williams, die zu jener Zeit miteinander und in anderen Besetzungen auf vielen heute legendären Jazz-Alben spielten. Zahlreiche Veteranen des klassischen Film Noirs gaben in mindestens einer Episode von Johnny Staccato ein Gastspiel, darunter Charles McGraw, Elisha Cook jr. Paul Stewart, Ted de Corsia oder Geraldine Brooks. Von den 27 jeweils knapp halbstündigen Episoden entstanden 5 – nämlich Murder For Credit (1959), Evil (1959), A Piece Of Paradise (1959), Night Of Jeopardy (1960) und Solomon (1960) - auch unter Cassavetes’ Regie, der als Autor und Regisseur mit Mord an einem chinesischen Buchmacher (USA 1976) und Gloria / Gloria, die Gangsterbraut (USA 1980) den Kanon des Neo Noirs um zwei fulminante Werke bereicherte. Die TV-Serie Johnny Staccato erwies sich jedoch als zu düster, zu gewalttätig, zu ernsthaft und mitunter tragisch und damit gewissermaßen ihrer Zeit voraus, um über die erste Staffel hinaus fortgesetzt zu werden. Viele ihrer fernsehtypischen Geschichten zeigen in Anbetracht der kurzen Laufzeit keinerlei Tiefgang. Atmosphärisch und mit Blick auf seine Charaktere ist Johnny Staccato aber bis heute unterhaltsam. Lediglich das Frauenbild entspricht dem Zeitgeist der 50er. Wenn Sekretärinnen und Nachteulen dem coolen Johnny reihenweise in die Arme sinken, ist das eine der typischen Männerphantasien, wie sie sich auch bei Mike Hammer, Peter Gunn und ab den 60er Jahren in den James-Bond-Filmen fanden. Für Freunde des klassischen Film Noirs ist solche obskure Kuriosität, die die großteils bei Nacht spielende und im expressionistischen Schwarzweiß des Film Noirs der 40er Jahre präsentierte TV-Serie darstellt, allemal zu empfehlen.
Eine in den USA erschienene 3-DVD-Box (2010) der Timeless Media Group in Lizenz der NBC Universal bringt alle 27 Folgen der Fernsehserie ungekürzt und im Originalformat, bild- und tontechnisch einwandfrei restauriert, das Ganze mit dem original englischen Ton ohne Untertitel und (leider) ohne jegliche Extras.