Farley Granger, Anthony Quinn, Anne Bancroft, Peter Graves, Else Bäck
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Joe McFarland (Peter Graves) ist ein Journalist beim New York Chronicle und schrieb die Geschichte über den Gangsterboss Phil Regal (Anthony Quinn), an deren Verlauf er persönlich beteiligt war. Alles begann in einer trüben Nacht im Bezirk Brooklyn, als an einer Brücke über den Hudson die Leiche von Julian Lefty Vogels in Flammen aufging. Ein zufällig anwesendes Paar überraschte die beiden Täter, so dass die Polizei den Toten anhand seiner Schuhe identifizieren konnte. Genau das wollte Phil Regal, Auftraggeber des Mordes und zugleich Arbeitgeber des Toten, mit der Verbrennung verhindern. Er ist verärgert, dass seine Killer versagten, wie er tags darauf aus dem New York Chonicle erfährt, und er schickt sie sicherheitshalber nach Detroit. Am gleichen Morgen lässt sich Joe McFarland bei ihm anmelden, um mehr über den Toten herauszufinden. Jener informiert ihn, dass er einzig legalen Geschäften nachginge und über die Hintergründe des Mordes nichts wisse. Auf dem Weg zu seiner Familie will Regal McFarland unterwegs absetzen, doch zuvor muss er einmal mehr seiner Freundin Janet (Angela Stevens) klarmachen, dass er nicht beabsichtigt, sie seiner Familie vorzustellen. Letztere besteht aus Mutter Regalzyk (Elkse Bäck) und seiner jüngeren Schwester Rosalie (Anne Bancroft), die heute etwas blass um die Nase wirkt. Beim gemeinsamen Essen erinnert sich Phil, dass ihm Louie (Jerry Hausner) im Treppenhaus sagte, er habe Rosalie letzte Woche bei Dr. Levitt getroffen, einem Arzt für schwangere Frauen…
”Stop looking like the world fell on you. This is your wedding.” Teils herausragende Talente werden in einem kaum durchschnittlichen Kriminaldrama vergeudet, was den Cineasten im Fall eines 1955 gedrehten Film Noir jedoch kaum erstaunen kann. Zu diesem Zeitpunkt hatte die McCarthy-Ära die Relevanz des Film Noirs der ausgehenden 40er Jahre über Jahre hinweg verwässert und eingetrübt, so dass man in Nackte Straßen schnell jene Art von Allerweltsdrama erkennt, das kurz darauf einzig im Fernsehen seinen Platz finden sollte. Farley Granger hatte mit Hauptrollen in Alfred Hitchcocks Cocktail für eine Leiche (USA 1948) und in Nicholas Rays Im Schatten der Nacht (USA 1948) seine Karriere im Film Noir begonnen. Aber beide Werke, heute in den Kanon der Klassiker eingemeindet, waren an den Kinokassen seinerzeit Flops. Als immerhin noch zugkräftiger Name steht er in der B-Produktion Nackte Straßen zwar an erster Stelle, doch schon im Jahr darauf sollte er für weitere 15 Jahre nur mehr im Fernsehen auftreten. Der aus Mexiko stammende Anthony Quinn war seit fast 20 Jahren im US-amerikanischen Filmgeschäft tätig und hatte mit Viva Zapata (USA 1951) und mit Das Lied der Straße (ITA 1954) international den Durchbruch geschafft, dennoch tat sich Hollywood stets schwer mit ihm. Anne Bancroft hatte in Versuchung auf 809 (USA 1952) bewiesen, was sie konnte, doch nach weiteren fünf Jahren in B-Filmen wandte sie sich ab 1958 vorerst dem Theater zu, wo sie am Broadway in William Gibsons The Miracle Worker bald ihre spätere Oscar-Rolle innehatte.
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“This film is all too willing to coast along on the usual characterizations, average performances, passable cinematography and a so-so script”, liest man bei Martin Teller’s Movie Reviews über Maxwell Shanes Nackte Straßen. Und dieser Satz beschreibt exakt das Wesen einer dem individuellen Werkscharakter von Spielfilmen entgegengesetzten TV-Industrie, die ab Mitte der 50er Jahre zur ersten medialen Macht wurde und die Filmstudios in ihre Schranken wies. Das “Golden Age“ Hollywoods neigte sich dem Ende zu, sein Gold verblasste und weder das Breitwandformat noch der Farbfilm sollten es wieder in alter Größe erblühen lassen. Auch der Film Noir, schon seit 10 Jahren in den Hinterhöfen des B-Films heimisch, war als Bestandteil dieser Ära zum Untergang verurteilt und wurde mit Produktionen vom Reißbrett - wie Nackte Straßen eine ist - zu Grabe getragen. Lediglich einzelnen Größen, alt und neu, Autoren und Regisseuren wie Stanley Kubrick, Orson Welles oder Robert Wise war es bis zum Ende des Jahrzehnts in Hollywood noch vergönnt, dem Kanon des Film Noirs eine Handvoll relevanter Werke hinzuzufügen. Vor diesem Hintergrund bleibt Nackte Straßen eine solide Produktion, die ein Film-Noir-Connaisseur sich zu Gemüte führen kann und darf, doch ein Muss ist dieses Machwerk nicht, eher das Gegenteil dessen.
Trotz der vielen Wiederentdeckungen und -veröffentlichungen von Filmklassikern auf BD und DVD, die in den letzten Jahren vor allem den US-amerikanischen und den englischen Markt bereichern, ist Nackte Straßen bis dato nicht als digitaler Bildträger erhältlich. Online kursiert eine im US-Fernsehen ausgestrahlte Fassung in solider Qualität, ungekürzt und im Originalformat mit dem englischen Ton ohne Untertitel.