Bewertung
**
Originaltitel
Underworld
Kategorie
Neo Noir
Land
CAN/USA
Erscheinungsjahr
1996
Darsteller
Denis Leary, Joe Mantegna, Annabella Sciorra, Larry Bishop, Abe Vigoda
Regie
Roger Christian
Farbe
Farbe
Laufzeit
95 min
Bildformat
Vollbild
Eine Stretch-Limousine fährt durch nächtliche Straßen der Großstadt in ein Industriegebiet und schließlich in eine Lagerhalle der Essex Enterprises. Hier stehen an der Wand aufgereiht Männer in Hemden und in Anzügen, die von Mitch Reed (Michael David Simms) und seinen Schergen mit Maschinenpistolen in Schach gehalten werden. Die Tür der Limousine öffnet sich und Johnny Crown (Denis Leary), nach sieben Jahren aus dem Gefägnis entlassen, erschießt sie allesamt mit einer vollautomatischen MP, bevor er die Tür wieder schließt und der Wagen von dannen rollt… In einem Nachtclub sitzt der Mobster Frank Gavilan (Joe Moantegna) mit einigen Call Girls an einem Tisch und sieht einer Stripperin (Tracey Mannen) zu, die dem Frauenschwarm Gavilan zum Applaus des Publikums zum Vatertag gratuliert. Hinter der Bühne verabredet er sich mit Simone (Heidi Schanz) für die Nacht, bevor er sich zu seiner Frau, der Psychotherapeutin Dr. Leah (Annabella Sciora) begibt, die ihn nackt auf schwarzseidener Bettwäsche empfängt… Johnny Crowns Limousine rollt in die Einfahrt der Villa des Mafiosis Ned Lynch (Larry Bishop), wo dessen neun Männer soeben beim Abendessen um den Tisch herum sitzen und bei einem Toast auf die Familie ihre Gläser heben. Aber schon im nächsten Augenblick halten Mitch Reed und zwei seiner Berufskiller (Marc Baur, Michael Benyaer) auch hier ihre blutige Ernte…
“A tremendously entertaining, darkly comedic, surrealistic romp through the film noir genre”, wird das WBAI Radio, New York, auf dem Frontcover der DVD-Edition zitiert. Die 90er Jahre waren die Ära des Neo Noirs, als unterm Einfluss von John Dahl, Quentin Tarantino und nicht zuletzt Mark Frosts und David Lynchs TV-Serie Twin Peaks (USA 1990-91) viele Regisseure die städtischen Dramen der Vierziger und Fünfziger ins Hier und Heute holten und die Film-Noir-Ambiguitäten aufs Feld der Subkultur verpflanzten. So erscheint auch Underworld in der Nachbarschaft von Bryan Singers Die üblichen Verdächtigen (USA/GER 1994) und Gary Fleders Das Leben nach dem Tod in Denver (USA 1995) angesiedelt, voller überdrehter, bizarrer und tabuloser Charaktere wie aus einem hippen Comic Strip und gerade auch optisch - der Film spielt in einer einzigen Nacht - überaus avanciert und einfallsreich. Typisch ist zudem der musikalische Hintergrund mit dem Sound zeitgenössischen Alternative Rocks von Simon Bonney (ex-Crime & The City Solution), The Blue Hawaiians, Gallon Drunk, etc. Und ziemlich bald wird deutlich, dass jener Racheplot nach einem Drehbuch Larry Bishops, der selbst auch eine Nebenrolle bekleidet, eindeutig von Samuel Fullers Alles auf eine Karte (USA 1960) beeinflusst worden ist - im Original Underworld, U.S.A. Der Regisseur Roger Christian macht ausgiebig Gebrauch von Drehorten in der Großstadt Vancouver, Kanada, und Joe Mantegna (Homicide - Mordkommission, USA 1991) und Denis Leary (Snitch / Monument Ave, USA/CAN 1998) sind gute Schauspieler, die solches auch hier unter Beweils stellen. Doch das war es schon. Der Film selbst ist von A bis Z ein heilloser Mumpitz.
“I hated this movie. I thought of words to describe the film, and "sucked" and "stunk" just didn't do it justice“, schreibt Judge Short mit erheblicher Entrüstung für DVD Verdict. Nun, ich kann ihn verstehen. Die Charaktere sind derart klischeehaft und konturlos, es ist kaum zu fassen. Der schwarze Humor der Einzeiler und Dialoge ist ein Abklatsch der wirklich hintergründigen Rhetorik klassischer Autoren Hollywoods, die den Film Noir mit einem zentralen Element versahen - seiner Sprache. Hier spiegelt sich im Sprücheklopfen bloß das unsäglich verkrampfte Bemühen, so etwas wie “Coolness“ auf die Leinwand zu zaubern, wofür Autor und Regisseur alle Mittel recht sind, vor allem ein permanentes Metzeln und Morden. Derlei soll im Kielwasser Taratinos scheinbar das hochgradig satirische Aushebeln bürgerlicher Moralkonventionen veranschaulichen, de facto ist es gerade in Underworld bloß dämlich und abgedroschen. Ist schon die erste halbe Stunde wenig spannend, wird die Dramaturgie ab dem zweiten Drittel derart holprig und peinlich unlogisch, dass der Zuschauer jegliches Interesse an der Geschichte verlieren muss. Vor allem die Frauenfiguren, denen sich der Autor im Sinne der billigsten Altherrenfantasien bedient, sind dergestalt hohl, dass einem die Darstellerinnen fast leid tun können. Underworld zählt im Kanon des Neo Noirs zu den schlechtesten Fimen, die ich jemals sah, ein vollends überflüssiges Produkt seiner Zeit, die im Kontext eben nicht nur für Qualität steht. Von den 95 Minuten Spieldauer der kanadischen DVD braucht allein der Abspann 4 Minuten und 44 Sekunden - so ziemlich das Beste an Underworld.
Es gibt eine bild- und tontechnisch gute DVD-Ausgabe (2001) der Seville Pictures mit dem Film ungekürzt im Vollbildformat, dazu wahlweise eine englische oder französische Tonspur, keine Extras. Die italienische DVD (2002) von Terminal Video beinhaltet angeblich eine Fassung in Widescreen 16:9, aber sie liegt uns nicht vor.