Fernand Gravey, Michel Simon, Corinne Luchaire, Marcel Vallée, Florence Marly
In Südfrankreich fährt auf einer Landstraße Richtung Marseille der Lastwagen einer Spedition. Als der Beifahrer (Pierre Labry) spät am Abend mitbekommt, dass auf der Ladefläche ein blinder Passagier (Fernand Gravey) schläft, befördert er den ungebetenen Gast hinaus ins Freie. Es kommt zwischen den beiden zu einer lautstarken Auseinandersetzung, doch sein Zetern und Drohen hilft dem obdachlosen Frank Maurice am Ende nichts. Er muss zu Fuß weiter und macht sich mit nichts als einer Umhängetasche als Gepäck auf den Weg… Nick Marino (Michel Simon), Tankwart und Inhaber eines an der Landstraße gelegenen Rasthauses, liest Pfeife rauchend die Tageszeitung, als jener Lkw der Spedition zu hupen beginnt und Marino sich mürrisch in die Dunkelheit begibt, um das Gefährt mit 30 Liter Diesel zu betanken. Der Beifahrer schlägt dem Tankwart vor, sich endlich eine Leuchtreklame anzuschaffen, sie hätten seine Raststätte an der Kehre beinahe übersehen. Und Nick Marino entgegnet, dass er mitunter darüber nachgedacht habe, es ihm mit den nächtlichen Stopps der Lastwagen aber eh schon zuviel sei. Als der Lkw soeben wieder abfährt, kommt Frank Maurice an der Tankstelle an und fragt den Tankwart in seiner Schürze, ob er einen Ford habe durchfahren sehen. Nick Marino verneint. Außer dem Lkw sei schon länger nichts vorbeigekommen, und er geht ins Haus zurück. Er setzt sich an den Tisch und entzündet seine erloschene Pfeife, als die Tür sich öffnet und der unrasierte und hungrige Frank Maurice hereinkommt…
Pierre Chenals Film ist die erste Adaption des Kriminalromans The Postman Always Rings Twice (EA 1934, auf Deutsch 1950 als Die Rechnung ohne den Wirt) des US-amerikanischen Autors James M. Cain, zugleich auch dessen Romandebüt. Es ist keineswegs die schlechteste, aber auch nicht die beste der vielen Adaptionen, die ihr nachfolgen sollten und auf die eine oder andere Weise dem Film Noir oder dem Neo Noir zuzurechnen sind. Bemerkenswert ist, dass solches Werk zuerst in Europa die Aufmerksamkeit der Filmbranche erregte und 1939 in Frankreich durch Pierre Chenal und 1943 als Debüt des legendären Regisseurs Luchino Visconti unter dem Titel Ossessione – von Liebe besessen / Besessenheit (ITA 1943) ein zweites Mal für die Kinoleinwand adaptiert wurde. In den USA wurden erst nachfolgende Romane Cains durch deren Verfilmungen zu Erfolgen im Kino und zwar Billy Wilders Frau ohne Gewissen (USA 1944) nach Double Indemnity (EA 1936, auf Deutsch 1951 als Den Haien zum Fraß) und im Anschluss Michael Curtiz‘ Solange ein Herz schlägt (USA 1945) nach Mildred Pierce (EA 1941, auf Deutsch 1970 als Der Hass kann nicht schlafen). Für Metro-Goldwyn-Mayer drehte Tay Garnett dann Im Netz der Leidenschaften / Die Rechnung ohne den Wirt (USA 1946), doch gerade im Vergleich mit Viscontis wahrhaft obsessivem Drama voller explizit erotischer Begierden wirkt dessen Film Noir zahm und konventionell. Chenals Trio aus Fernand Gravey, Michel Simon und Corinne Luchaire als des unattraktiven und deutlich älteren Nick Marinos junge Ehefrau Cora schneidet besser ab. Doch leider zeigt auch dessen mit Blick auf Drehorte, Darsteller und Kameraarbeit exquisite Erstverfilmung klare Schwächen.
Indessen sich Chenal für die Handlungsentwicklung im Ganzen Zeit nimmt, gerät ihm die Romanze zwischen Frank und Cora zu hastig. Michel Simon ist als Nick Marino grandios, zugleich gegenüber Frank und auch Cora zu freundlich und zu naiv. Derlei löst Luchino Visconti mit seinem herrischen und selbstgefälligen Juan de Landa als Tankstelleninhaber Giuseppe Bragana schlicht glaubwürdiger. Auch sonst wirkt Chenals Dramaturgie mal gemütlich, mal sprunghaft, und eine Episode mit einer Dompteuse von Wildkatzen (Florence Marly) ist zwar getreu der Romanvorlage umgesetzt, gerät jedoch bizarr und wirkt im Kontext fehl am Platz. Le dernier tournant lief in Deutschland nie im Kino und meines Wissens nie im Fernsehen. Das Werk ist wegen seiner Besetzung und der Drehorte durchweg unterhaltsam und filmhistorisch aus mehr als einem Grund von Interesse. Die zur Zeit der Dreharbeiten 18-jährige Corinne Luchaire erkrankte bald an Tuberkulose und schied 1940 aus dem Filmgeschäft aus. Während des Zweiten Weltkriegs bandelte Sie mit einem deutschen Offizier an, bekam von ihm eine Tochter und wurde nach dem Krieg inhaftiert und mit Berufsverbot belegt. Sie starb 1950 mit 28 Jahren verarmt und verfemt. Der im Film als Nick Marinos Cousin auftretende Robert Le Vigan war ein erklärter Antisemit und kollaborierte während der Zeit der Besatzung und des Vichy-Regimes mit den Nazis. Er setzte sich zu Beginn der 50er Jahre nach einer Flucht in das unter Francisco Franco faschistische Spanien schließlich nach Argentinien ab.
In Frankreich gab es via René Chateau in der Reihe Memoire du cinema Française eine VHS-Videokassette mit dem Film ungekürzt im Originalformat samt französischem Ton ohne Untertitel. Bis dato (2022) existiert jedoch weltweit keine BD oder DVD dieser ersten Adaption eines Romans von James M. Cain durch Pierre Chenal.