Dermot Walsh, Jacqueline Hill, Ballard Berkeley, Richard Pearson, June Ashley
London, England: Als spät nachts der Wagen von “Rocks“ Owen (Victor Lucas) vorfährt, blickt der Wirt des Nachtclubs (Aileen Lewis) The Blue Parrot kurz aus dem Fenster, bevor jener schon am Türsteher Jim (Thomas Gallagher), der ihn freundlich begrüßt, vorbei in den Saal kommt. Dort geht er an dem allein vor der Bar sitzenden Mr. Stevens (Ferdy Mayne) achtlos vorbei, grüßt die Musiker der Band, bevor er sich dem Callgirl Gloria (June Ashley) nähert, die ebenfalls ohne Begleitung an ihrem schlechten Whisky nippt. Owen betreibt einen Kurier- und Shuttle-Service, der überaus einträglich zu sein scheint, trägt er seinen Spitznamen doch wegen seiner Vorliebe für Edelsteine. Er begibt sich ins Büro von Henry Carson (John Le Mesurier), dem Inhaber des Clubs, und streicht die 200 Pfund Sterling ein, die jener ihm schuldig ist. Carson scherzt darüber, dass Owen das Geld nicht einmal zählt, und bietet ihm einen Drink an, doch Owen geht zurück in den Saal und setzt sich zu Gloria. Der “Taps“ gerufene Kellner, mit vollem Namen Guido Campelli (Edwin Richfields), eilt herbei, und Owen bestellt Champagner für Gloria und einen Johnnie Walker Blue Label für sich. An der Bar klingelt das Telefon, “Taps“ nimmt den Hörer ab: der Anrufer möchte mit “Rocks" Owen sprechen. Als letzterer sich bei Gloria entschuldigt und zur Bar geht, wird er von Henry Carson durch ein Fenster in seinem Büro genau beobachtet. Owen wirkt nicht gerade begeistert, aber er willigt ein, um 2 Uhr morgens noch einen Auftrag auszuführen…
Einige passable und einige weniger passable Akteure finden sich in einer B-Produktion, an dessen vorsehbarer und im Nu langweiliger Geschichte offenbar niemand Interesse hat – nicht Drehbuchautor Allan MacKinnon, der die 08/15-Dialoge nach der Erzählung Gunman von Percy Hoskins zusammenschrieb, und nicht der Regisseur John Harlow (Appointment with Crime, UK 1946), dessen Dramaturgie so innovativ wie beim Malen nach Zahlen voranschreitet. Fernsehschauspielerin Jacqueline Hill hat in The Blue Parrot ihr Debüt und liefert eine gute Vorstellung ab, ebenso wie der immer uzuverlässige Ballard Berkeley. Der aus New York angereiste und bei Scotland Yard quasi hospitierende Police Lieutenant Bob Herrick, besetzt mit dem Iren Dermot Walsh, ist kaum auszuhalten. Von Walshs Over-Acting übers alberne Grimassieren bis hin zu einem grotesten US-amerikanischen Akzent überzeugt an ihm rein gar nichts. Bonuspunkte gibt es bei dieser B-Produktion der Association of Cinema Technicians (A.C.T.) auch nicht dank der Studiobauten oder durch die Kameraarbeit von Robert Navarro. Nichts davon gibt dem Film so etwas wie ein Flair, einen Stil oder überhaupt nur Atmosphäre. Der titelgebende Nachtclub The Blue Parrot in dem angeblich so verruchten Londoner Stadtteil Soho, wo ein Großteil der Handlung stattfindet, hat den Charme einer Dorfkneipe und ist zu jeder Stunde des Abends unterbesetzt. Außer den Angestellten und den Spitzeln von Scotland Yard tanzt und trinkt hier niemand, denn es ist niemand da. Schäbige Studiokulissen und fade Konversation kennt man auch aus anderen B-Produktionen, die unter der Flagge des Film Noirs firmieren, aber The Blue Parrot ist für mich am unteren Ende angesiedelt.
“Although the film stays in mid-gear and lacks much in the way of surprises it is (…) worth seeing alone for John Le Mesurier playing a villain”, versucht sich Kris Davies für Quota Quickie an einer Ehrenrettung des Streifens. Und es stimmt. Neben Berkeley ist John Le Mesurier der einzige voll überzeugende Darsteller. Zugleich ermöglicht ihm aber auch die Rolle, seiner Figur etwas mehr Esprit und Charakter zu veleihen und sich von den Biedermännern mit Dienstgrad abzuheben. Letzten Endes bleibt The Blue Parott jedoch ein spannungsarmer und lieblos inszenierter Film und damit nur eine Randnotiz des Brit Noirs, der zuvor und danach um Längen Besseres zu bieten hat. John Harlow drehte 1954 seinen letzten Kinofilm und hörte drei Jahre später auch beim Fernsehen auf. Allan MacKinnon verstarb im Jahr 1955, und neben Jacqueline Hill wechselte auch Dermot Walsh, der parallel auch dem B-Film noch viele Jahre treu blieb, sukzessive zum Fernsehen. Zu Beginn der 50er Jahre hätte der britische Film die Möglichkeit gehabt, vom Niedergang der US-amerikanischen Filmindustrie in der McCarthy-Ära zu profitieren. Aber die meisten Thriller und Brit Noirs der Zeit, oft nur B-Produktionen, können ihren Vorbildern aus den USA und auch aus dem England der 40er Jahre nicht das Wasser reichen.
Es gibt eine englische DVD-Ausgabe (2013) der Simply Media mit dem Film ungekürzt im Originalformat mit der englischen Tonspur, bild- und tontechnisch mittelprächtig, das Ganze ohne Untertitel und ohne Extras, doch als zweiten Film gibt es noch Daniel Birts Thriller Burnt Evidence (UK 1954) auf eben derselben DVD.