Beverly Michaels, Hugo Haas, Allan Nixon, Howland Chamberlain, Jo-Carroll Dennison
© Columbia Pictures Corporation
In der Wüste Kaliforniens: Am Tank Stop 47 ist Jan Horak alias Hunky (Hugo Haas) der diensthabende Beamte der Eisenbahn. Heute besucht ihn der Landstreicher mit Spitznamen “Professor“ (Howard Chamberlain), der gerne aus der klassischen Literatur zitiert. Doch Hunky ist schlechter Laune. Sein Hund sei überfahren worden, teilt er dem “Professor“ mit, er habe ihn bereits beerdigt. Jener rät ihm sich einen Welpen zuzulegen. Auf dem Rummelplatz böte der Inhaber von Joe’s Diner einen Wurf deutscher Boxer zum Verkauf an. Am Sonntag taucht Steve Kowalski (Allan Nixon), neu in der Gegend und polnischer Abstammung, im Tank Stop 47 auf. Kowalski telefoniert und Hunky versteckt noch die Whiskeyflasche, aber kaum ist er aus der Tür genehmigt sich Kowalski einen kräftigen Schluck… Auf dem Jahrmarkt wird Hunky mit Joe (Bernard Gorcey) nicht handelseinig, da jener sich als stur erweist. Zugleich ist die aufreizende Betty (Berverly Michaels) mit ihrer Freundin Irma (Jo-Carroll Dennison) unterwegs und zeigt bei der Fahrt im Karussell so viel Bein, dass es die umstehenden G.I.s in Uniform zum Pfeifen anregt. Als die beiden später in Joe’s Diner über ihre Wünsche plaudern, erspäht Betty den am Tresen sitzenden Hunky bei Donut und Kaffee. Betty wettet mit Irma, dass sie dem sicher gut betuchten Kerl zumindest eine Mahlzeit abluchsen könne, und so setzt sich Betty neben den mürrischen Bahnbeamten…
“Money was invented to be spent." Betty weiß auf alles eine Antwort, denn in ihrem Kopf lebt sie bereits in einer Zukunft, frei von den Sorgen des Alltags und allein die ihre. Der tschechische Autor, Schauspieler und Regisseur Hugo Haas war 1939 aufgrund seiner jüdischen Herkunft vor den nationalsozialistischen Invasoren, die sein Heimatland besetzt und unterjocht hatten, auf abenteuerlichen Wegen in die USA emigiriert. Doch in Hollywood war er fern von dem Ansehen und dem Ruhm, den er sich im Lauf der 30er Jahre in seiner Heimat erarbeitet hatte. Erst ab 1944 gelang es ihm, kleinere Rollen in Filmproduktionen zu ergattern, etwa in Gustav Machatýs Jeaulosy (USA 1945) oder auch in John Berrys Casbah – Verbotene Gassen (USA 1948). Im Jahr 1951 war der B-Film Aufgelesen nach über 10 Jahren in der Fremde seine erste Arbeit als Autor, Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller in Personalunion. Doch konträr zu seinen Filmwerken in der Tschechoslowakei der 30er Jahre, überwiegend Komödien, ist Aufgelesen eine Low-Budget-Produktion vergleichbar derjenigen von Exilanten wie Edgar G. Ulmer (Detour, USA 1945) oder dem schon 1922 in die USA ausgewanderten John Reinhardt (High Tide, USA 1947). Genau wie Peter Lorre (Der Verlorene, GER 1951) litt Hugo Haas in den 50er Jahren, die ihn auf solche von der Kritik als lächerlich und minderwertig abgeurteilten B-Filme festlegte, unter seinen geringen Möglichkeiten, die er nicht zu überwinden vermochte. Paradise Alley (USA 1962) hieß sein letzter Film, denn 1961 kehrte Hugo Haas nach Europa zurück und lebte bis zu seinem Tod 1968 in Wien.
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“Loved the film for its lurid noir-like atmosphere and the blunt way the loser characters were portrayed“, schreibt Dennis Schwartz für Ozus' World Movie Reviews. So einfach und direkt wie die Aussage zum Werk ist auch die Geschichte selbst. Ein 50jähriger Witwer, der als Exilant ein einsames und bescheidenes Dasein fristet, entflammt für eine 23jährige und verrennt sich Hals über Kopf in einen Lebensentwurf, der ihn selbst zum Opfer in einem Mordkomplott stempelt… Sicher, das Ganze liest sich nicht nur wie eine B-Fassung von James M Cains legendärem Roman Die Rechnung ohne den Wirt (EA 1934), der es als Ossessione - von Liebe besessen / Besessenheit (ITA 1943) und als Im Netz der Leidenschaften (USA 1946) zweifach zu einem Schlüsselwerk des Film Noirs wurde. Und genau das ist Aufgelesen tatsächlich. Beverly Michaels‘ Talent als Schauspielerin ist das Gegenteil von subtil, und dennoch vermag die Produktion mit ihren vulgär holzschnitzartigen Charakteren und ihren schmerzhaft hölzernen Dialogen bis heute zu unterhalten. Haas schafft es, seine Figuren mit Facetten und sogar mit Witz auszustatten, es schwingt in jeder Szene Engagement und Empathie mit. Wer als Cineast mit Anspruch von seinem hohen Ross zu steigen bereit ist, kann Aufgelesen als Film Noir aus der zweiten Reihe womöglich genießen. Es ist eine Geschichte über einfache Leute in einer allzu komplizierten Welt und dezidiert nicht aus der Perspektive eines Autoren oder Regisseurs mit Anspruch und entsprechenden Absichten. Dass letzteres die Figuren oft zu naiv und plakativ erscheinen lässt, muss man ertragen. Jenseits davon ist sogar die übertriebene Art, wie Beverly Michaels ihre Rolle bis in die Haarspitzen ausfüllt, fast schon ein Ausweis von Qualität. Ein Film Noir für die Unerschrockenen und für alle Liebhaber von trashigen B-Produktionen.
Es gibt weltweit bis heute keine offizielle Veröffentlichung via BD oder DVD, obgleich sich der Film als Bootleg in einigen Webportalen zum Verkauf angeboten findet. Hin und wieder ist er auch in miserabler Qualität als Kopie eines TV-Mitschnitts in den einschlägigen Online-Foren zu sehen.